Das Friseur- und Parfümeriegeschäft Karg - eine kleine Familienchronik
verfasst 1954 bis 1961
Danke an Barbara Seitz-Schilling und Bernhard Schilling für die Bereitstellung dieser liebevollen Chronik einer Schweinfurter Geschäftsfamilie in 20. Jahrhundert.
Wer in Schweinfurt heute die Rückertstraße durchwandert, dessen Augen werden am unteren Ende der Straße von zwei modernen, gediegenen Schaufenstern angezogen, deren geschmackvolle und reichhaltige Auslagen die Leistungsfähigkeit des Friseur- und Parfümeriegeschäftes Andreas Karg bekunden.
Wer das Geschäft betritt, sieht einen blitzenden, weiten Verkaufsraum, in dem in großen Verkaufsschränken alles enthalten ist, was der bescheidene, aber auch anspruchsvolle Kunde wünscht. Kostbare Parfums und elegante Toilettengegenstände für Dame und Herrn nehmen den Beschauer gefangen.
In einem modern eingerichteten Herrensalon schließen sich die 10 Kabinen des Damensalons an, in denen die modernsten und fortschrittlichsten Geräte zur Bedienung der Kunden bereitstehen.
Aber nicht immer hat das Geschäft an dieser Stelle bestanden.
Erst 1937 wurde es aus dem Anwesen Rückertstraße 21 in das jetzige Geschäftshaus verlegt.
Jahre des Anfangs und der Gründung waren vorausgegangen.
Am 24, Dezember 1891 wurde Andreas Karg, der Gründer des Geschäftes im Dorfe Kronungen bei Schweinfurt geboren. Nach dem Besuch der Volksschule trat er bei dem Friseurmeister Groha in Schweinfurt als Lehrling ein.
Nach Abschluss seiner Lehrzeit erwarb sich der damalige Geselle weitere Kenntnisse bei anderen angesehenen Meistern in Schweinfurt, Bad Kissingen und Würzburg.
Damals stelle er in dreizehn Saisonstellungen sein meisterliches Können zum Teil als Geschäftsführer in Bad Kissingen unter Beweis.
Schließlich legte der Geselle Andreas Karg am.......1927 in.......... seine Meisterprüfung ab.
Nun war er der Erfüllung seines Wunsches, nämlich der Eröffnung eines eigenen Salons um sehr viel näher gekommen.
Ein strebsamer Wille, gepaart mit ziebewusstem Streben und großem geschäftsmännischen Können, ermöglichten am 2. Januar 1928 die Eröffnung des eigenen Geschäftes, des Friseursalons Andreas Karg Schweinfurt, Rückertstraße 21.
Das Geschäft 1928 nach der Eröffnung (Anm. Rückertstraße 21)
Die Zeit schritt fort....
.....und der Meister Andreas nahm sich eine Meisterin.
Am 22. Nov. 1930 heirateten Andreas und Luise Karg, geb. Hümmer.
Luise Karg war damals Geschäftsleiterin bei der Fa. Messerschmitt in Bad Kissingen. Sie wurde in der gleichen Stadt am 6.11.1900 geboren.
Jahre des gemeinsamen Schaffens und Planens begannen, in denen die Eheleute getreulich Freud' und Leid miteinander teilten.
Am 6. März 1932 wurde ihnen ihr erstes Kind, ihre Tochter Erika Angelina geschenkt.
Im Jahre 1935 erwarb Andreas Karg das jetzige Geschäftshaus Rückertstraße 18
Klein-Erika Angelina, die sich etwas einsam fühlte, bekam am 19. Februar 1936 ein Brüderchen Wilhelm Heinz Andreas Ludwig.
1937 wurde nach erfolgtem Umbau das Geschäft in das neue Anwesen verlegt.
Durch die umsichtige Leitung durch den Inhaber und durch bewährte, treue Mitarbeiter nahm das Geschäft einen stetigen blühenden Verlauf
und
wurde zum führenden Fachgeschäft in Stadt und Umgebung.
Die Einrichtung wurde ständig verbessert, das Lager vergrößert und den Kunden jede mögliche Erleichterung geboten.
Als 1939 der zweite Weltkrieg ausbrach, sollte auch für das Geschäftshaus Andreas Karg eine schwere Zeit anbrechen.
Beim ersten Luftangriff auf Schweinfurt am 17.8.43 wurde das Geschäft in Mitleidenschaft gezogen.
Das Lager brannte aus und das Haus erlitt schwere Schäden.
Weitere Angriffe folgten, und die Kriegsschäden wuchsen.
Der Verkauf musste erheblich eingeschränkt werden, da es zur Herstellung von Toilettengegenständen an Rohstoffen mangelte.
Das Jahr 1945 kam und mit ihm das traurige Ende eines schweren Krieges.
