Die Reichsstadt Schweinfurt während des letzten Jahrzehnts ihrer Reichsunmittelbarkeit mit vergleichenden Blicken auf die Zeit um 1862

Sie interessieren sich für die politischen, gesellschaftlichen Verhältnisse in den letzten 10 Jahren der Reichsstadt Schweinfurt. Wie hat der Stadtrat regiert? Wie war die Verwaltung organisiert? Welche sozialen Einrichtungen gab es? Gab es Korruption in Schweinfurt? Wie arbeitete die Kirche?

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Im Jahr 1862 erschien ein interessantes Buch, das der königliche Gymnasialprofessor Dr. Friedrich Leonhard Enderlein verfasst hatte. Es vermittelt einen guten Eindruck des letzten Jahrzehnts, bevor Schweinfurt dem Königreich Bayern einverleibt wurde; dies natürlich schon mit einer bayerischen Brille gesehen.

Im folgenden werden diese zeitgeschichtlichen Betrachtungen auszugsweise wiedergegeben.

 

 

1. Zur Topografie und Statistik der Stadt

 

Da wo in Unterfranken die letzte westliche Höhe der Haßberge unter dem Namen Mainleite gegen diesen Fluss abfällt, etwa eine Viertelstunde von der Westspitze dieser Höhe, Peterstirn genannt, kiegt seit Mitte des 13. Jahrhunderts am sanft aufsteigenden rechten Mainufer Schweinfurt, gesichert gegen alle Überschwemmungen des Flusses, der beim Steigen über die am linken Ufer auf mehrere Quadratmeilen hin sich ausdehnende tiefer liegende Fläche sich ausbreiten kann. Hohmanns Karte setzt Schweinfurt auf 50° 1', die Länge zu 27° 49'; die Erhebung des Mainspiegels über die Meeresfläche beträgt nach Lamont 622 F., womit die Messungen der Eisenbahningenieure hane zusammentreffen, welche die Bahnhofsplanie auf 629 F. ansetzen.

Die Stadt einschließlich ihrer Mauern und Gräben bedeckt ein Areal von 461 Morgen (je 160 Quadratruten); die jetzige Befestigung derselben wurde angefangen zur Zeit der Anwesenheit Gustav Adolfs und später nach Baubans Manier vollendet. Wappen schwedischer Generäle und der Königin Christine an Toren und Mauern zeugen noch von der schwedischen Okkupation.

Schon 1254 weiß die fränkische Geschichte von einem Schweinfurt im Elend und das neue Schweinfurt, nach seiner Zerstörung an die jetzige Stelle verlegt, wurde auch später von der Kriegesgeißel heimgesucht wie wenige Städte. Im Markgrafenkriege 1554 wurden 676 Häuser, darunter das Rathaus, das Waisenhaus, alle Kirchen, in Asche gelegt; nur 29 Häuser blieben stehen. Die Familienzahl sank von 766 auf 155. Der Wiederaufbau schritt rasch vor, aber, wie zu erwarten, unsolid; das dünne Fachwerk der meisten Häuser, die noch immer zahlreichen mit Brettern verschalten Rückseiten der Giebel erklären sich daraus; achtzig Jahre später konnte die Stadt abermals für Kriegsaufwand an das schwedische und kaiserliche Militär dem Reichstage zu regensburg 928289 fränk. Gulden liquidieren, wofür aber natürlich kein Ersatz geleistet wurde. Auch der Reichskrieg gegen Frankreich, der spanische Sukkzessionskrieg, der siebenjährige Krieg hatten für Schweinfurt erhöhte Reichssteuern und kostspielige Durchmärsche zur Folge. Tief einschneidend war die französische Okkupation von 1796. Die Stadtkasse allein liquidierte der Reichsversammlung 445644 Gulden. Überdies war durch elfmonatige Anwesenheit des Feindes, durch Misshandlungen aller Art der Wohlstand einzelner Familien vernichtet. Unter solchen Umständen scheint es erklärlich, wenn man bei einer Wanderung durch die Stadt, in der auch nie ein Hof, oder ein Adel, oder ein Kaufherrnstand war, nirgends auf  Gebäude stößt, die durch altertümlichen oder geschmackvollen Stil oder durch Größe sich bemerklich machen, und der Anblick der Stadt Schweinfurt hält den Vergleich mit anderen Reichsstätten mittleren Rangs, z.B. mit dem türmerreichen Rothenburg nicht aus. Die Häuserzahl betrug nach Bundschuh (1802) 879 ohne Hinterhäuser und Scheuern. Sixt zählt ein Jahr später 924 Wohnhäuser, 36 Scheuern (Scheunen) und viele Nebengebäude, "nur das Erdgeschoss massiv" (man beobachtete 1860 die Einlegung des Erdgeschosses an einem solchen Hause. Die Wand war 10 Zoll dickes Brockwerk ohne allen Grund auf die ebene Erde gelegt; darauf saß ein Stockwerk und ein ziemlich hohes Giebeldach) meist nur ein Stock, selten zwei von dünnem "Fachwerk darauf gebaut, die Straßen sind meistens gepflastert und Fremde loben die seltene Reinlichkeit." (so Sixt)

Doch liegt vom 5. April 1805 ein Erlass des bayerischen Stadtkommissars Holler vor mir, in dem dieser Einschreitung droht gegen offene Dungstätten vor den Häusern, gegen die in die Gosse eingeleitete Düngerjauche und besonders gegen die leidige Gewohnheit, den Dünger zu jeder Tagesstunde in nicht bodendichten Wagen aus der Stadt zu fahren, ferner gegen die über das Straßenpflaster sich erhebenden halsbrechenden Kellerfalltüren (das Fangen einer Nachtigall bedroht Holler mit 20 Talern Strafe). Straßenbeleuchtung fehlte noch ganz, und von Zeit zu Zeit erneuerte der Rat das Gebot, dass jeder Wirt bis Mitternacht eine brennende Laterne vor sein Haus hängen, jeder anständige Straßenwanderer bei einbrechendem Dunkel mit einer Handlaterne versehen sein müsse. Dreißg Ziehbrunnen und vier laufende Brunnen versahen die Stadt mit ausreichend Wasser.

Karte der Reichsstadt Schweinfurt, der beiden Reichsdörfer Gochsheim und Sennfeld und der daran liegenden Ortschaften um 1800 - bitte vergrößern!
Karte der Reichsstadt Schweinfurt, der beiden Reichsdörfer Gochsheim und Sennfeld und der daran liegenden Ortschaften um 1800 - bitte vergrößern!

2. Das Stadtgebiet

Das reichsstädtische Gebiet betrug etwas über eine Quadratmeile, wovon zum Weichbilde (Gesamtausdehnung) der Stadt selbst 5921 Morgen gehörten. Davon waren 72 Morgen zu Gartenland, 3215 Morgen zu Ackerfeld, 1166 Morgen zum Weinbau verwendet, 1468 Morgen bedeckten Wiesen, der Rest war Ödung, Wasserfläche, Raine. Seitdem sind viele Weinberge in Ackerfeld verwandelt worden; viel Gartenland wurde zum Bahnhofraum und weiterhin zum Bahnkörper abgetreten; vieles decken zahlreiche Neubauten.

Zum Gebiet der Stadt gehörte das stattlich gebaute Oberndorf und dessen reiche Getreideflur, ferner die Walddörfer Zell und Weipoltshausen und Madenhausen mit ihren Markungen. Die gesamten Waldungen des Stadtgebietes, meist Laubholz, deckten 6290 Morgen, wovon 5451 der Stadt, 444 Morgen der Spitalstiftung und der Rest Dorfgemeinden und Privaten gehörte. Über die forstwirtschaftliche und waldmännische Ausnützung siehe Nr. 32. Während  Schweinfurt durch den Übergang zu Bayern die Landeshoheitsrechte über die Dörfer verlor, hat es seinen Waldbesitz behalten. Drückende Not wurde schon 1801 Veranlassung zu dankenswerter Verschönerung der nächsten Umgebung. Die große Stadtschuld und die wiederholte Erfahrung von der Nutzlosigkeit der Befestigung veranlasste damals den Rat, den Stadtgraben und einige Schanzen zu Gartenanlagen zu verkaufen, zwischen denen man sich angenehme Spaziergänge versprach, um so erwünschter, als Spaziergänge in der Stadtnähe noch jetzt in heißer Jahreszeit nicht eben erquickend sind bei dem völligen Mangel an Schattenwegen. Ausgiebigere Veränderung  durch Antragung der Wälle und Ausfüllung des Stadtgrabens hat man der großen Kosten wegen hier wie anderorts unterlassen.

3. Einwohner

Bundschuh errechnet 6241, klagt aber über reichsstädtische Geheimnistuerei in solchen Dingen; Sixt gibt 5372 an, worunter 1275 Bürger, 67 Schutzverwandte, 26 Beisassen; unter den Bürgern 763 Handwerker, 54 Bauern, 83 Handelsleute. (Im Jahr 1858 ergab die Volkszählung eine Seelenzahl von 8421) Mit Sixt stimmt nahe die für Molitor vom Bürgerrat amtlich gefertigte Liste, welche 5063 Seelen zählte. Dem Rate lag an der Vermehrung der Population.  Wer Vater von Zwillingen wurde, erhob eine Prämie von 4 Gulden. Sixts Klassifikation der Bürger nach Erwerbsarten tritt noch jetzt hervor und ist diese Mischung als eine besonders glückliche zu bezeichnen. Aus den Handelsleuten ist seitdem ein Gremium weithin geachteter Handelsherrn geworden. Daneben entstanden Fabriken, doch nicht in solcher Zahl, dass sie bereits ein der Kommune drohendes Massenproletariat im Gefolge hätten. Der Handwerksstand hat besonders auch durch die Bedürfnisse einer wohlhabenden Bauernnachbarschaft noch immer für Viele einen goldenen Boden. Auf den nicht unbeträchtlichen Flurbesitz gründete sich ein in der Stadt meist in einem besonderen Viertel wohnender, 1803 noch 37 ( 1800 noch 60) Familienhäupter zählender korporativ geschlossener Bauernstand. (Den Grundstock hierzu soll die Hilpersdorfer Gemeinde gegeben haben, die nach Zerstörung ihres Dorfes hierher einwanderte)

Die Weinberge ernährten 1795 103, 1803 noch 78 (jetzt 1860 wieder 90) Häckerfamilien, die teils ihr kleines Eigengut bauen, teils den Besitz ihrer Mitbürger um Lehn bearbeiten. hart ist durch die Zeitverhältnisse die nur viel zu zahlreiche Schiffer- und Fischerzunft betroffen, der die Konkurrenz mit der Eisenbahn, wenn nicht unmöglich, doch sehr schwer wird. 

4. Gesetzliche Einteilung derselben

Scharf schieden sich nach städtischer Ordnung die Einwohner in Bürger, Beisassen und Schutzverwandte. Das Vollbürgerrecht erteilte der Magistrat, aber jeder 24-jährige Bürgersohn, der nachwies, dass er zunftmäßig eine Profession (einen Beruf) erlernt habe oder sonst etwas, wodurch er sich zu ernähren getraue, hatte rechtlichen Anspruch darauf. Auf Menschengedenken zurück war eine Abweisung nie vorgekommen. Aufnahmegebühr zahlte der Neubürger 29 Batzen = 2 Gulden 25 Kreuzer rhl.), wofür er auch einen ledernen Feuereimer und ein Exemplar der Polizeiverordnungen erhielt. Ein Fremder entrichtete 100 fränk. Gulden Einzugsgeld, 3 Gulden, 23 Batzen Aufnahmegebühr und musste 500 fränk. Gulden (= 625 Gulden rhl.) bares Vermögen nachweisen. Ein fremdes Frauenzimmer, das in die Stadt heiratete, zahlte 50 Gulden fränk. Einzug und 1 Gulden 2 Batzen Gebühr; war sie aus den Dörfern des Stadtgebietes, so reichten 20 Gulden Einzug. (Jetzt 1860 zahlen hier heimatberechtigte Mannspersonen, ob Bürgerstöchter oder Fremde heiratend, 24 - 48 Kreuzer zum Armenfond, 1 1/2 - 5 Gulden zum Beleuchtungsfond, 1 Gulden 12 Kreuzer für den Feuereimer, 7 - 18 Gulden (je nach größerem oder geringerem Vermögen und mehr oder weniger umfangreicher Instruktion) für Protokoll u. Stempel. Auswärtige zahlen neben diesen Taxen 58 - 60 Gulden.)

Umerlässliche Bedingung war für alle Fälle das Lutherische Glaubensbekenntnis. Das Vollbürgerrecht berechtigte zur Ausübung eines Gwerbes , zu ehrlicher Verheiratung und im Fall der Verarmung zum Auflesen des Brennholzes und der Waldbaumfrüchte im städtischen Forst und zum Genuss der Wohltätigkeitsstiftungen. Als beisassen konnten Adelige in den Stadtverband eintreten. Bürgerrechte konnten diese nicht erhalten, auch Grundbesitz durften sie auf dem Stadtgebiet nicht erwerben und einer Schenkung an einen Adeligen wurde die Ratsgenehmigung versagt. Mit solcher Ängstlichkeit wachte der Rat über die demokratische Gleichheit der Bürger, dass es letzteren nicht einmal erlaubt war, bei einem Adeligen eine Schuld zu kontrahieren. Ein Klage in diesem Fall wurde bereits vor einer Eröffnung des Verfahrens abgewiesen. Trotz dieser Beschränkung bewarben sich öfters Adelige um das Beisassenrecht und jeder Einzelne schloss mit dem Rat einen besonderen Vertrag; gewöhnlich zahlte eine solche Familie pro Kopf einen holländischen Dukaten jährlich. So z. B. ein Herr von Trümbach, der 1795 auf eine beim Rat eingereichte Denkschrift sich hier einmieten darf. Manchmal ließ sich der Rat nachgiebiger finden; ein Herr von der Tann zahlt 1803 für sich und seine Familie 2 Dukaten jährlich; eine Frau von Schenk-Geyern kommt 1791 mit dem Rat über ein Gedinggeld von 2 Gulden fr. überein. Überhaupt scheinen die stadtgesetzlichen Bestimmungen, den Adel betreffend, nicht immer beobachtet worden zu sein. Reichsvogt war 1770 ein Herr von Meyern, dessen Nachfolger ein Herr von Schegck. Im österreichischen Erbfolgekrieg ernannte 1741 der Rat einen Schertel von Burtenbach zum Fähndrich des städtischen Kontingents, freilich auf den Wunsch des kommandierenden Feldzeugmeisters. 

