Ein Brief des Sekretär, Hofkammerdirektor und Geheimer Rat Dr. Johann Mändl von Deutenhofen [1588-1666] Ende Dezember 1647 an Ferdinand III
Im Auftrag Maximilians I. schrieb dessen Sekretär, Hofkammerdirektor und Geheimer Rat Dr. Johann Mändl von Deutenhofen [1588-1666] Ende Dezember 1647 an Ferdinand III.: „Ew. Ksl. Maj. werden hirmit in aller underthenigkeit erinnert und würdet deroselben vorhin zum thail bekhandt sein, was die schwedische guarnison in Schweinfurt biß anhero im Fränckhischen Craiß für grosse ungelegenheiten verursacht, selbige sich immerdar und so weith continuiren, daß insonderheit der Kfl. Durchl. in Bayern etc., meines genedigsten herrn, unterhabende reichsvölckher in ermelten craiß die quartire nit geniessen noch ihren underhalt haben khünden, sonder übereinander stehn müessen. Welchemnach man für rathsam und ein sonderbare notturft eracht, es möchte dise statt villeicht mit feuereinwerffen zur übergab zu bezwingen sein, wie dan zu disem ende I. Kfl. Durchl. mit verfertig[ung] und zusammenrichtung des hierzu gehörigen feuerwerckhs und anderer nottwendigen anstalten alberaith im werckh begriffen. Allein weilen verlautt, daß die bürgerschafft sterckher alß die guarnison und darbei die hoffnung zue machen, daß sie die guarnison eheunder hinausweisen und sich accomodiren [wie das ausgesehen hätte, hatte die Einnahme der Stadt durch Piccolomini 1634 gezeigt] alß der extremiteten erwarten würden, so würdet zu Ew. Ksl. Maj. allergnedigisten resolution gestelt und dem werckh sonderbar fürstendig eracht, wan Ew. Maj. sich belieben liessen, den magistrat durch schreiben beweglich dahin zuvermahnen, daß sie den commendanten und die guarnison darin zum abzug anhalten und also ihr gegen Ew. Ksl. Maj. und dem röm. reich tragende pflicht in schuldigiste obacht nemmen, mit anhang, das sie selbst leichtlich ermessen khünden, was ihnen im gegenfahl sowohl ins gesambt als iedem in particulari für schwere verantwortung gegen Ew. Ksl. Maj. und dem heil. röm. reich, wie auch gegen der posteritet, aufwachsen, ingleichen was sie und die ihrige für extremiteten, welche der ernst und gewalt (darmit man alberaith gefast seie) nach sich ziehe und mit ihr und der statt unwiderbringlichen nachtheiligkeit zu erwartten haben wurden. Und daß dahero Ew. Ksl. Maj. umb sovil weniger zweiflen, sie werden sich disfals auf des veldtmarschallen grafen von Gronsfeld erinnerung guettwillig bequemmen, also sich selbst, die ihrige und ihr gemaines stattwesen auf angelegte mass und weiß in zeitliche obacht nemmen, ihr und der statt vor augen stehende höchste gefahr, extremitet und verantworttung, mit ihrem unsterblichen nachruemb fürsichtig praecaviren [untersagen; vorbeugen] und befürdern, damit die statt des freien handelß und wandelß wider geniessen und in fridt und sicherheit leben khünde. Da nun mit anfiehrung angeregter und anderer motiven Ew. Maj. gedachten von Schweinfurt zueschreiben und insonderheit darin auch forkhommen lassen würden, daß man alßdan auf solchen fahl fürders die statt von Ew. Ksl. Maj. und des reichs völckhern mit kheiner guarnison beschweren werde. So mechte solches vileicht bei dem magistrat und der burgerschafft absonderlich verfangen und sie hoffnung haben, daß sie fürohin solcher beschwerlichkheit frei und enthebt sein khünden und sich in ihrer resolution, die Schwedischen hinauszuweisen, sterckhen. Und würdet derowegen umb Ew. Ksl. Maj. allergnedigiste resolution und fürderliche außfertigung solchen schreibens hiemit allerunderthenigst gebetten“.[1]
In dem vergleichsweise milden Schreiben Ferdinands III. an die Reichsstadt, die „schwedische Realfestung“,[2] das auf einen Entwurf des Reichsvizekanzlers Kurz zurückgeht, ist jedoch von einer Beschießung nur indirekt die Rede, auch wenn sich der Kaiser teilweise der Argumentationshilfen Mändls bediente. Er erinnerte die Stadt an die Umstände ihrer Übergabe an Wrangel, wie sie aus dem Schreiben des Rats vom 21.4.1647 hervorgingen. Er habe „mit mehrerem vernommen, waß ihr für entschuldigung eingewandt, daß der commendant und general wachtmeister graff von Lodron mit den schwedischen veldtmarschalchen Wrangel zu