Im Winter des Jahres 1945 erlitt Andreas Karg einen schweren Unfall. Bei einem Sturz vom Fahrrad zog er sich einen komplizierten Oberschenkelhalsbruch zu, der ein Steifbleiben des Beines zur Folge hatte.
Durch einen unbeugsamen Willen zur Arbeit und aus der Sorge um seine Familie und sein Geschäft zwang sich Andreas Karg die Gesundheit zurück.
Nach vielen Mühen konnte er seinem Geschäft wieder vorstehen.
Aber das Missgeschick sollte noch nicht enden.
Wegen seiner Zugehörigkeit zur NSDAP musste Andreas Karg die Führung seines Geschäftes dem Angestellten Bussler (Wussler?) übergeben, während er selbst mit seiner Familie in jener schweren Zeit von einer monatlichen Zuweisung aus dem Geschäft in Höhe von rund 200 RM (Anm. Reichsmark) leben musste.
Nach seiner Entnazifizierung im Jahr 194? erhielt er sein Geschäft wieder zurück.
Eine neue Zeit hatte begonnen. Und auch für das Geschäftshaus Karg war der neue Anfang schwer.
Während der Zeit der Enteignung war ein Großteil der Kunden abgewandert. Der Ersatz und die Neuanschaffung von Geräten war nur sehr schwer möglich.
Das Lager musste nun errichtet und die Kriegsschäden beseitigt werden.
Am 5. Mai 1947 trat Erika, die Schwester des Chronisten, als Lehrling in das Geschäft ein.
Sie beendete ihre Lehrzeit am 5. Mai 1950.
Noch in ihrer Lehrzeit und nach deren Abschluss nahm Erika an Lehrgängen und Tagungen teil, um umfangreiere Fachkenntnisse zu erwerben.
So besuchte sie
vom 1. Febr. 1950 bis 28. Mai 1950 die Kosmetikschule Irma v. ..than, Bad Kissingen
für Gesichtsmassage, Fußpflege, Körpermassage, Make-up
in Karlsruhe einen Färbekurs im Januar 1950
in Hamburg einen Lehrgang bei Schwarzkopf im Januar 1952
und im September 1953
in Augsburg einen Lehrgang Elisabeth Bock im März 1952
in Paris eineTagung vom 8. - 15. Oktober 1954 grande Semaine de la Coiffure de la Beauté et de l`Eligence
Mehr und mehr wurde das Geschäft wieder zum führenden Salon in Schweinfurt.
Der Oberbürgermeister der Stadt Schweinfurt am Ausstellungsstand des Salons Karg mit dem bayerischen Wirtschaftsminister Dr. Seidel. (Anm. Oberbürgermeister Dr. Ignaz Schön, bis 1955)
Bei Modescheuen und großen Ausstellungen nahm der Friseursalon Andreas Karg in hervorragendem Maße teil und gab Zeugnis von solidem, meisterhaften Können.
Am 15. April 1951 trat Willi, der Chronist, in Würzburg bei der Parfümeriehandlung Val. Löhmer als Lehrling ein.
Am 15. April 1954 schloss er seine Lehre mit der kaufmännischen Gehilfenprüfung ab.
Wegen der Beinbeschwerden des Geswchäftsgründers wurde 1952 ein Auto - eine Fordlimousine gekauft.
Als jüngstes Mitglied der Karg-Familie wurde das "Mohrle" aufgenommen, ein Irish Blue Terrier, der am Familienleben und am Geschäftsgang lebhaften Anteil nimmt und trotz polizeilichen Verbots und des § 1 III 2 der Verordnung über die Ausübung des Friseurhandwerks vom 13. Juni 1938 (GVBL. S.95) dem Salon und den Kunden gelegentlich schnuppernde und kontrollierende Besuche abstattet.
Am 2. Januar 1953 beging das Geschäftshaus Andreas Karg das 25-jährige Geschäftsjubiläum des Inhabers.
An diesem Tag konnte Andreas Karg voll Stolz zurückblicken auf ein Leben voller Arbeit und Sorge für die Seinen - auf ein Leben in dem ihm seine Ehefrau Luise in allen Stunden treu zur Seite stand.
Vile Glückwünsche wurden dem Inhaber zu diesem Tag überbracht. Sie alle aber
waren Ausdruck dessen, was auch der Chronist für seine Eltern, die Gründer und Erhalter des Geschäftes empfanden:
Liebe Verehrung Dankbarkeit !
Im Jahr 1945 wurden die letzten Kriegsschäden an der Hausfassade beseitigt.
Die Ostwand des Hauses wurde neu verputzt. Die Vorderfront wurde bis zum ersten Stockwerk ganz in schwarzen Marmor gekleidet, von dem abends in großen Leuchtbuchstaben der Name "Karg" strahlt.