Katholiken endlich und Reformierte konnten nach stadträtlichem Ermessen nur als Schutzverwandte aufgenommen werden gegen ein Einzugsgeld von 11 Gulden fr. und unter der Verpflichtung zu jährlich 12-tägiger Handfrohnd nach Anweisung des Bauamts. Handwerksmeister oder Handelsleute konnten sie nicht werden, sondern nur als Taglöhner, Häcker, Gärtner, Mauergesellen, überhaupt nur auf Lohnerwerb waren sie geduldet. Vom Genuss der Rechte verarmter Bürger waren sie ausgeschlossen und selbst ihre Beerdigung auf dem hiesigen Leichenacker war noch im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts an erschwerende Bedingungen geknüpft.

Juden wurden zur Wohnung hier gar nicht geduldet und nur mit oberbürgermeisterlicher Erlaubnis und gegen Erlegung eines Ortstalers (Sechstel-Taler, preuß.) durften sie übernachten. Beim Eintritt in die Stadt zahlte der Mann ein Kreuzer, die Frau 2 Pfennig Leibzoll; am Sonntag durften sie die Stadt gar nicht betreten und nur in dringenden Fällen der Durchreise erhielt der Einzelne gegen Gebühr von 6 Kreuzer einen Stadtsoldaten als Begleitung von einem Tor zum anderen. Geldbedürfnis veranlasste den Rat zum Beschluss, dass  die Juden den Leibzoll quartalsweise vorauszahlen müssen. Der Kaiser, so wie die übrigen Reichsfürsten haben ihr Recht, in den Reichsstädten Soldaten zu werben, auch hier ausgeübt. In Folge dessen war ein kaiserliches und ein preußisches Werbkommando fast jahraus jahrein hier tätig und kann mit seinem Anhang als nicht ständige Bevölkerung zählen.

5. Lebensweise der Einwohner

Die kurpfalzbayerische Regierung verlangte über Bauart der Häuser, Möbel-und Kleiderluxus, übliche Nahrung, Gesindelohn und Taglohn, Bericht und vernahm darauf Folgendes: " Die Wohnhäuser haben hier nicht stattliches Ansehen, wie in größeren Städten, sind meist nur für den Bedarf des Besitzers genügend. Da ist kein von Außen bemaltes, oder mit Stuck verziertes Haus, wie in Nürnberg, auch innen ist fast nur weiße Tünche üblich. In wenigen Häusern haben neuere auf der Wanderschaft in Frankfurt unterwiesene Tüncher die Kunst des Patronierens (Malen mit Schablone) angewendet. Auch der hausrat ist mit anderen Städten verglichen altväterlich,ärmlich; große Spiegel Parkettböden sind noch nicht hiesig; Kleiderluxus drohte allerdings in den achtziger Jahren auch hier heimisch zu werden, allein der seitdem herabgesunkene Nahrungsstand, Kriegssteuern und Einquartierungen haben auch hier zu wohlfeiler, altbürgerlicher Sitte zurückgedrängt. Die Nahrung besteht in den Häusern Bemittelter aus Suppe, Gemüse und Fleisch, letzteres am Sonntag gebraten, täglich auch hinreichend zum Abendessen; die städtischen Bauern, Häcker und Taglöhner essen nur abends warme Speisen. den Kaffee lernte man hier erst 1759 und 1760 kennen, als Sachsen unter Prinz Xavier hier Winterquartiere hielten. Noch 1789 wird der Webersfrau Bartenstein vor vollem Rate ein Verweis erteilt, weil sie Kaffee trinke. (Anmerkung: In Hannover erschien 1785 ein strenges Kaffeeverbot; Preußen übte Kaffeeregie.) Jetzt (1808) trinken Wohlhabende meistens früh Kaffee, bei besonderen Gelegenheiten auch mittags, doch dürfte der jährliche Kaffeeverbrauch hier 80 Zentner schwerlich erreichen; geringere Handwerksleute, Häcker und Taglöhner geniessen früh Branntwein und Schwarzbrot. Das Luxusgetränk der besseren Bürgerklasse ist selbstgebauter Wein, selten Bier; die kleinen Leute trinken Bier, importierten Apfelmost und einen so genannten Haustrunk, bestehend aus dem durch Nachdruck auf die Weintrestern gewonnenen mit Wasser vermischten Produkt. Der Bierverbrauch in der Stadt betrug von 1797 - 1803 durchschnittlich 9600 Eimer im Jahr. Der Liedlohn ist in den letzten Jahren auf eine unerhörte Höhe gestiegen, ebenso die Preise der Proffessionisten. Mägden zahlt man 18 Gulden, Knechten 24 Gulden Taglohn. Ein Handwerksmeister, der auf der Stöhr arbeitet, begehrt des Tages 45 Kr. nebst Getränk. Nur die Studierten und die im öffentlichen Dienst stehenden Personen sind auf ihre in älterer Zeit bestimmten, jetzt aber nut kärglich ausreichenden Salarien (Gehälter) gewiesen oder auf die Mitgift ihrer Frauen, was beides eben nicht sehr beiträgt zur Hebung des Ansehens."

6. Handel

Der Schluss des vorigen Abschnittes klingt, als wäre er aus der Neuzeit; um so schärfer ist der Gegensatz zwischen sonst und jetzt in merkantlischer und gewerblicher Beziehung. "Das ganze Geschäft des hiesigen Kaufmanns" heißt es, "besteht darin, die gangbaren Artikel in Frankfurt, oder wennn er seine Spekulation weit treibt, in Leipzig einzukaufen und in der Heimat zu vertrödeln." Mangel an Fonds, meinte der Rat, sei Schuld, dass von Handel in höherer Bedeutung hier nicht die Rede sein könne. Daneben wirkten aber auch andere Umstände hemmend ein. Der Großhandel stand jedem Bürger frei ohne besondere Konzession, war aber 1800 hier kaum noch vertreten. Der effektive Handel, Kleinhandel, zerfiel in 4 Klassen, die seit 1697 eine geschlossene Zunft ausmachten: 

a) Gewandtschnitt (= Ellenwarenhandel)

b) Spezereihandel ( im Mittelalter Gewürzhandel; hier: Lebensmittel)

c) Eisenhandel

d) Pfragnerei, (Krämerei) letztere nicht ganz zünftig.

Jeder Handelsmann musste sich zu einer dieser 4 Klassen bekennen und war auf bestimmte Artikel beschränkt. Über die Aufnahme in das Handelsgremium wurden zwar die 4 Kramermeister und Zunftmeister gehört, doch wurde einem Bürgerssohn, der einen Lehrbrief beibringen konnte, kein weiteres Hindernis in den Weg gelegt. Eine Prüfung der kaufmännischen Kenntnisse oder Untersuchung des Vermögensstandes fand nicht statt; selbst der Lehrbrief wurde erlassen, wenn "zur Diskretion", wie es in der Handwerksordnung heißt, eine Buße von 4 - 10 Talern erlegt wurde. Auch jeder Handwerker konnte zur Kaufmannszunft übergehen, wenn er sein Gewerbe aufgab und 10 - 40 Gulden Einkaufsgeld zahlte, welches teils in die Obereinnahme floss, teils in die Handlungslade. Dem Zunftmeisterkonvent (Gebot, Jahrestag) präsidierten (den Vorsitz innehaben) zwei Ratsdeputierte, die auch die Rechnung abhörten, Streitigkeiten entschieden und das Zunftmahl durch ihre Teilnahme zierten.

Bei solcher Beschaffenheit des Handelsstandes war auch die Produktenfülle der Umgegend, die zahlreichen Jahrmärkte, der reiche Holzbesitz der Stadt, die Schiffbarkeit des Mains nicht im Stande, die Handelsspekulation zu beleben; und während hier Kapital zum Großhandel fehlte, war der auswärtige Kaufmann bedenklich im Kreditgeben, da ein strenges Wechselrecht hier nicht eingeführt war und die städtische Obrigkeit Natur und Privilegien der Handelsbücher nicht kannte oder respektierte. In jedem einzelnen Fall musste der Kaufmann "auf die Richtigkeit seines Buches auf den Regimentsstab geloben", reformatorisches Talent für solche Missstände fand sich im Rate nicht, "da die meisten Glieder des inneren Rates, sogenannte Studierte vom Kommerz nur sehr eingeschränkte Begriffe haben".  Wir wissen jetzt, dass zum Aufblühen des Handels gute Verkehrswege unerlässliche Bedingungen sind; auch in dieser Beziehung stand unsere Stadt sehr im Nachteil und nicht ohne Schuld des kurzsichtigen Rates. Erst 1780 wurden die Straßen nach Werneck und Poppenhausen angefangen, um Schweinfurt mit Würzburg und Meiningen zu verbinden. Der Fürstbischof von Würzburg hatte dem Rat früher vorgeschlagen, er wolle die Würzburg-Meininger-Straße über Schweinfurt führen, wenn der Rat die Bauführung durch die Markungen von Oberndorf und Schweinfurt, etwa 3/4 Meilen, übernehmen wolle; allein aus übel angebrachter Dekonomie und aus Besorgnis der Reichsfreiherrn v. Münster, eine Hauptstraße möchte künftig manchmal Militärdurchmärsche durch Niederwerrn herbeiziehen, wurde abgelehnt. Später wurde die Verbindung mit größeren Kosten hergestellt; man musste jetzt 3 Meilen (nach Werneck und Poppenhausen) bauen und dazu erst von Franz Ludwig Erlaubnis erbitten, auf dessen Gebiet den Straßenanschluss auszuführen, natürlich zu spät; denn nun lag Schweinfurt 3/4 Meilen von der Hauptlinie, und erst die Neuzeit hat durch die Eisenbahn den Fehler der Kirchturmpolitik vollständig gut gemacht. Auch der Weg nach Bamberg war für schweres Fuhrwerk nur unter besonders günstigen Umständen passierbar, an der Mainleite selbst für leichtes Geschirr gefährlich. Der Straßenbau nach Hildburghausen wurde 1802 begonnen. Auf dem linken Mainufer hatte die Stadt gar keine Straßenverbindung, nur Feldwege. Bei alledem warf das Wegegeld durchschnittlich 7 - 800 Gulden ab, der seit 1798 eingeführte Stadtpflasterzoll sogar 1100 Gulden (jetzt über 8000 Gulden). 

Der wichtigste Verkehrsweg blieb demnach der Main, der, wenn auch seine Wehren und Uferbefestigungen alljährlich bedeutende Summen verschlangen, doch vielen Familien der Schiffer Nahrung gab, die den Handel besonders mit dem Untermain teils als Reeder (Schiffmeister), teils als Knechte derselben vermittelten. Zwei Ordinarschiffe gingen wöchentlich nach Bamberg (Fracht 20 kr. per Ztr.) und Würzburg (Fracht 15 kr.). Auch die Mainzölle trugen der Stadt gegen 1000 Gulden. Unbilligerweise setzte Würzburg, Mamberg und Ansbach (Steft) dem Schweinfurter Schiffer Zollschranken entgegen, während an der Schweinfurter Zollstation Würzburger, Bamberger und Ansbacher Gut frei ein- und ausging. An der Schweinfurter Zollstätte zahlte der Stadtbürger weder Land- noch Wasserzoll für Import- oder Exportgut. An Sonn- und Feiertagen waren während der Gottesdienstzeit alle Tore für jede Art von Fuhrwerk geschlossen.

Die Post, hier wie in ganz Deutschland, Taxisches Reichslehen, war einer Frau Schoppach übertragen, die dafür einen Schreiber hielt. 4 bis 6 Pferde reichten aus für den ordentlichen Dienst. Von und nach Würzburg kam und ging wöchentlich einmal ein Postwagen, zweimal Reitpost; zwischen Würzburg und Bamberg, ebenso zwischen Würzburg und Meiningen ging nur Reitpost zweimal in der Woche. Viermal im Monat ging auch ein Ratsbote mit Ranze, Schild und Spieß zu Fuß nach Bamberg und Nürnberg; er besorgte Privatbriefe und amtliche Depeschen an den Agenten. Für letzteren Dienst erhielt er alljährlich ein Malter Korn, für jeden einzelnen Gang 2 Gulden und alle 2 Jahre eine Montur. Er stellte eine Kaution von 200 Gulden und musste an Sonn- und Feiertagen dem Reichsvogt mit Schild und Spieß auf seinen Kirchgang nachtreten.

7. Münzen, Maße, Gewicht

Größere Zahlungen geschahen hier, wie in Oberdeutschland überhaupt im 24 Gulden Fuß, in welchem sich auch die französischen großen und kleinen Taler und Soustücke fügen mussten. Im gewöhnlichen Verkehr rechnete man nach fränkischen Gulden, Schreckenbergern (vom Silberbergwerk Schreckenberg bei Annaberg so benannt), Batzen, Schillingen, Dreiern, Pfennigen, selterner nach Ortstalern; nämlich

1 Fränk. Gulden = 1 rhein. Gulden 15 Kreuzer = 6 Schreckenberger = 28 Schillinge = 3 Dreier = 6 Pfennige; 9 Schillinge = 24 rhein. Kreuzer. 1 Schreckenberger = 14 Dreier; 1 Dreier = 2 Pfennige; 1 Ortstaler = 6 altpreußische Groschen; 1 Reichstaler = 1 rhein Gulden 30 Kreuzer.

Bei allen Geldangaben dieser Blätter ist nun der fränkische Gulden zu verstehen, wo es nicht ausdrücklich als rheinisch bezeichnet ist.

Das Münzrecht besaß die Stadt schon im 13. Jahrhundert, schlug aber nur kurze Zeit Scheidemünzen.

Flüssigkeitsmaß: 1 Fuder = 12 Eimer; 1 Kaufeimer = 8 Kübel = 64 Maß: 1 Schenkeimer = 9 Kübel = 72 Maß; 1 Maß = 2 Seidlein = 4 Biermäßlein (Schoppen) = 8 Ächtelein.