accomodieren und ieztbemelte statt zu ubergeben bei sich, iedoch ohne einige euer ansinnen oder zumuthen, entschlossen gewesen. Allermassen ihr dann auf dessen vorhabens eröffnung ihr solches seiner discretion und veranthworttung zwar heimb gestelt verbleiben lassen, darbei aber im beisein unterschiedlichen hohen officirer, gegen uns und dem heil. reich eurer unausgesetzlich beständige fidelitet und laistung schuldigen gehorsambs mehrfeltig contestirt, auch in der that erwisen und in der lezten nacht vor ubergab der statt gebetten habet, bei schliessung des accords derselbigen unvergessen zu sein, solches aber nit erfolget, und ihr bis auf selbige stundt kein accord erlanget, mit allerundertheingster angehefter pitt, das wir diser abermahls beschehener schwedischen occupirung halber keine schuldt oder ksl. ungnadt auf euch kommen lassen wollen. Solche umb uns in allerunderthenigister gehorsamb, eüsserister mügligkeit nach, zu verdienen, weret ihr so willig und geflissen, als ohne das hochst darzu devinciret [verpflichtet] und verbunden“. Nach dieser Erinnerung an die Übergabemodalitäten – die Schuld hatte der Kaiser im Juli 1647 Maximilian I. als Folge der Ulmer Waffenstillstandsverträge zugewiesen – kam Ferdinand III. zum eigentlichen Anliegen seines Schreibens: „Nun lassen wir die vheige umbständt, so bei gedachter ubergab obbemelter unserer des heil. Reichs statt Schweinfurt an sen ortt gestelt sein, verlassen uns aber bei vorfallender begebenheit auf eure überschribene fidelitet und beschehenen allergehorsambsten erbietten, dass ihr denselben obligenden pflichten noch underthenigst nachkommen werdet. Darzu euch die gelegenheit bei iezigen conciuncturen nit ermanglen theuet, dan wir glaubwürdig verständigt werden, daß eure inhabende feindtliche schwedische guarnison dermassen geringert worden, dass ihr samt euerer anvertrauten burgerschaaft derselbigen wohl mächtig sein und dieselbige zum abzug anhalten könnet, welches gleich immer es euch und den eurigen zum besten geraichet. Also könnet ihr hingegen vernünftig abnemmen, uf den fall man mit gewalt und ernst, zu den man alberaith gefasst ist, ermelte statt anzugreiffen und sich selbiger zue bemechtigen hatte, was vor gefahr, ruin und verantwortung euch und eurer anvertrauten burgerschaft obligen und wie starckh solches eurer contestirten fidelitet und erbietten zuder lauffen würde“. Er fügte hinzu, dass man auf Gronsfelds „Erinnerung“ hin – was doch wohl ein Euphemismus für dessen Drohungen war – die Garnison zum Abzug bewegen sollte und dass Schweinfurt in diesem Falle weder mit einer bayerischen noch mit einer kaiserlichen Besatzung beschwert werden sollte.[3] Selbst Ferdinand III. der immer noch auf einen „Siegfrieden“ zu hoffen schien, konnte während der Friedensverhandlungen wohl doch nicht daran gelegen sein, ein zweites Magdeburg zu riskieren. Eine Neutralisierung wäre wohl möglich gewesen, wenn nicht das Ausbleiben der Verstärkungen aus dem schwäbischen Raum, vor allem aber das weitere Vorrücken der Schweden und der dadurch erzwungene Abzug der vor Schweinfurt liegenden Regimenter am 20.1.1648 der Reichsstadt eine schwierige Entscheidung bzw. Beschießung ersparen sollte.
[1] Österreichisches Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien Reichskanzlei Friedensakten 56 b, fol. 218ff. (Entwurf): Mändl an Ferdinand III., o. O., o. D. [Ende Dez. 1647]. Die zeitliche Einordnung geht auf den zweiten Teil des Briefes zurück, in dem Mändl im Auftrag Maximilians I. einen (verdeckten) Präventivschlag gegen die in Württemberg liegenden französischen Truppen empfahl.
[2] Ein Ausdruck eines unbekannten kaiserlichen Informanten des Feldmarschalls Holzappel, Gießen (?), 10.6.1647; Österreichisches Haus-, Hof- und Staatsarchiv Reichskanzlei Kriegsakten 167, fol. 153-154 (Ausfertigung).
[3] Österreichisches Haus-, Hof- und Staatsarchiv Reichskanzlei Friedensakten 56 b, fol. 214 r/v und fol. 226 r – 230 r (Entwurf): Ferdinand III. an Reichsstadt Schweinfurt, mit Teilen der Ausfertigung u. der Unterschrift von Reichsvizekanzler Kurz, Prag, 18.1.1648. Die ganze Ausfertigung war bisher in Stadtarchiv Schweinfurt nicht aufzufinden.