Am 15.4.1954 beendete Willi Karg erfolgreich seine Lehrzeit in Würzburg und kehrte 1955 zurück ins elterliche Geschäft, um dort seine erlernten Kenntnisse in die Tat umzusetzen.
Die Zeit schritt weiter und dem äußeren Umbau folgten wichtige Veränderungen der Geschäftsräume.
Mit dem neuen Aufschwung des Geschäftes war die Notwenigkeit erwachsen
mehr Raum
für die Kunden zu schaffen
und
die vorhandenen Erweiterungen wesentlich zu modernisieren.
Nach Abschluss der Arbeiten zeigte sich der Mühe Lohn:
So wurde 1955 der Umbau des Damensalons in Angriff genommen.
Vom 4. Sept. bis zum 22. Oktober wurden die Erweiterungsarbeiten durchgeführt. In dieser Zeit wurden die Kunden in den Wohnräumen der Familie bedient.
So brachte der Umbau große Anstrengungen und Opfer mit sich.
Der Hof war in die Geschäftsräume einbezogen worden. Die frühere Hoffläche hatte ein begehbares Glasdach erhalten, sodass nunmehr im ersten Stock eine gemütliche Freifläche geschaffen war.
Insgesamt waren 7 qm neuer Raum gewonnen worden, Raum für drei neue Plätze.
Ein moderner Warteraum rundet seither den Eindruck moderner Eleganz und fortschrittlicher Technik des Salons harmonisch ab.
Am 2. Jan. 1957 vollzog sich ein Schritt, der weitreichende Bedeutung erlangte.
Xaver Seitz, geb. am 27.1.1928,
Friseurmeister aus Unterrohr/Günzburg trat in das Geschäft ein.
Und nun begann der Kreis sich zu schließen.
Eine neue Generation musste mehr und mehr in die Geschäftsführung hineinwachsen und Verantwortung übernehmen.
Die Zeit des Bauens war noch nocht beendet. Am 7.1.1957 wurde mit dem Umbau des Herrensalons begonnen.
Eine neue Spiegelwand und neue Toilettenstücke geben jedem die Gewähr gepflegter Bedienung.
Am 24. 3. 1957 verlobten sich Erika Karg und Xaver Seitz.
Die Verlobung wurde im engsten Familienkreis und Freundeskreis gefeiert.
Am 8. September 1957 war es dann soweit.
Hochzeit im Hause Karg.
Xaver und Erika schlossen den Bund des Labens.
Ein neuer Abschnitt kündigte sich an.
Am 2. Januar 1958 konnten die Gründer mit Stolz auf das zurückblicken, was sie in 30 langen Jahren geschaffen, erhalten und weitergeführt hatten.
Zum 30jährigen Geschäftsjubiläum zeugten zahlreiche Glückwünsche und Ehrungen von der allgemeinen Wertschätzung, die das Geschäft und seine Inhaber allseits erlangt haben.
Am 8. September 1958 erlangte Erika in Würzburg mit sehr gutem Erfolg die Meisterwürde.
Man schrieb das Jahr 1959 - das Jahr, das den ersehnten Stammhalter brachte.
Am 12. November 1959 wurde Stefan Andreas Seitz geboren.
Für einen künftigen Friseur hatte er bereits bei seiner Geburt zu wenig Haare - er war kahl. im Übrigen wog er 4050 g - lng war er 52 cm.
1960 war das Jahr, in dem der Gründer Andreas Karg aus Gründen des Alters und der Gesundheit die Leitung des Geschäftes vertrauensvoll in die Hände seiner drei Kinder legen musste, die an seiner Ehefrau noch stets Rat, Tat und Hilfe finden.
Häufiger Aufenthalt mit dem Enkel im ausgebauten Garten im Zeller Grund verschönt den Abschied von der aktiven Geschäftsleitung.
Noch immer aber hilft überall und zu jeder Zeit im Geschäft der Rat des Meisters, der in vielen Jahrzehnten eigener Erfahrung gereift ist.
Nicht nur wir Menschen werden alt.
Ostern 1960 wurde das liebgewonnene "Ei" Ford Taunus durch den großen neuen Bruder Ford M 17 ersetzt.
Das Jahr 1960 brachte in seinem vorletzten Monat einen neuen Festtag.
Frau Luise Karg, das Herz der Familie und Seele des Geschäftes wurde am 16. November 1960 60 Jahre alt.
Für ein Leben voll Liebe und selbstloser Mühe für ihre Familie und von selbstlosem Einsatz für das Geschäft dankten ihr ihre Lieben an diesem Tag.
1961
Ein Jahr mit nur einem Höhepunkt:
70. Geburtstag des Gründers.
Ein Lebensabend hat begonnen, der erfüllt sein möge von Glück und Freude, von Gesundheit und Frieden und der begnadet sein möge durch noch langes gemeinsames Wandern mit seiner geliebten Frau.