Trockenmaß: 1 Malter = 2 Achtel; 1 Achtel = 4 Metzen; 1 Metzen = 4 Viertel; 1 Viertel = 4 Dreiling. Der jetzige bayerische Schäffel enthält 9 altschweinfurter Metzen. Das Mustermaß, die "Metze" genannt, befand sich an der Ecke des Hauses Nr. 332 (325) in der Nähe der Hauptkirche.

Das Ellenmaß (noch jetzt das übliche) betrug 265 par. Linien ( 1 Par. Fuß = 144 Linien; 1 Bayr. Elle 369 1/4 par. Linien)

Bei Flächenmessung hielt der Morgen 160 Quadrat-Ruten.

Das Kubikmaß, Klafter, hier Reif genannt, war, wie noch jetzt, verschieden; das Bestallungsholz war 1/2 Schuh länger, der Reif also 6 1/2 Kubikschuh größer, als das am Wasser angebotene.

Das Schweinfurter Pfund war das nürnbergische = 10621,2 holl. Aß Troysgewicht (das bayerische oder österreichische 11655 Aß). 

8. Fabriken

Ziemlich schwunghaft für hiesige Verhältnisse wurde die Pottaschenfabrikation (Kalciumcarbonat) betrieben bis zum Export von mehr als 3000 Zentner. Drei Tabakfrabriken, die das Rohprodukt aus der Rheinpfalz bezogen, waren unbedeutend. Etwa eine halbe Stunde von hier auf dem Wege nach Niederwerrn, nicht ferne von der Stelle, wo das in der Chronik oft genannte, durch Brand schon 1388 zerstörte Hilperdorf stand (die Kirche war stehen geblieben und wurde 1661 abgebrochen), errichteten 1793 unter mancherlei seltsamen Bedenklichkeiten des Rats über einen etwaigen Schaden der Benützung der Wasserkraft die Gebrüder Fichtel eine Marmelmühle (jetzt Farbenfabrik Bellevue genannt); allein das Material fand keinen Beifall, der Taglohn war hoch, die Unternehmer fanden ihre Rechnung nicht. Eine bessere Zukunft erwartete man schon damals von der Bleiweißfabrik, die Joh. Martin Schmidt 1783 errichtete, das erste Werk dieser Art in Deutschland; auf dem Hauptgebäude, einem Mühlwerk am Main zum Schlemmen und Trocknen des Fabrikats, errichtete der Mechanikus Gütle von Nürnberg 1788 einen Blitzableiter, den ersten in hiesiger Stadt und Gegend. Unter Schmidt's Witwe stand 1803 die Fabrik in lebhaftem Betrieb. Das Schmelzen des Bleis, das Kalzinieren der Bleirollen, die Fabrikation des nötigen Essigs geschah in der Stadt selbst; der Schwerspath zur Beimischung wurde aus Thüringen bezogen. Die weitere Bearbeitung bis zur Verpackung ging auf der Mühle vor sich und beschäftigte 12 - 14 Arbeiter. Nach Ausweis der Waagregister bezog die Fabrik 400 Zentner  Blei und versandte  etwa 14.000 Zentner Bleiweiß. Jetzt, nach 60 Jahren, dürfte kaum das Dreifache reichen.

Die Bleiweißmühle am Main in Schweinfurt auf einer stark beschriebenen Ansichtskarte
Die Bleiweißmühle am Main in Schweinfurt auf einer stark beschriebenen Ansichtskarte

9. Gewerbe

Handwerker bildeten damals, wie noch jetzt (1862), den Kern der Bürgerschaft; die Zahl derer, die ihr Gewerbe als zünftige Meister betrieben, betrug zu Anfang des Jahrhunderts 763, darunter Molitor 80, nach Bundschuh 63 Braumeister, zugleich Büttner (jetzt 58), 60 Fischer und Schiffer (jetzt 56), 105 (nach Molitor 78) Häcker (jetzt 92). Das Zunftwesen war bestimmt durch eine 1749 erschienene "Handwerksordnung", die selbst wieder ruht auf einem Reichsgesetz vom Jahre 1731. Ein großer Teil dieser Bestimmung eifert gegen komische Mißbräuche, die jetzt kaum dem Namen nach mehr bekannt sind. Wanderzwang bestand gesetzlich, doch konnte leicht dispensiert werden, zumal die Buße ins Handwerksgefälleamt floss. Die Meisterprobe war durch allerlei Kunstgriffe sehr trügerisch und die Ratsprotokolle geben davon ergötzliche Beispiele. Meister Spüth, der einem Spengler sein Meisterstück gar gut gemacht, wird 3 Stunden in den schwarzen Keller gesteckt, doch gilt das Probstück als gemacht. Einem 24-jährigen zunftmäßig vorbereiteten Meistersohn wurde das Meisterrecht nie abgeschlagen, obwohl es Tit. III Art. 10 der Handwerksordnung im Ermessen des Rates stand. Eine geschlossene Maximalzahl von Handwerksmeistern bestand also nicht. Klopfende Handwerker, Seifensieder, Weißgerber und Leimsieder durften nicht in der Nähe von Kirchen u. Schulen, noch auf dem Markte, oder in einer Hauptstraße ihr Geschäft betreiben.

Gesellenbrief für einen Schneider aus dem Jahr 1781 mit Stadtansicht von Schweinfurt
Gesellenbrief für einen Schneider aus dem Jahr 1781 mit Stadtansicht von Schweinfurt

10. Bierbrauerei

Sie verdient unter den Gewerben besondere Erwähnung, nicht nur wegen der numerischen Stärke der Zunft, sondern auch weil beim Betrieb magistratische Wirksamkeit unmittelbar eingriff. Kein Brauer hatte nämlich das Recht, sich privat ein Brauhaus einzurichten, jeder musste vielmehr die städtischen Baulichkeiten benützen, wo außer dem Holze zur Not alles vorrätig gehalten wurde, was vom Zurechtmachen der Frucht bis zu Verschaffung des Bieres in die Keller nötig ist; doch fehlte ein Malzkeller, was namentlich im Winter oft ein völliges Verderben des Bieres herbeiführte. Die Brauer mussten sich zur Einhaltung einer 1782 gedruckten "Braumeisterpflicht" eidlich verbindlich machen; das Umgeldamt hatte die Oberaufsicht über das Bauhaus und die nächste tägliche Aufsicht führte der Gerstenmesser, dem alle eingeführte Frucht zum Messen und zum Verzeichnen oblag. Für ein großes Gebräu nämlich, wofür 10 Malter (je 8 Metzen) Gerste verwendet und womit etwa 60 Eimer Bier erzielt wurden, fielen 23 Gulden 9 Pfennige an das Umgeldamt, und den Holzbedarf stellte der Brauer. Auch Nichtbrauer hatten das Recht, das Haus zu benützen und das erzeugte Bier im eigenen Haus an Gäste zu verzapfen, doch mussten sie das Braugeschäft durch einen zünftigen Brauer besorgen lassen und diesem dafür 7 Gulden zahlen, weshalb auch nur Brauer das städtische Brauhaus benützten. Das Gesamterzeugnis betrug 1802 11.850 Eimer, wovon nur sehr wenig auswärts konsumiert wurde. Im Jahr 1859/60 wurden 6.490 Schäffel Malz versotten.


11. Stadtverfassung im Allgemeinen

Zwei Revolutionen der Bürgerschaft gegen den gebietenden Rat, 1447 und 1513, deren letztere unter kaiserlicher Autorität durch eine Koalition des Grafen von Hennerberg, des Markgrafen von Ansbach und des Bischofs von Bamberg unterdrückt und blutig bestraft wurde, gaben die nächste Veranlassung zu gewaltsamer Einführung einer Stadtverfassung, die im Wesen geblieben ist bis zur Auflösung des Reichsverbandes überhaupt. Es ist in derselben nirgends die Rede von einem durch Geburt bevorrechteten für die Regierung allein befähigten Herrenstand (Rothenburg) oder von Patrizierfamilien (Nürnberg, Memmingen, Augsburg); jeder Handwerker war neben seinem Gewerbe zur höchsten Amtswürde in der reichsfreien Stadt befähigt; die in der Ortsgeschichte hervorragenden Bürgermeister und Reichsvögte; Göbel und Zeitlos, waren jener ein Wollenweber, dieser ein Säckler. Auch ein Vermögensnachweis oder Grundbesitz, der bei der Ratswahl in Rechnung gekommen wäre, ist nirgends erwähnt. Nur wissenschaftliche Bildung, deren Erwerb auch den Unbemittelten durch Stipendien erleichtert war, gab vorzugsweise, aber durchaus nicht ausschließlich, Hoffnung auf einen Sitz unter den Ratsherren. Bei einem juristisch gebildeten Procurator, Notar, Advokaten setzte man Geschäftserfahrung voraus; einem graduierten Arzt traute man wenigstens schnellere Befähigung zu. So bildete sich eine Art Gelehrtenpatriziat, ein Punkt, über den 1792 die Achterherrn (siehe Punkt 14) sich bitter, wenn auch vergeblich beschwerten. Zur Abhörung der Rechnungsablage, erwidert (6. Juli 1792) der Rat, sei zwar jeder vernünftige Bürger befähigt, im Rate aber gebe es schwierigere Geschäfte. Erscheint demnach die Verfassung der Reichsstadt entschieden demokratisch, so waren doch vorsichtig Schranken gezogen gegen die Ochlokratie (Pöbelherrschaft). Es durfte keine Versammlung oder Konvokation (Zusammenrufen von Mitgliedern) gegen den Rat auf Plätzen oder in Häusern gehalten werden, ohne besondere Bewilligung des Rates. Die Notwendigkeit zeitgemäßer Entwicklung der Verfassung war vorgesehen, aber nur der Rat selbst und des Kaisers gefreiter Richter durften daran arbeiten, und zu jeder Abänderung war kaiserliche Genehmigung nötig.

 

12. Verhältnis der Reichsstadt zum deutschen Reiche

Der Reichstag war ständig versammelt zu Regensburg und tagte in drei Kollegien: a) Kürfürsten, b) Fürsten, Prälaten, c) Reichsstädte, letztere auf zwei Bänken, der rheinischen und der schwäbischen. Schweinfurt nahm auf der schwäbischen Bank mit Kempten und Windsheim alljährlich wechselnd den 19. oder 20. oder 21. Platz ein. (Nr. 1 Regensburg, Nr. 2 Augsburg, Nr. 3 Nürnberg, Nr. 8 Rothenburg, Nr. 14 Memmingen, Nr. 15 Lindau - jetzt würde die Rangordnung anders sich gestalten)


Merianstich 1640 - Sitzung des immerwährenden Reichstags in Regensburg
Merianstich 1640 - Sitzung des immerwährenden Reichstags in Regensburg

Vertreten wurde Schweinfurt nicht durch einen eigenen Geandten, sondern durch den Deputierten Regensburgs; die Stimme einer Reichsstadt hatte überhaupt nie ein beachtenswertes Gewicht, da ja das Gesamtvotum des dritten Kollegiums wirkungslos war, wenn, wie gewöhnlich, die zwei anderen übereinstimmten; so erhielt denn der Vertreter auch das stehende Mandat, "majorus zu cediren".

Sowie sämtliche Fürsten Lehensträger des Kaisers waren, so übte letzterer auch die Oberhoheit in den Reichsstädten, die jedoch schließlich zu einer bloßen Formalität herabsank. Der Reichsvogt musste als Reichsamtmann nach der Wahl die Belehnung in Wien nachsuchen und den Homagialeid leisten, doch genügte für beides Stellvertretung (siehe Punkt 16). Auch regelmäßige Reichsleistungen fanden nicht statt, wie denn überhaupt der Kaiser aus dem Reich kaum 20.000 Gulden zog. In Fällen der Not wurden Römermonate ausgeschrieben und in Kriegsfällen mussten die Reichsstädte ihre Kontingente (siehe Punkt 49) stellen. Schweinfurts Römermonat betrug simple 34 Gulden. Eine ordentliche Reichssteuer war das Kammerziel, von dem die 2 höchsten Reichsgerichte, das Reichskammergericht in Wetzlar und der Reichshofrat in Wien erhalten wurden. Auf Schweinfurt traf ein Simplum (einfacher Steuersatz) von 67 Reichstalern, 60 Kreuzer. Beide Reichssteuern wurden an den Pfennigmeister in der Legstadt (Stadt, in der Reichssteuern zu leisten sind) Nürnberg entrichtet. An der Besatzung des Reichskammergerichts nahmen alle Stände am Reichstage teil; den Reichshofrat bestellte der Kaiser allein. Alle Reichsuntergebenen konnten an beiden Recht nehmen und Moser erzählt von einem Reichshofratsurteil betreffend Ratswahlfähigkeit, in dem (2. Dez. 1731) für einen Segnitz gegen den Rat in Schweinfurt entschieden ist. Doch wurden beide hohen Gerichtshöfe nur selten von hier aus behelligt, da schleppende Umständlichkeit und notorische Bestechlichkeit derselben das Recht unerschwinglich teuer und unsicher machten.    

Georg Luwig Segnitz, einst Reichsvogt zu Schweinfurt
Georg Luwig Segnitz, einst Reichsvogt zu Schweinfurt

13. Der Reichsvogt

Ursprünglich setzte der deutsche König selbst den Reichsamtmann, Reichsschultheiß, Reichsvogt, gefreieten Richter ein, welcher über dem Rate stehend den Gerichtsbann in bürgerlichen und peinlichen Fällen übte, Zoll-, Münz- und andere Regalien verwaltete, die Gerichte mit den nötigen Schöffen besetzte und Streitigkeiten zwischen Rat und Bürgerschaft vermittelte. In der zweiten Periode (1362 - 1499) wählte die Stadt ihren Reichsvogt selbst, meist einen von Adel, der damals noch in der Stadt Häuser besitzen durfte. In der dritten Periode (1499 - 1568) übertrug die Stadt die Reichsvogtei einem Schutz- und Schirmherren aus fürstlichem oder gräflichem Stande, der sein Amt durch einen Untervogt verwalten ließ. Diese Herren waren der Stadt auch Schutz schuldig bei Überfällen mächtiger Nachbarn, wofür sie Zoll und andere Regalien und nicht unbeträchtliche Geschenke bezogen, die zuletzt in fixe Salarien übergingen. Von 1499 - 1568 hatte die Stadt 15 solche Schirmherren, meist Henneberger, aber auch zwei Landgrafen von Hessen, Kurfürsten von der Pfalz und von Sachsen, einen Herzog von Weimar, einen Bischof von Würzburg und einen Markgrafen von Ansbach. In der vierten Periode (1568 - 1802), in welcher der Landfriede die Schirmvögte unnötig machte, übte die Stadt das von Kaiser Max II. erteilte Privilegium, aus eigener bürgerlicher Mitte den Reichsvogt zu wählen und zu besolden, zu welchem Zweck der Rat auch die Gefälle der Reichsvogtei an sich zog.

Balthasar Rüffer III. wurde am 20. August 1635 zum Reichsvogt gewählt
Balthasar Rüffer III. wurde am 20. August 1635 zum Reichsvogt gewählt

Die Wahl fiel nun meistens auf den ältesten Bürgermeister und wurde am Donnerstag nach Luzia (13. Dezember) vollzogen. Die Wahlzeremonie gibt Beck in seiner Chronik ebenso eine Liste der bürgerlichen Reichsvögte. Die Wirksamkeit derselben erstreckte sich fast nur auf Austrägalinstanz (ist seit dem 14. Jh. ein Schiedsgericht für Streitigkeiten) unter Beiziehung zweier auswärtiger Gerichtsbeisitzer bei verfallenden Streitigkeiten zwischen Rat und Bürgerschaft auf geschehene Anrufung. Die Niedersetzung eines solchen Schiedsgerichts, zu dem in der Regel ein ein Paar Ratsherren von Rothenburg und Windsheim beigezogen wurden, war indessen so kostbar, dass man lieber an das Reichsgericht selbst sich wendete. Undeutlich ist, wenn Moser (Reichsstädt. Regimentsverf. S. 133) schreibt, der Reichsvogt führe den Vorsitz im Gericht; wenigstens kann damit nur das so selten zusammentretende Austrägalgericht gemeint sein; im Rat der Stadt selbst, der doch auch als Gerichtshof saß, erschien der Reichsvogt nie. Manchmal verweist der Rat selbst an den Reichsvogt; wenn z.B. 1789 die Schöpf'sche Verwandtschaft sich nicht beruhigen will bei einem Ratsbeschluss über Stiftungskapitalien, wird sie "auf den verfassungsmäßigen Weg der privilegierten Austrägalinstanz verwiesen". Jedenfalls war in der letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Reichsvogtei ehrenvolle Sinecure (einträglicher Ruheposten) für einen greisen Bürgermeister.  

14. Der Stadtrat

Der eigentlich regierende Senat der Reichsstadt bestand bis 1776 aus 24 Gliedern, die daher auch in ihrer Gesamtheit die Vierundzwanziger hießen, nämlich 6 Consules (Sexviri, Bürgermeister), 6 Scabini (auch Schöppen genannt, heute Schöffen) und 12 Senatores (Ratsherren). In genanntem Jahre wurde durch Reichshofratsbeschluss eine Verringerung vorgenommen, dagegen der Ertrag der Stellen erhöht. Seitdem bestand nun das Stadtregiment, der innere Rat, aus 4 Bürgermeistern, 4 Scabinen, 8 ratsherren. Das Direktorium führte in vierteljährigem Wechsel (Luciä, Gregorii, Biti, Crucis) einer der Bürgermeister, der so lange Oberbürgermeister hieß und die Ansprache Magnificenz verlangte, von Ratsbedienten und Bittenden aber auch Exzellenz angesprochen wurde. Das Publikum erfuhr den Kunsulatswechsel durch die Stadtpfeifer und Trommler, die am Abend dieses Tages ihren gewöhnlichen Weg änderten, um vor dem Hause des jetzigen Konsuls das Ehrenstück aufzuführen. Jeder Ratssitzung wohnten zwei Konsulenten bei, notwendig rechtskundig, im Rang unmittelbar hinter dem Oberbürgermeister stehend, aber nur zu beratender Stimme berechtigt. Auch die Scabinen (Schöffen), die den Vortritt vor den Senatoren hatten, mussten Studierte sein, doch nicht notwendig Juristen. Die vier Bürgermeister bildeten in besonders wichtigen Fällen, namentlich in der Voruntersuchung gegen einen Seantor, oder gegen einen Geistlichen einen geheimen Rat. Die 4 Scabinen und 8 Senatoren zusammen hießen die Zwölfer, die Zwölferbank. Einer der 8 Senatoren hieß Unterbürgermeister; er führte die niedere Polizei (Eigentumsbeschädigungen, Forderungen, Geldstrafen bis zu 5 Gulden) und vollzog die Ratsbeschlüsse; in wichtigen Fällen führte er persönlich die Parteien dem vollen Rat vor. Auch diese Funktion wechselte quartaliter. Die täglich laufenden Bürogeschäfte leitete ein "Aktuarius", gewöhnlich Sekretär genannt und manchmal vom Senat mit dem Titel Syndicus begnadigt. notwendig ein Jurist, der zwar nicht in der Stadt, wohl aber bei dem hier residierenden Ritterrat des Kantons Rhön-Werra advokieren durfte. Der expedierende Sekretär, auch Jurist, hieß Botenmeister.

Der äußere Rat, auch Zusatz genannt, bestand aus acht Gliedern, zuletzt wenigstens insgemein Assessoren genannt; er erschien n den Sitzungen nur auf besondere Ladung, hergebrachter Weise in peinlichen Sachen, bei der Ratswahl, bei der alljährlichen Rechnungsablage der Ratsämter, bei Verhandlungen über Steuersatz, über Verfassungsabänderung und "sonst in hohen, wichtigen Sachen, daraus gemeiner Stadtschaden erfolgen möchte".

In der Folge des Bürgervertrages von 1514 hatte "der Rat" noch 8 Männer aus der Gemeinde zu wählen, Achter, Achterherrn, Achterstand, deren Funktion nahezu dem jetzigen (1862) Gremium der Gemeindebevollmächtigten entsprach. Mit dem äußeren Rate wurden sie beigezogen zu allen Rechnungsablagen, Steuersatz, Kontrahierung von Schulden, zum Anhören von Kreis- und Reichsschreiben guter oder bößer Zeitung, bei Kriminalsachen, besonders Bluturteilen. Dafür bezogen sie auch Salarien (Gehälter), hatten Akzidenzien (Zugaben) an Holz, Licht, Fischen, hatten ihren Sitz bei ratswahl- und Rechnungsmahlzeiten und in beiden Kirchen; letzteres wurde schon vor 100 Jahren auf wenigstens 3 Gulden jährlich angeschlagen. Auch bei Stadtpfarrwahlen hatten sie volles Stimmrecht. Was übrigens v. heß in seinen "Durchflügen" (Hamburg 1796 - 1800 3 Bde. Bd. III. S. 44 ) schreibt: "Diese vom Rat selbst gewählten Gracchen (sagt man für plebejische Familien) fallen natürlich den Appiern Schweinfurts nicht sehr lästig durch ihren Plebejismus" - bewahrheitet sich beim Durchlesen der Ratsprotokolle, und ihre Zahmheit war um so erklärlicher, als man die Achterstelle als eine Vorstufe zum Sitze im rate betrachtete. - Die Achter trugen die Leichen der Ratsglieder und die zwei jüngsten waren auch die "Säckleinsträger" in den zwei Kirchen und erhielten dafür je 3 Klafter Holz und 6 Schock Wellen. Dich kam schon 1795 vor, dass sich unter den Achterherrn keiner für diesen Dienst fand, der nun einem armen Bortenwirker übergeben wurde.    

15. Die Ratswahl

Wegen unwürdigen Betragens oder wegen Dienstvergehens konnte zeitweilige  Suspension oder Amtsentsetzung eintreten; aber ordnungsgemäß waren alle Ämter vom Reichsvogt bis zum Achterherrn lebenslänglich. Die Ratswahl am Donnerstag nach Luciä (13. Dezember) war also nur eine Ergänzungswahl für die meist durch Todesfall erledigten Stellen. Das aktive Wahlrecht hatte der innere und der äußere Rat; das passive Wahlrecht erstreckte sich auf alle unbescholtenen Bürger, nur deutsche Schulhalter waren trotz ihres Vollbürgerrechts zu keiner Ratsstelle wählbar. Sonst influierte (beeinflusste) dabei Geburt so wenig wie Vermögen oder bisherige Dienststellung; 1789 wird der Mühlschreiber Stepf Botenmeister, der Botenmeister Hahn wird Ratskanzlist, der Ratskanzlist Schöpg wird Senator, also hat der Mühlschreiber Aussicht Reichsvogt zu werden. In der regel wurde der innere Rat aus dem äußern, dieser aus dem Achterstand, dieser aus den Offizianten ergänzt. Bei einer Abweichung von dieser Gewohnheit hielten sich zwar die Übergangenen für tief gekränkt, doch bestand der Rat auf seiner vollen Wahlfreiheit und beachtete auch die Einrede des Reichsvogts nicht, wenn dieser der übergangenen Achter sich annahm. Als bescholten und passiv nicht wählbar galt nicht nur der außerehelich Geborene, nicht nur, wer ein unehrlich Gewerbe (hier nur die Abdeckerei) trieb, oder wegen Vergehens oder Verbrechens rechtskräftig verurteilt war, nicht nur der Bankrotteur, sondern schon wer mit seinen Gläubigern akkordiert (sich verglichen) hatte. Die Wahl von Konsulenten, Schöppen und Sekretär war auf Studierte beschränkt (siehe Punkt 11). Endlich hing noch 1803 in der Ratsstube die Bluttafel, auch schwarzes Täfelein genannt, ein Verzeichnis derjenigen Verwandtschaftsgrade, die im Rat sich nicht zusammen finden durften, also bei der Wahl vermieden werden mussten. Um erledigte Stellen wurde schriftliche Meldung eingereicht, in der durch Stammbaum nachgewiesen sein musste, dass der Eintritt des Bittstellers kein Verstoß gegen die Ordnung der Bluttafel sei; mündlich durften die Bewerber sich nur dem Oberbürgermeister empfehlen, persönlicher Besuch bei Räten wurde gerügt. Montag, Dienstag und Mittwoch vor der Wahl kündigte abends das Blasen der Posaunen vom Turme den wichtigen Tag an; am Mittwoch war über die Einläufe Beratung mit besonderer Rücksicht auf die Bluttafel; zu gleicher Zeit wurde vor dem Rathaus ein großes Viereck mit Mainsand bestreut, ebenso wurde von der östlichen Rathaustreppe aus an diesem Viereck vorüber ein breiter Sandweg zur Johanniskirche gemacht. Donnerstags ging Tagreveille (Aufwecken, Zapfenstreich) durch alle Hauptstraßen, dann rückte das städtische Kontingent aus und füllte in möglichst ausgiebiger Stellung das Sandviereck. 

Bäffchen (Beffchen) - ist ein seit dem 17. Jahrhundert am Halsausschnitt getragenes 10–15 cm langes rechteckiges weißes Leinenstück.
Bäffchen (Beffchen) - ist ein seit dem 17. Jahrhundert am Halsausschnitt getragenes 10–15 cm langes rechteckiges weißes Leinenstück.

Um 9 Uhr zog der Rat in Prozession vom Rathaus weg auf dem Sandweg zur St. Johanniskirche; die Amtskleidung hier wie in den Ratssitzungen war der Dreiecker "einmal ausgeschnaubt", weiß gepuderte Alongeperücke (langlockige, großhaarige Herrenperücke), der schwarze bürgerliche Staatsfrack, weiße Manschetten, kurze schwarze Hosen, seidene schwarze Strümpfe, Schnallenschuhe, unter dem Kinn an der weißen Binde dieselben geheimnisvollen Bäffchen, wie sie unsere Geistlichen tragen und den Rücken hinab hing ein ähnliches Stück schwarzen Zeuges, Mäntelchen genannt, wie man es von Seide an bayerischen geistlichen Gymnasialprofessoren in vorgeschriebener Gala, oder von Wollzeuch bei Messnern in ihrer Funktion sehen kann.

Die "Soldatesca" (Begriff italienisch für städt. Militär, siehe Punkt 49) präsentierte, die Trommler und Pfeifer strengten nach Kräften sich an, dann wurden die Gewehre fein leise in den Sand gelegt und leise, leise entleerte sich auch das Viereck in der Richtung zur Kirche. Hier sang die Gemeinde das Dilherrische Lied: "Gott, der Du im Gerichte sitzest", und der Oberpfarrer hielt die Ratspredigt, für die er besonders honoriert wurde mit einem Dukaten, einem hasen und einer großen Kanne Wein. Nach der Kirche bewegte sich der Zug wieder unter militärischen Ehren dem Rathause zu, um hier bei geschlossenen Türen die Wahl vorzunehmen. Seit 1755 wurden die Wahlstimmen mündlich abgegeben, und die Achter bemühten sich vergebens, schriftliche Abstimmung wieder einzuführen; es gelang ihnen nicht. Die eigentlich schon in der Vorberatung gesicherten wahlen wurden nun ohne weitere Förmlichkeiten durch Anschlag bekannt gegeben. Noch am Vormittag schickten die Freunde der Neugewählten die Mägde, um gegen übliches Trinkgeld die Glückwünsche ihrer Herrschaft zu überbringen; persönlich erschienene Gratulanten erwartete nachmittags Kaffee. Am nächsten Tag wurden die erledigten Reichsämter verteilt, meist durch Vorrücken aus minder guten Stellen in einträglichere. 

16. Die Funktion des Rats im Allgemeinen

Dreimal wöchentlich, Montag, Mittwoch und Freitag waren die ordentlichen Sitzungen, zu denen die Bürgermeister, die Konsulenten und die zwei älteren Senatoren in der Ratskutsche, die jedoch auch außerdienstlich mit Erlaubnis des Konsuls von Ratsherrn benutzt werden durfte, fuhren. In stürmischen Zeiten (1796 ff.) saß der Senat täglich früh und nachmittags; besuchten in solchen Fällen die Herren Konsuln die Sitzungen nachlässig, um dem Rate die Verantwortung zu überlassen, so wurde ihnen "ihre Pflicht intimiert (alter Begriff für Zustellung einer Vorladung)". Die Hauptgegenstände gewöhnlicher Beratung waren Polizeisachen aller Art, Feld-, Forst-, Jagd-, Gewerbs-, Sanitäts-, Armen- und Sicherheitspolizei, Sittlichkeitsverstöße, Injurien (Beleidigungen und üble Nachreden), Ansässigkeitssachen; aber auch als Justizstelle saß der Senat und entschied schließlich in Vormundschaftssachen, Gantwesen, in Zivil- und Strafprozessen. War Kläger oder Beklagter einem des Rates nach gesippt, so wurde Letzterem die Bluttafel als stummes Zeichen zum Abtreten auf seinen Platz gelegt. Das Verhältnis der Stadt zum Reichsoberhaupt und zu anderen Reichsständen hatte besonders in den letzten Jahren der Reichsunmittelbarkeit mancherlei Verwicklungen zur Folge. In Schweinfurts Interesse wirkten daher besoldete rechtskundige Agenten in Nürnberg, Regensburg, Wetzlar und Wien; letzterer hieß Reichshofratsagent und musste bei jedem Thronwechsel namens der Stadt supplizieren (bitten) um Erneuerung der Stadtprivilegien, besonders des Blutbannes, und leistete dann den Homagialeid, wofür 1790 Herr Merck 10 Dukaten "besondere Douceur" erhielt. In vollem Rat wurde auf alle Einläufe dieser dieser Agenten beschieden; an sie richtete der Rat seine Wünsche oder Klagen, die sich auf Römermonate, Kammerziele oder sonstige Reichsleistungen bezogen. In Reichsfragen lautete die Instruktion an den Vertreter beim Kreistage in der Regel dahin, er solle Majoribus zedieren. Alle Beziehungen zur benachbarten Reichsritterschaft, besonders zum Kanton Rhön-Werra und Baunach, ferner zu Würzburg und Bamberg wurden im Rate geordnet; sein Bestimmungsrecht Reichskontingentsangelegenheiten wurde um so wichtiger, je näher die Kriegsläufe kamen. Der Offizier des städtischen Kontingents erhielt auch im Feld Weisungen vom Rat. Österreichische und preußische Werboffiziere übergaben in der vollen Sitzung ihre Beglaubigungsschreiben. Die Korrespondenz in Kreissachen musste vollständig kund gegeben werden. Die Vorlage der Jahresrechnungen, die Wahl der Stadtgeistlichen erfolgte unter Beiziehung des Zusatzes und des Achterstandes, auch die Wahl und jährliche Bestätigung der übrigen Bediensteten geschah in einer Ratssitzung unter aktiver Gegenwart des äußeren Rates, doch ohne Mitwirkung der Achter.

Am ersten Montag jeden Monats war besondere Sitzung, das Stadtgericht genannt. Nach einem seltsamen Gebrauche dieses Wortes saßen da 4 Bürgermeister, 4 Schöffen und die zwei ältesten Räte - um die Lichter-, Fleisch- und Brodtare zu machen und Vormundschaftssachen einzuleiten. Diese besondere Mühe wurde jedem Beisitzer mit 14 Schillingen (37 1/2 Kreuzer) vergütet.

Je nach Bedarf 4 -6 mal im Jahr wurden sogenannte Audienzen gehalten, in denen 2 Bürgermeister und 2 des inneren Rates ein Vermittlungsamt für Injuriensachen und Bagatellklagen bildeten. Verfing ihre Bemühing nicht, "so sollten die Parteien an den Rat berufen".

Die wichtigsten, weil einträglichsten Funktionen der Ratsglieder waren die verschiedenen Ämter. (siehe Punkte 23 ff.)

17. Gesetzgebung

Ein allgemeines Gesetzsystem, speziell für die Stadt und ihr Gebiet, gab es hier so wenig, als in anderen Reichsstädten. Das kanonische und römische Recht entschied in der Regel, wie man denn in der Tat nach römischen Recht einen Prozess 6 mal entscheiden kann, bis man nach germanischem unter 6 Prozessen einen auflösen wird. Nur über einige Gegenstände bestand seit 1724 ein Stadtrecht: Differentiae juris provincialis Franconici et juris consuetudinariii, nunc statutarii Suinfurtensis, d.i.Anmerkungen, worin von den Fränkischen Landrechten des heiligen römischen Reichs freier Stadt Schweinfurt Stadtrecht unterschieden usw. Seine Bestimmungen treffen besonders Familienverhältnisse, als Gütergemeinschaft zwischen Ehegatten, Einkindung, Intestaterbfolge, Form der Testamente, Vormundschaften. Molitor meint, eine plötzliche Aufhebung dieses Stadtrechts würde missliche Verwicklungen und kostspielige Familienstreitigkeiten hervorrufen. In der Tat hat auch die bayerische Regierung dieses, sowie ein anderes halbes Hundert provenzieller Rechte, bestehen lassen die zur Erscheinung des allgemeinen Zivilgesetzbuches für das ganze Land.

Neben diesem Stadtrecht bestand noch eine "Sammlung der vornehmsten Pflichten und Ordnungen der freien Stadt Schweinfurt, allda neu revidiert und verbessert, gedruckt durch Morich 1780. 353 S. 4. - also eine Polizeiverordnungssammlung, gedruckt in demselben Jahr, in welchem der bereits gefeierte Dichter Werthers und Götzens seine italienische Reise schrieb; doch welch ein Kontrast der Weltanschauung und des Stiles! Fast ein Viertel des Buches nimmt Feuer-, Sturm-, Feld-, Weinbergs- und Almosenordnung ein; in letzterem Betreff sollen Landstreicher, die sich selbst Bettelbriefe machen, wohl unterschieden werden von wirklich Armen, als da sind "Abgebrannte, Konvertiten, Studenten, verunglückte Edelleute, Offiziere und arabische Prinzen (?!)." Nach der Gottesdienstordnung darf nur die Lutherische Lehre hier geduldet werden; Tanzmusiken am Sonntag sind nicht erlaubt, Besuch von Jahrmärkten ist nur als leidiges Übel geduldet; ledige Leute müssen nach der Betglocke zu Hause sein; Zauberern, Wahrsagern, Zeichendeutern und ihrer Sippschaft wird mit Pranger, Turm, Auspeitschen, nach Umständen mit dem Tode gedroht; wer Gott mit Worten seine Ehre abschneidet, hat Strafen vom Gefängnis bis zum Abhauen eines Gliedes zu gewärtigen; wer mit Seelenverpfändung, ewiger Verdammnis, oder gar Teufelholen sich vermisst, wird, ist's ein Erwachsener, mit Pranger, Halseisen, Kirchenbuße bestraft. Um dem einreißenden Luxus zu steuern, ist die ganze Bürgerschaft in vier Klassen geteilt, und der Aufwand auf Hochzeiten, Kindtaufen, Leichen und auf Frauenschmuck scharf begrenzt (Vornehme Kaufleute und Oberoffiziere der Miliz gehören in die zweite Klasse; Rektor, Konrektor; Rataktuar und Kanzlisten in die erste); die höchste Zahl der einzuladenden Personen in jeder Klasse (50, 40, 30, 20), die Zahl der Schüsseln, die Zeitdauer darf bei schwerer Geldbuße nicht überschritten werden, nur die erste Klasse darf zur Kirche fahren und später Musik halten. Einem Bürger zweiter Klasse wird es gegen eine Buße von 20 Gulden verstattet. Die Frauen dritter Klasse (Künstler, Handwerker, Schänkwirte,  Dorfschulzen und Dorfschullehrer) dürfen Seidentücher oder Spitzen nicht tragen, auch Geschenke nicht annehmen. Handwerksgesellen dürfen auch bei Festangelegenheiten keinen Degen tragen, wohl aber "Buchdrucker, Apotheker, Kaufleute, Goldschmiede, Barbierer, Perückenmacher und andere solche Künstler." 

Mistjauche darf erst nachts um 9 Uhr auf die Gasse laufen; wer am KIrchhof Schweine hält, darf sie nicht mehr vor dem Hause wühlen lassen, bei Strafe von 17 Batzen. Auch der Wagzwang (§43) ist in der Polizeiordnung gesetzlich ausgesprochen. bausch S. 58 ff. führt noch 82 gedruckte Polizeiverordnungen und Justizbestimmungen des Rats aus den Jahren 1543 - 1795 an. Aber konnte wohl der Rat alle diesen und ähnlichen Bestimmungen, namentlich aber den eindringenden neu französischen Ideen Geltung verschaffen? In den Ratsprotokollen der letzten 20 Jahre kommen wenigstens manche der verpönten Übertretungen gar nicht mehr vor; und endlich bleist auch Strafmaß teil weit hinter den gesetzlichen Normen zurück, teils ist man erfinderisch in ungesetzlichen Strafen.

18. Von Prokuratoren und Advokaten

Jeder von der Universität zurückkommenden Rechtskanditat wurde sofort zur Prokuratur zugelassen, d.h. er durfte mit mündlichen Aufträgen vor dem Amtsträger oder vor dem Rate erscheinen. Erst, wenn er advokieren, d.h. selbst Schriften fertigen, wollte, musste er sich einer Prüfung vor einigen Senatoren und vor den Konsulenten untterziehen; doch erinnert man sich kein Beispiel, dass diese Prüfung eine Versagung der Admission zur Advokatur nach sich gezogen hätte. Sixt war noch nicht 22 Jahre alt, als er 1792 als wohlbestandener Kandidatus in's Advokatengremium aufgenommen wurde. Unter solchen Umständen war es möglich, das 1802 Molitor 14 Prokuratoren und 20 Advokaten vorfindet, die hier beim Rate, bei den Ritterkantonen und in würzburgischen Ämter praktizierten. Dabei bestand seit 1748 eine jetzt lächerlich geringe Taxe. Arme erhielten ebenso wie jetzt einen Offizialanwalt. Gegen freche oder mutwillige Prokuratoren oder Advokaten konnte bis zu 3monatlicher Suspension vorgeschritten werden. Bei der eben nicht neidenswerten Stellung der Anwälte ließen sich Ungebührlichkeiten und Mißbräuche unter ihnen voraussehen und der Rat eifert öfters gegen dieselben, z.B. in einem 1793 gedruckten Dekret. Molitor meint, Kurbayern solle diese Herren sämtlich in Würzburg einer Prüfung unterwerfen, wodurch die Fähigeren ihre Existenz in weiterem Kreise verbessern, die Untertanen aber von einer Menge unwissender Anwälte befreit sein würden, denen dann nur die Praxis in der Stadt zu belassen sei bis zu ihrem Absterben.

19. Justiz und Polizeijustiz - Formelles

Schaon aus der erwähnten Polizeiverordnungssammlung lässt sich schließen, dass die Grenze zwischen Justiz und Polizei nicht nach jetzigen Normen gezigen war. Kuratelsachen, Kaufverträge ressortierten zur Polizei. Wichtige Zivilprozesse und strafrechtliche Fälle wurden dem Oberamtsbürgermeister zuerst angemeldet, der sie an eine besondere Ratsdeputation verwies. Diese, im Konkurs- oder Exekutionsprozess "Helfamt" genannt, bestand aus den zwei jüngsten Ratsgliedern und einem Kanzlisten. Ob diese Herren die nötige Bildung besaßen, ob die erforderliche Umsicht bei Erforschung des Tatbestandes eines Verbrechens, fragte sich nicht. Der Platz im Rat bestimmte den Wirkungskreis, ein Konsulent wurde nicht beigegeben. Lange Protokolle gab es dabei nur selten. Der Befund der Untersuchungen, die Resultate etwaiger weiterer Erhebungen wurden im Ratsplenum, nicht etwa in gesonderten Senaten, vorgetragen und Beschluss gefasst. In Streitgegenständen unter 200 Gulden Wertes befasst der Senat durch ein Dekret Kaiser Maximilians II. (1570) das privilegium de non apellando. In wichtigen Streitsachen vermögender Parteien konnte jede derselben nach geschlossener Untersuchung auf Aktenversendung antragen. Die Wahl des Spruchkollegiums hatte der Rat, die dann meist auf Altdorf, Erlangen, Helmstadt, Göttingen oder Jena fiel. Zwei derselben konnte jede Partei sich verbitten. Die Expedition besorgte gegen eine Taxe von 6 Talern der zweite Bürgermeister. Das so verführte Aktenkonvolut kam seinerzeit mit dem Spruch zurück in die Hände eines Konsulenten zum Vortrag im Rat. Hatte nun dieser (siehe Nr. 43) auch nur beratende Stimme, so wurde doch sein Votum von allen 16 Votanten in der Regel nachgesprochen und zum Beschluss erhoben, den nur das Reichskammergericht aufheben konnte, jener "Olympus der Prozesse", in dem die Unsterblichen wohnten. Für diesen Fall wurden dann dem Appelanten Aposteln (litterae dimissoriales) gegeben und die Akten ausgehändigt. Was man vom Arzte verlangte, das leistete im Allgemeinen die hiesige reichsstädtische Justiz namentlich im letzteren Punkte. Die kleinlichen, stadtbürgerlichen Verhältnisse, die fast insularische Abgeschiedenheit von der nächsten Grenznachbarschaft gab überhaupt keine Veranlassung zu verwickelten Rechtsstreitigkeiten, so dass hier wenigstens die angefochtene Behauptung eines gefeierten Prozessualisten sich als wahr erweist, eine geringe Zahl von Prozessen sei Beweis eines wenig belebten bürgerlichen Verkehrs.

In Ehestreitigkeiten (hier Unehesachen genannt) hatte das Scholarchat die Voruntersuchung und erste Instruktion, referierte dann an den Rat und dieser gestattete schließlich der Geistlichkeit belehrenden und warnenden Einfluss. Gehörten die streitenden Eheleute unter die hervorragenden Familien, so wurde bei letzter Beschlussfassung das ganze sogenannte Ministerium (Oberpfarrer mit seinen vier Amtsbrüdern) zu Rate gezogen. Nur diese "Unehesachen" hatten durch die mancherlei nicht selten gefährlichen Sühneversuche einen öfters in das zweite Jahr sich dehnenden Verlauf; auch Prioritätserkenntnisse ließen Monate auf sich warten.Besonders prompt erwies sich der Rat, wenn er in peinlichen Fällen zu Gericht saß. Den Blutbann besaß Schweinfurt schon von Karl V., konnte ihn aber Würzburg gegenüber nur schwer geltend machen; doch 1618 gab auch der Fürstbischof Johann Gottfried  (von Aschhausen) darin nach.

In gesetzlich maßgebender Geltung war hier die Karolina und die Pönalordnung des fränkischen Kreises von 1732, aber in den Sitzungsprotokollen des 18. Jahrhunderts wird darauf nirgends Rücksicht genommen. Die Strafprozesse dieser Zeit sind summarisch, die Entscheidungen patriarchalisch-arbiträr. Aktenversendung in peinlichen Fällen kommt zuletzt 1731 bei Kindesmord vor. Das Spruchkollegium zu Altdorf erkannte auf den ersten Grad der Tortur. Dem hiesigen Rat mißfiel der Spruch; er wendete sich deshalb nach Gießen. Überhaupt findet sich, soweit ich die Ratsprotokolle des vorigen Jahrhunderts durchblättert habe, die Tortur nur in Form von Stockprügeln, hier Böllerer genannt, und fast scheint es, als habe man schon vor Beccaria (dei delitti e delle pene Nap. 1764) in dessen Geist über Tortur und Todesstrafe gedacht, denn auch letztere wurde 1737 hier zum letzten Mal vollzogen; 1748 wurde die Scharfrichterstelle aufgehoben. Obwohl 1679 eine Taxe für die verschiedenen Dienstleistungen erschienen war, unter denen außer der Tortur das Rädern, Verbrennen, Greifen mit glühender Zange, Ohrenabschneiden, vorkommen, so wurde doch nur zweimal später die Todesstrafe geschärft, 1708 durch vorhergehendes Reißen mit glühender Zange wegen Unzucht und Kindesmord und 1724 durch Abhauen der rechten Hand wegen Todschlags im Raufhandel.

Neben der Justiz im engeren Sinne war hier, in ihren Strafwirkungen nicht sehr davon verschieden, die "Polizeijustiz" tätig. In geringfügigen Prozessen und in Polizeisachen war der Unterbürgermeister, Polizeiherr, eine eigene Instanz. Protokolle wurden dabei nicht geführt, nur ein in Oktav gebundenes Buch wurden polizeiliche Vormerkungen und Anträge von Parteien kurz eingetragen, aber meistens erteilte der Polizeiherr stans pede in uno mündlichen Bescheid. Für Überschreitung der Lebensmitteltaxen,Verunreinigung der Straßen, Sexualvergehen bestand ein "Polizeigericht", bestehend aus den jüngsten Gliedern des Konsulats, des Scabinats, des innern und des äußern Rats und des Achterstandes, die unter Beiziehung eines Konsulenten und eines Aktuars sich versammelten, so oft Stoff da war. Die bei der Justiz üblichen Strafen waren Böllerer, Geldbußen, Straßenarbeit oder Schanzarbeit auf einige Wochen unter der Zucht des Mödlermeisters, Arrest in den Stadtknechtshäusern, in der Schnecke, in der roten oder (schlimmer) blauen Kappe, oder im schwarzen Keller unter dem Rathause; Standespersonen saßen ihre Strafe im Studentenstüblein im Rathause ab; geschärft wurde der Strafarrest durch Anlegung von Beinscheiden oder durch Anschließen an den Block. Dorfbewohner wurden in den "Gehorsam" gesperrt. Ausstellung im Halseisen oder im Schnabel, einer lächerlichen Gesichtsmaske, der Triller, Tragen des spanischen Mantels, der Geige - lauter Dinge, von denen P.V. nichts weiß - fand noch in den neunziger Jahren öfters statt. Langjährige Freiheitsstrafen kommen nur zwei Mal vor; 1737 wurde ein Brandstifter "gegen jährliche Vergütung" ins Zuchthaus nach Nürnberg verschafft; ebenso wurde ein Wilddieb, der den Flurer lebensgefährlich verwundet hatte und von einer Juristenfakultät zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt worden war, gegen Einsendung von 50 Reichstalern 1745 in eine solche Anstalt in Bayreuth aufgenommen. Die Stelle des Arbeits- oder Zuchthauses vertrat hier der Strafdienst unter österreichischem oder preußischem Militär, von 6 Jahren bis auf Lebensdauer. Das vom Werber (siehe Punkt 4 und 47) bezahlte Handgeld deckte teils die Untersuchungskosten, teils fiel es an die Relikten. Auch Verbannungsurteile wurden oft gegen Stadtbürger oder deren Angehörige ausgesprochen auf Zeit oder auf Lebensdauer. War der Gebannte ein Handwerker, so trieb er sein Geschäft im Ausland Sennfeld oder Niederwerrn.

20. Materielles

Leider kann nicht in Abrede gestellt werden, dass bei Straferkenntnissen und bei Ausmessung der Strafen die reichsstädtische Justiz nicht eben gleiches Gewicht und Maß anwendete bei Eingeborenen und Fremden, bei Reichen und Armen, bei Ratsverwandten, gemeinen Bürgern und bäuerlichen Untertanen. Die sittenpolizeilichen Verordnungen über Sexualvergehen stehen P.V. S. 170 - 182. In Vollziehung derselben wurde aber viel willkürlich dazu und davon getan und Ansehen der Person geübt. Die Verordnung bewegt sich hier nur zwischen Kirchenbuße(mit 10 Gulden ablösbar) und mehrwöchentlicher Gefängnisstrafe im gelindesten, Staupbesen und lebenslänglichem Exil im schwersten Fall (Doppelehebruch). In der Praxis wird noch im letzten Jahrzehnt dekretiert Kirchenbuße an der Kirchtüre, in der Kirche an besonderem Platze, in gewöhnlichem Stande, auch letztere nur mit 20 Gulden ablösbar, Straßenarbeit oder Schanzarbeit unter dem Mödlermeister, Arbeit im Spinnhaus, zeitweise an das Bloch angeschlossen, Relegation, Verkauf des Fornikators (Unzuchttreibenden) an den Werber auf 8 - 12 Jahre. Die Anticipatio concubitus wurde von kürzlich Vermählten mit 40 Gulden gebüßt und dem Oberpfarrer wird kontrollierende Buchführung und Anzeige befohlen. (Ein "Frühauf" notiert bei dieser Gelegenheit der Oberpfarrer zum Namen eines jetzt geachteten Bürgerdignitars (bürgerlicher Würdenträger). Wenn 1792 - 1802, nach Ausweis des Kirchenbuches, die Zahl der Sexualdelikte 3 7/9 Prozent beträgt, 1850 - 1860 dagegen 21 Prozent, so erscheint das Anwachsen der Zuchtlosigkeit alledings erschreckend). Von diesen Strafen wurden immer mehrere zugleich gegeben, nach Umständen verlief auch der ganze Polizeistrafprozess im Sande, weil der Herr....... mit mehreren des Rats versippt war. Bürger...... wird 1789 wegen losen Maules mit viertägigem doppelt geschärften Dunkelarrest (= schwarzer Kerker unter dem Rathaus) bestraft, dann auf acht Jahre dem preußischen Werber übergeben, die Frau kommt ins Pfründnerhaus. Das Gesetz bestimmt für diesen Fall nur Geldstrafe oder dafür mehrtägige Gefängnisstrafe und Abbitte. Drei Bauernburschen aus Oberndorf werden wegen einer Prügelei (ohne länger andauernde Folgen) zuerst von herrn M. Bach im Katechismus unterrichtet und konfirmiert, tags darauf "ausgespeckt" mit dem Ochsenziemer und schließlich dem österreichischen werber zu 14-jährigem Dienst übergeben. Herr Konditor S. prügelte erst den Torwachtposten, dann den Feldwebel. Als der Herr Unterbürgermeister selbst sich zu Herrn S. begibt, heißt er diesen einen dummen Jungen, weil er einen Bürger in Arrest bringen will. Ratsbeschluss: acht Tage Hausarrest. - Von zwei bäuerlichen Raufern zahlt der eine 10 Gulden Strafe, 5 Gulden Schmerzensgeld und die Kurkosten; sein Gegner, arm, wird nach der Heilung mit viertägigem Dunkelarrest bestraft.- Ein städtischer Zöllner misshandelt einen sächsischen Fuhrmann barbarisch, zahlt also dafür 4 Gulden Brüche 1 Reichstaler Schmerzensgeld und die Kurkosten. - Ein Urkundenfälscher (Bürger) wird 1791 dem preußschen Werber zu achtjährigem Dienst übergeben. Ein Schutzverwandter wird 1792 wegen Verdachts von Rübendiebstahl mit doppelter Schärfung ins Stadtknechthaus gesetzt, leistet dann den Reinigungseid und wird nun als feldgefährlich für immer relegiert. Ein Anderer "mutmaßlicher" Felddieb wird 1793 erst inquiriert; als er von seiner Schuldlosigkeit spricht werden ihm 12 "Böllerer" aufgezählt, damit er gestehe; als auch dies nichts hilft, werden ihm die Böllerer als Strafe angerechnet, er selbst wird dem Werber übergeben und vom Handgeld werden die Kosten abgezogen. Um dieselbe Zeit wird ein überwiesener und geständiger Traubendieb (Kaufmannssohn) nur mit 5 Gulden angesehen, aber eine Traubendiebin (Taglöhnerstochter) wird mit dem Halseisen ausgestellt, und ihre Kameradin, die von den Trauben gegessen, wird um 5 Gulden gestraft.

Eine Felddiebin (Häckersfrau) wird 1795 mit 5 Wirsinghäuptern auf dem Rücken, einer Schandtafel auf der Brust und einem Säcklein Kartoffeln unter dem Arme von 2 Bütteln eine Stunde lang durch die Stadt geführt. Ein Gerstendieb (Lehrling) soll dem kaiserlichen Werber übergeben werden. Da er diesem zu schwach erscheint, so wird ihm "16 mal der Ochsenziemer auf offenem Markt angemessen," dann wird er "zum Gesellen gesprochen und auf 5 Jahre in die Fremde geschickt." Noch in den 1780er Jahren ragte von der Staubbrücke (an der Stelle der heutigen Maxbrücke) aus eine Maschine in den Main hinaus, der Naschkorb genannt, in dem Felddiebe erst gewippt, dann in den Main getaucht wurden. - Eine Bürgersfrau hatte der Nachbarin Mehl und Fleisch entwendet; es wurden ihr vor dem Rathaus 10 Streiche auf entblöstem Rücken mit dem Ochsenziemer appliziert, dann wurde ihr eine Tafel mit der Aufschrift "Mehl- und Fleischdiebin" um den Hals gehängt, und zwei Stadtknechte führten sie so eine Stunde durch die Hauptstraßen und nahmen zuletzt mit noch 6 Streichen vor ihrem Hause von ihr Abschied. Dieselbe Behandlung erlitt eine Magd, die auf ihres Herren Namen geborgt hatte. Wegen gleichen Vergehens zum Nachteil des Meisters  wurde 1790 ein Lehrling mit zwei Stunden Dunkelarrest bestraft. - Der Zinswucherer verlor 1790 den vierten Teil des Kapitals. - Ein zwölfjähriger Knabe stahl 1793 sechs Schillinge; er erhielt 15 Stockstreiche und musste "auf unbestimmte Zeit im Spinnhause arbeiten , an einem Blöchlein angeschlossen." Der Schneider und Pfandamtständler...... betrog das Pfandamt um mehrere 100 Gulden; er musste Ersatz leisten soweit sein geringer Haushalt reichte, und damit ad acta! denn der Unterschleifer war mit zwei Ratsmitgliedern nahe verwandt.

Im Jahre 1792 legte der Obereinnahmsadjunkt, einer der Herrenkreise verzweigten Familie angehörig, bei der Rechnungsablage seinen Barbestand auf die Ratstafel. Als aber Herr Senator Krackhardt seiner Gewohnheit gemäß mit den Rollen spielte, fanden sich in denselben nur leichte, runde Hölzer. Dem Herrn Adjunkt wurde sofort sehr unwohl und die nun in seiner Abwesenheit angestellte Untersuchung ergab einen Fehlbestand von 500 Gulden. Der  Beschuldigte konnte wegen Krankheit nicht erscheinen, trat auch durch schriftliche Erklärung vom Amte ab, die Verwandten erlegten die Summe und die Untersuchung, die man bis in' Jahr 1796 verschleppte, wurde niedergeschlagen, " weil Herr...... sich in den letzten Jahren so gar fleißig mit Einbinden alter Ratsrechnungen beschäftigt hat". Aus auch der peinlichen Rechtspflege enthalten die Ratsprotokolle wundersame Geschichten. Herr Scabinus Götz zeigt 1790 bei Rat an, seiner Schwester Kind sei vom leiblichen Vater Simon  Friedrich H. so geschlagen worden, dass es an der Misshandlung gestorben sei. Beschluss: Die Sache hat auf sich zu beruhen und Herr Scabinus Götz hat als Angeber die Protokollkosten zu zahlen. Von einem Verhör des Beschuldigten, von einer Leichenschau kein Wort; ja vier Wochen klagt H. auf Verleumdung.Nun schläft die Geschichte ein...

Kaufmann B. verwundet am 16. Oktober 1795 seine Frau lebensgefährlich durch einen Messerstich in die Brust, muss dafür 4 Tage Arrest im Stadtknechtshaus aushaltenund 20 Reichstaler Strafe zahlen.  Am 08. September 1795 geschieht Anzeige, dass die Frau des Weinbergmannes B. an Gift gestorben sei; der Gatte wird als verdächtig eingezogen, wird geständig und schon am 28. Dezember ist Untersuchung und Urteil fertig. B. erhält öffentlich 40 Ochsenziemerstreiche, verliert das Bürgerrecht, sein Vermögen fällt zum Teil für Untersuchungskosten in die Stadtkasse, zum Teil an seine Kinder; er selbst muss Urfehde ( Die Urfehde zur eidlichen Versicherung, sich wegen einer geführten Untersuchung, Anklage oder zu vollstreckenden Strafe nicht an den Strafverfolgern rächen zu wollen, die sogenannte Hafturfehde. Insbesondere umfasste die Urfehde das Versprechen eines entlassenen und des Landes verwiesenen Verhafteten, das Land, aus welchem er verwiesen wurde, nicht wieder zu betreten noch sich an dessen Bewohnern rächen zu wollen) schwörenund wird schließlich dem österreichischen Werber übergeben zu lebenslänglichem Dienst an der türkischen Grenze.

Keines dieser Straferkenntnisse gründet sich auf die Ordnung des Jahres 1780, oder auf die Pönalordnung, nirgends achten es die Protokolle für der Mühe wert, Entscheidungsgründe anzuführen. Solche launenhafte Willkür überstieg endlich auch die Geduld der Reichsbürger. Schon 1792 gaben die Achter und die Handelsvorsteher eine Kollektivvorstellung ein, 28 Gravamina enthaltend gegen mißbräuchliche Verwendung städtischer Gelder, Amtsmißbrauch überhaupt, Polizeiunfug und Unjustiz. Eine Kommission sollte den Grund der Beschwerden untersuchen,blieb aber lahm und stumm. Auf eine erneute Klagschrift antwortet der Rat sehr betrübt über neufranzösische revolutionäre Gesinnung der Volksvertreter, verspricht Abhilfe der allerdings zugestandenen Mißbräuche, doch bleibts, wie die erzählten tatsachen beweisen beim Alten. Besonders als 1793 ein neuer Antrag aus Wien, das Reichskemmergericht hierher zu verlegen, wiederum (wie schon 1692) abgewiesen wurde, erschienen wiederholte beißende Maueranschläge. Die Bürger hatten durch notwendige großartige Neubauten, durch Zuzug einer neuen reichen Bevölkerung Verbesserung des gesunkenen Naherungsstandes erhofft; der rat indessen fürchtete neben den vornehmen Gliedern des höchsten Reichsgerichtshofes zu sehr in den Schatten treten zu müssen, vielleicht zur Bedeutungslosigkeit herabzusinken und wehrte in kläglichem Tone die neue Ehre von der armen Stadt ab. Die für Entdeckung der Maueranschläge ausgesetzten Preise wurden durch neue Schmähschriften beantwortet und der geängstigte Rat gibt zu, dass es allerdings sehr an Einhaltung der Gesetze gefehlt habe.Nahe Abhilfe wurde in Aussicht gestellt. Allen diesen Zwistigkeiten machte natürlich die Erscheinung Jourdans und seinen Neufranken 1796 ein Ende; doch einen geordneten Rechtszustand hat erst die Monarchie (Bayern 1802 - 1810), Großherzogtum Würzburg (1810 - 1814, von da an wieder Bayern) hergestellt. (Anmerkung: was aus heutiger Sicht (Jahr 2012) jedoch auch ganz erheblicher Kritik bedürfte)


21. Präventiv-Polizei

Das nächste Ziel derselben ist immer und überall Sicherung der Person und des Eigentums. Zu diesem Zweck hielt der rat besonders die Stadtmiliz, welche Tore und Hauptwache besetzt hielt und zur Nachtzeit patrouillierte. Als 1791 20 Mann österreichische Truppen ohne geziemende Anmeldung nachts die Stadt passierten, wurde den Torwachen diese nur durch ihre Unachtsamkeit oder Feigheit mögliche Verletzung der städtischen Souveränität hart verhoben. Nur nach gehöriger Anmeldung und dann unter Vortritt und Aufsicht eines hiesigen Gefreiten soll solche "Soldatesca" die Stadt passieren. Bei Tag durchwanderten 2 Polizeidiener die Straßen; während des Gottesdienstes hielten 3 Ratsdiener Ordnung in der Kirche. Die Stadttore waren im Winter von abends 8 Uhr, im Sommer von 11 Uhr an bis Tagesanbruch geschlossen, so dass selbst das später kommende Postfelleisen nur mittels einer Maschinerie über den Stadtgraben zur Expedition befördert wurde. (Erst 1843 erfuhr man hier, dass die Tore nur in Festungen nachts geschlossen, in anderen Städten Bayerns aber dem Verkehr solche Hemnisse nicht bereitet werden dürfen).

Von 6 Nachtwächtern taten je zwei den Dienst als Uhrenschreier und Pfeifer, und auf 7 Türmen bliesen Wächter, Provisoner genannt (auch die Torwarte hiesen so), die Stunden aus und achteten auf etwa ausbrechendes Feuer. Feuerordnung sowie Löschgeräte (11 Spritzen mit "hänsernen" Schläuchen, andernorts noch weit später unzweckmäßig lederne) und Baupolizei waren für jene Zeit in Schweinfurt vortrefflich. Doch wurde durch Nachlässigkeit, durch die ein Brand entstand, nicht bestraft, damit nicht durch Verheimlichung des noch kleinen Feuers größerer Schaden erwachse. Eine Brandassekuranzanstalt bestand hier zwar nicht, aber die Versicherungssumme der hiesigen öffentlichen und Privatgebäude betrug 898724 Gulden, also über 11 Millionen unseres Geldes (1860). Der zeitweise Umgang (= Untergang § 47) sollte Gefahren der persönlichen Sicherheit, Bauschäden, Unschönes, Belästigendes beobachten und dessen Abstellung beantragen. Ohne vorhergehende Vorlage von Bauplänen durfte schon damals nicht gebaut werden und die Einhaltung des Planes überwachte der Mödlermeister. Klopfende und übelriechende Gewerbe durften nur in den Nebenstraßen ausgeübt werden. Wie jetzt und in demselben Umfang lag die Gesundheitspolizei in den Händen des Physikus. Doch "will der Rat stille zusehen, dass ein ratsverwandter Metzger räudige zur Nachtzeit eingeführte Hammel schlachtet, wenn's nur der Herr Physikus nicht erfährt". Dagegen wurde ein quacksalbernder Bürger auf Antrag des Physikus mit ewiger Verbannung bestraft, und seine Familie im Waisenhaus untergebracht; unreifes Obst wurde in den Main geworfen. Die Khpockenimpfung war zwar nicht zwangsweise eingeführt, doch wurde sie von jüngeren Ärzten oft vollzogen. Die Obliegenheiten und Rechte des Sanitätspersonals waren ausgesprochen in der "Medizinalverordnung des heiligen Römischen Reichs freien Stadt Schweinfurt nebst beigefügtem Tax. Schweinfurt 1758. 4."

Der Gottesacker - innerhalb der Stadt, noch dazu an der Südwestseite, die der Stadt die regelmäßigen Winde zuschickt, so klein, dass es nicht erlaubt ist, einen Grabesraum für die Dauer des Daseins von Erbberechtigten zu kaufen, so dass demgemäß Kinderleichen schon nach 8, Erwachsene schon nach 14 Jahren ausgegraben werden, und dass nach 15 Jahrenniemand seiner Eltern Grab mehr findet - galt 1803 für "wohl gewählt" (Bundschuh) "doch wäre zu wünschen, dass die Zugänge seelenerhebender wären und dass die Grabstätten selbst würdiger erinnerten an unsere Großen Hoffnungen." Das Sanitätspolizeiwidrige, (jetzt erscheint der hiesige Leichenhof wohl als Kuriosum einzig in seiner Art in Städten) den Widerspruch gegen uralte, fromme Sitte (1. Mos. 23; 49; 29-31) fühlte Bundschuh noch nicht. (Ursprünglich umgab der Leichenhof die Stadtpfarrkirche; 1554 wurde er auf den jetzigen Platz, Karmeliterhof, verlegt. Als derselbe bei der großen Seuche 1635 nicht ausreichte, wurde am 9. Oktober 1635 der vor dem Spitaltor eingeweiht, bald aber wieder mit dem bisherigen vertauscht. Als derselbe 1805 polizeiwidrig und unzureichend erschien, bezog man wieder den Platz vor dem Spitaltor am Hornpfad, um ihn als zu nass auch sofort wieder mit dem Karmeliterhof zu vertauschen.)

Zur Regulierung der Lebensmittelpreise bestanden in einer Zeit, in der wegen mangelhafter Kommunikationsmittel Fruchtwucher ausführbar war, mancherlei für Käufer und Verkäufer unangenehme Ordnungen. Brot-, Fleisch- und Lichterpreise regulierte das Stadtgericht (Punkt 16); seit 1799 war auch das Bier einer Taxe unterworfen.

Die geistige Nahrung der Bürger unterlag ängstlicher Zensur. Der Buchhändler Riedel, auf deen Lager sich schlüpfrige Bücher vorfanden, musste binnen 3 Monaten die Stadt und deren Gebiet meiden. Besonders bedenklich erschien dem Rat des Archidiakonus Bundschuh journalistische Tätigkeit. Angeblich Alters halber, in der Tat aber wegen Bundschuh's fränkischem Merkur legte Konsulent Merck sein Zensoramt nieder und weil kein Ratsherr in der bedenklichen Zeit die Funktion übernehmen wollte, wurde sie mit neuen, strengen Instruktionen dem Revisor Stolle übertragen; für jeden Bogen hatte Bundschuh dem Zensor 20 Kreuzer zu bezahlen und im geheimen rat erhielt der "Pfarrherr Verwarnung nichts Unsittliches oder Revolutionäres drucken zu lassen, um dem Rat nicht Verlegenheiten zu bereiten." Doch erhielt sich Bundschuh's Journal von 1794 - 1801. Die Bürgerschaft musste schon 1793 von der Kanzel verwarnt werden vor Diskursen über die Kriegsläufte (Kriegszeiten).

Die Gewerbspolizei, auf das Reichsgesetz von 1731 fußend (Punkt 9), bewegte sich noch in starren und wunderlichen Formen. Aber der Rat erkannte schon 1803, dass Reformen notwendig und möglich seien, wenn es sich auch damit verhalte, wie mit dem polnischen Weichselzopf, den man nicht auf einmal rasch abschneiden, doch durch gegebene Mittel allmählich beseitigen könne.

Dass in einer Stadt, in der ein eigener korporativ geschlossener Bauernstand besteht, die Feldpolizei eine hervorragende Wichtigkeit hat, liegt in der Natur der Sache. Mit großer Weitläufigkeit werden die Steinsetzer zur Flurgrenzbestimmung instruiert. Die Bestellung des Feldes selbst war durchaus nicht der Willkür überlassen, sondern jeder Bürger war zu "flürlichem" Baue verpflichtet. Überdies erschien schon 1770 eine besondere gedruckte "Verordnung wegen der Gemeinhut".

An all diesen Satzungen hatte indessen die Zeit leise zwar, doch unwiderstehlich ihren auflösenden Einfluss geltend gemacht. Die vollziehende Gewalt selbst war oft schwankend über die Haltbarkeit eines Statuts, oft überschritt, oder übersah sie dasselbe absichtlich und erhöhte durch diese täppische Unsicherheit das Misstrauen der Regierten. Der laut werdenden Unzufriedenheit derselben suchte man 1800 noch dadurch zu begegnen, dass aus dem Achterstande zwei Anzeiger bestellt wurden, die dem Rat Polizeimissbräuche und Justizverbrechen, die bei der Bürgerschaft Anstoß geben, dienstlich melden sollten.

22. Finanzwesen im Allgemeinen

Es erscheint als Besonderheit, wenn im Augenblick noch in hiesiger Stadt die Rede ist von einem Kirchen- und Schulamt, einem Forstamt, einem Bauamt, einem Pfandamt usw., wenn nämlich darunter Funktionen einzelner Magistratsräte verstanden sind, die in solcher Ausscheidung im Gemeindeedikt nicht vorkommen. Jene Titel haben sich aber aus der republikanischen Zeit durch die darauf folgende Munizipalverfassung bis in die jetzige konstitutionelle Gemeindeverfassung herüber vererbt. Die Republik Schweinfurt bedurfte nämlich als kleiner Staat zur Bestreitung der Gemeindebedürfnisse ständiger Zuflüsse, deren Regulierung und Verwendung je zwei Herren des Rats oder des Zusatzes oder des Achterstandes in der Art übergeben wurden, dass der erstere nur kontrollierend  beaufsichtigte, der zweite aber die eigentliche Rechnungsarbeit besorgte. Solche Funktionen führten den Titel eigner Ämter. Die meisten Herren wirkten in mehreren Ämtern zugleich, die einen freilich kleinen Gehalt und einige Schlämpchen abwarfen. Die älteren Ratsglieder waren dabei natürlich besser bedacht als die jüngeren. Die Verteilung der durch Tod oder Promotion erledigten Reichsämter erfolgte durch Abstimmung am ersten Sitzungstag nach St. Lucia. Jedes Amt verwendete seine Renten zu bestimmten Zwecken und lieferte den etwaigen Überschuss an die Zentralkasse, Obereinnahme genannt, ab und legte dann Rechnung. Mehreren Amtsträgern, hier Amtsverweser genannt, aber ohne den jetzt haftenden Nebenbegriff des Interimistischen, Provisorischen, mussten aus der Obereinnahme (Stadtkämmerei) Zuschüsse gemacht werden, weil die Einnahmen derselben für die Bedürfnisse nicht ausreichten. Die Finanzlage der Stadt selbst muss vor Ausbruch der französischen Revolution günstig gewesen sein. Nach 1789 leiht die Obereinnahme Gelder aus gegen hypothekarische Besicherung. Dagegen will Molitor von 318468 Gulden städt. Schuld wissen. 

23. Die einzelnen Ämter

 

Das Bedamt (Steuer- oder Abgabenamt) 

Die Bede kommt schon in Frieß, würzburgische Chronik, vor, wo Bischof Gebhardt 1376 eine Bede ausschreibt, was der Chronist mit Landesteuer erklärt. In Schweinfurt war die Bedsatzung eine seit unvordenklicher Zeit bestehende Abgabe auf Hausbesitz, Grundbesitz und Gewerb und schon 1362 wurden kraft kaiserlichen Privilegiums die schwer gebüßt, welche wegen "Bede und Steuer" falsch schwören. Misslich war dabei der völlige Mangel an Feldkarten, Urbarien (in diesen wurden die Grundstückseigentümer festgehalten), Saal- und Lagerbüchern. Alle 3 Jahre wurde eine Ratsdeputation niedergesetzt, die jede einzelne Besitzung, den Ertrag jeder Werkstätte oder Handlung ermitteln sollte, aber grobem Betrug ausgesetzt war, oder nach Umständen diesen auch selbst unterstützte. Bei Festsetzung der Bede für 1801 - 1803 inkl. wurden folgende Bedsimpla bestimmt:

Ein Haus mit Hintergebäude in Hauptstraßen                     3 - 6 Gulden

Ein Haus außerhalb der Hauptstraßen  2 Gulden 7 Kreutzer - 3 Gulden

Ein Bürgerhaus ohne Scheuer     1 Gulden 7 Kreutzer - 2 Gulden 14 Kr.

Ein Häckers- oder Fischerhaus                     21 Kreutzer - 1 1/2 Gulden

Große Scheuer mit o. ohne Garten      1 Gulden 14 Kreutzer - 2 Gulden

Ein Acker, Weinberg oder Krautbeet                                     14 Kreutzer

Ein Anger (Ellern, Hutplatz) 4 Kreutzer 2 Pfennig - 9 Kreutzer 2 Pfennig

Ein Acker Baumfeld oder Wiese                            4 Kreutzer  4 Pfennig

Ein Acker Artfeld (= gepflügtes Feld)                                   1 - 2 Batzen

20 Acker Holz                                                                            1 Gulden

Handlungen                                                                          1 - 8 Gulden

Handwerker, Häcker, Taglöhner                           14 Kreutzer - 3 Gulden

Wirtschaften und Gastgerechtigkeiten                                 2 - 6  Gulden


In ähnlicher Weise, jedoch noch mit Ermäßigung waren, Häuser, Felder und Gewerbe der Dörfer angelegt.

Für dieses Amt waren 2 Amtsverweser bestimmt, der erste, ein Bürgermeister, sollte Kontolleur sein, doch blieb es beim Soll; der zweite, ein Senator, war der aktive Beamte und legte alle 3 Jahre Rechnung ab. Die Jahre 1801 - 1803 lieferten in Summa eine Bruttoeinnahme von 11990 Gulden 24 Kreutzert, so, das also die Grund-, Haus- und Gewerbesteuer auf ein Jahr für Stadt und Gebiet in simplo sich auf 3996 Gulden 22 Kreutzer entziffert. Die Erhebungskosten beliefen sich auf 7%, nämlich a) 30 Gulden Gehalt für jeden der 2 Amtsverweser jährlich, b) Regie, übliche Schmausereien während der 3 Jahre 648 Gulden 22 Kreutzer 2 Pfennige. Die letzten Amtsträger waren Johann Christian Kirch und Johann Michael Dürbig.


 

24. Das Steueramt

Kapital- und Einkommensteuer wurden hier seit alter Zeit bezahlt, wie eine ganz wunderliche Streitsache des Rates gegen den Diakonus Brückner (1634) beweist. In den letzten Jahrzehnten der Reichsfreiheit musste jeder Untertan der Stadt und der Dörfer vor einer Ratsdeputation (4 Senatoren, 4 Zusätzer, 4 Achterherren), die alle 3 Jahre neu niedergesetzt wurde, sein Gesamteinkommen fatieren, also nicht nur wiederholt die dreierlei Gegenstände der Bede, sondern auch Kapitalrenten, Leibrenten, Erbzinse und alle sonstigen außerordentlichen Erträge.

Für die Jahre 1801 - 1803 war der Steuersatz in simplo folgender:

100 Gulden Kapital zahlt                                           1 Kreutzer 5 Pfennige

Ein Haus mit o. ohne Nebengebäude                     14 Kreutzer -  4 Gulden

Ein Acker oder Krautfeld                                                             4 Kreutzer

Ein Acker Weinberg                                                  2 Kreutzer 4 Pfennige

Ein Acker Baumfeld oder Wiese                               1 Kreutzer 2 Pfennige

Ein Acker Artfeld                                                       1 Kreutzer 5 Pfennige

20 Acker Holz                                                           4 Kreutzer 4 Pfennige

Handlungskapital vom Hundert                                9 Kreutzer 2 Pfennige

Gewerbesteuer                                                       14 Kreutzer - 3 Gulden

Häcker, Taglöhner, Bauern                                                  7 - 14 Kreutzer


So für die Stadt und für Oberndorf; für die Walddörfer galt ein etwas niedrigerer Satz.

In den achziger Jahren wurden wegen des Straßenbaues 4 Simpla erhoben von 1790 an bis 1802 drei, 1803 wieder 4 Simpla. In den Jahren 1794 - 1796 betrug die Bruttoeinnahme jährlich 5926 Gulden 15 Kreutzer 1 Pfennig; die Ausgaben durchschnittlich a) 144 Gulden an Nachlässen und uneinbringlichen Defekten; b) 80 Gulden (je 40 für jeden der 2 ) Amtsträger. c) 182 Gulden für Sessionsgebühren, Schreibmaterial und Mahlzeiten. Der Rest ging an die Obereinnahme. Letzte Amtsverwesen waren: Johann Heinrich Stepf und Philipp Ernst Segnitz.

25. Das Umgeldamt

Unter den Titel Umgeld (schön im 13. Jahrhundert kommt das Umgeld vor, wurde aber als besonders ursprünglich Ungeld oder Unrecht genannt) wurde vom Wein und vom Bier eine Getränkesteuer erhoben. Auf einheimischem Wein, der von den hiesigen Bürgern an Bürger oder Fremde verkauft wurde, lag ein doppelter Impost (eine doppelte Steuer); der Eimer (72 Maß = ca. 40 Liter) zahlte nämlich an das Umgeldamt a) einen halben Gulden; b) den Geldwert von 10 Maß Wein, wie solcher verzapft oder verkauft wurde. Ein Drittel des Verkaufobjekts war jedoch umgeldfrei. Auf einen Eimer konnte bei höheren Weinpreisen leicht ein paar Taler Umgeld treffen! Außer zwei Amtsträgern waren bei der Umgelderhebung noch ein Obervisierer und ein Untervisierer, ein Herrenbüttner, zwei geschworene Eichmeister, 3 Schröter und Aufläder beschäftigt. Unbegreiflicher Weise war die Abgabe für fremde Weine weit geringer; bei solchem Handel betrug das Umgeld nur 1 Gulden für den Eimer an die Kommune und 1 Kreutzer für das Fuder an jeden der zwei Amtsträger. Ein Fremder, der hier als Beisasse wohnte, ein fremder Weinhändler, der hier Lagerwein besaß, zahlte unter dem Titel Niederlag ein Umlage von 2 Gulden für den Eimer. Von Weinen, die der Bürger für seinen eigenen Hausgebrauch baute, zahlte der Eimer 1 Kreutzer; Kontrolle bestand sowohl an den Toren, als im Keller; doch waren bei Erhebung dieser Abgabe die gröbsten Unterschleiche unvermeidlich.

Minder möglich waren diese bei dem im Gemeindebrauhaus leicht kontrollierbaren Umgeld vom Bier (der Bierpfennig, auch Braupfennig findet sich schon 1262 in einer Urkunde des Erzbischofs Engelbert v. Köln). Von jedem Gebräu wurden nahe 24 Gulden bezahlt, dazu noch Kesselgeld an das Bauamt (siehe Punkt 10)  Von einem früher viel geringeren Betrag aus (noch 1797 nur 16 Gulden) hatte der Rat das Umgeld so erhöht, um in einem Weinlande das Biertrinken zu erschweren. Dessen ungeachtet nahm der Geschmack am Bier so zu, dass es 1803 das gewöhnliche Getränk der Bürger wurde und dass das Umgeld vom Bier ums Dreifache das vom Wein überstieg. Im Jahre 1802 betrug die Bruttoeinnahme des Umgeldes 5547 Gulden 7 Kreutzer, wovon 4383 Gulden auf das Bier kamen und 1164 Gulden auf den Wein. Nach Abzug von 60 Gulden für die zwei Amtsträger, 120 Gulden für die Weinvisierer und 326 Gulden für Regie und übliche Schmausereien kam der Rest 5044 Gulden 7 Kreutzer in die Obereinnahme.

Molitor erkennt diese Getränkesteuer mit Recht schon in dieser ihrer mannigfaltigen Form als eine sehr bedeutende Einnahmequelle, meint aber, sie lasse sich bei besserer Kontrolle und nötigen Verbesserungen noch bedeutend erhöhen. Jetzt besteht das Weinumgeld nicht mehr. Dagegen erhebt die Stadt seit Erbauung der Marienbrücke vom Schäffel versottenen Malzes 1 Gulden 15 Kreutzer Lokalaufschlag, was sich bei einem Verbrauch von 6490 Schäffeln im Jahr 1859/60 auf eine Bruttosumme von 8119 Gulden entzifferte, Da nun der Staat das Vierfache als Malzaufschlag beansprucht, so ergibt sich gegen 1802 ein siebenfacher Ertrag der Biersteuer.

Das Gemeindebrauhaus selbst wird in wenigen Jahrzehnten als solches eingehen, da die meisten Gewerbsmeister jetzt eigene Braueinrichtungen besitzen, so dass der Nettoertrag der weitläufigen Baulichkeiten, die jetzt auch zum Salzverschleiss dienen, (Punkt 30) 1859/60 nur 120 Gulden erreichte.

26. Das Datzamt

Die Datz, auch der datz (Abgabe) bezeichnete sonst eine (besondere außerordentliche) Steuer im Allgemeinen. In Schweinfurt war es eine nur von Bäckern und Mehlhändlern entrichtete Gewerbesteuer. Nur diese nämlich, nicht andere Bürger, mussten, wenn sie in der städtischen Mühle mahlen ließen, neben der Mitze noch besonders für jedes Malter Weizen 12 Kreutzer, für das Malter Korn 6 Kreutzer 3 Pfennige entrichten. Wollten sie in auswärtigen Mühlen mahlen lassen, so gab das Bauamt einen Erlaubnisschein und erhob dabei für das Malter weizen 9 Kreutzer 3 Pfennige, für Korn 3 Kreutzer 2 Pfennige. Die Einnahme des Datzamtes betrug 1801 855 Gulden 15 Kreutzer 1 Pfennig; davon erhielt die Obereinnahme 830 Gulden 19 Kreutzer 1 Pfennig; 24 Gulden 24 Kreutzer entfielen auf die zwei Amtsträger, die Zusätzer Karl Bonzeltius und Johann Christoph Voit, und auf Regie.

27. Das Bußamt

vier Herren des inneren Rats (zuletzt Schöpf, Dürbig, Eber, Berg) wechselten quartaliter in Erhebung der Einnahme, die in die Stadtkasse floss; a) aus sämtlichen Strafgeldern, b) aus den Gebühren für Bürgeraufnahme, Schutzverwandten- und Beisassenrecht, c) aus Dispensationsgeldern für Großjährigkeitserklärungen und Befreiungen von Proklamationen, d) aus Bußgeldern für Heiratslizenzen an Minderjährige, 5 Gulden für jedes fehlende Jahr, e) aus Bußgeldern für Heiratslizenzen in verbotenen Verwandtschaftsgraden. Verschwägerte zahlten 50 Gulden, Geschwisterkinder 10 Gulden.

Die zweite Einnahmequelle hatte auch Ausgaben des Amtes im Gefolge. Letzteres besorgte nämlich: a) den feuereimer (Punkt 4), vergütete b) der Obereinnahme ein Exemplar der Polizeiverordnung mit 6 Batzen; bezahlte c) aus Alumneum für einen  rezipierten Bürgersohn 6 Batzen; für einen Fremden 1 Gulden, d) aus Spinninstitut 2 Gulden. Administration und Regie dieses Amtes betrug 62 Gulden, davon kamen 16 Gulden an den Rechnungsleister. Die Bruttoeinnahme war sehr schwankend und bewegte sich in den letzten 6 Jahren zwischen 759 und 2388 Gulden, wovon natürlich der geringste Teil aus den Dispensationsgeldern floss.

28. Das Fleischacciseamt

Dieses Amt verrechnete die Abgaben von auswärts gekauftem Schlachtvieh, welches sowohl von Metzgern, als von anderen Bürgern erhoben wurde. Für ein zweijähriges Rind wurden 10 Batzen bezahlt (jetzt (1862) 1 3/4 Gulden), für ein jüngeres 4 Batzen (jetzt 45 Kreutzer), für ein Saugkalb 2 Batzen (jetzt 10 Kreutzer), für ein Schwein 3 Batzen. Für Hammel zahlten die Metzger eine Pauschalsumme von 60 Gulden. Alles, was zu einer Hochzeit geschlachtet wurde, ferner Ferkel waren accisefrei. Der Gesamtverbrauch im letzten Jahrzehnt des vorigen (18.) Jahrhunderts ergab eine jährliche Durchschnittszahl von 335 Stück Ochsen und Kühe, 1629 Kälber, 1116 Schweine, 1850 Hammel und Schafe. Die Bruttorente dieses Amtes betrug 1801 713 Gulden 26 Kreutzer und 2 Pfennige. Die zwei Amtsträger erhielten je 15 Gulden, die sonstige Regie betrug 10 Gulden. Der Ertrag dieses Amtes, sowie der des Datzamtes, also Mehl und Fleischaufschlag ist jetzt verpachtet und ertrug 1859/60 8920 Gulden, also nahe 6 mal so viel, als zur Zeit der Reichsfreiheit.

29. Das Zollamt

Das Transitzollrecht hat Schweinfurt 1397 von Kaiser Wenzel erhalten und bis zur Aufhebung der Reichsfreiheit ausgeübt. Der Tarif blieb das ganze letzte Jahrhundert hindurch unverändert, aslso beim Fallen des Geldwertes zuletzt äußerst gering. Beispielsweise möge aus der vor mir liegenden amtlichen Tabelle bemerkt sein; Der Zentner Alaun gibt 2 Pfennige, Baumwolle 1 Kreutzer 2 Pfennige, Farbhölzer 1 Kreutzer, die Bleigans 4 Pfennige, das Bloch Zinn 6 Kreutzer, Speiseöl 1 Kreutzer, Häute ohne Unterschied das Stück 1 Pfennig, das Fuder Wein 2 Kreutzer usw. Man unterschied im gesonderten Tarif Land- und Wasserzoll; letzterer betraf a) die in Schiffen passierenden Güter, b) die Flöße. Für Vereinnahmung des Landeszolles und des Zolles aus Schiffsgütern war kein Ratsherr aufgestellt, doch war der "Zöllner" ein "studierter Ratsoffiziant," welcher aus der eingelieferten Zollsumme 5 % bezog, diese belief sich nach 10jährigem Durchschnitt auf 1700 Gulden. Der Floßzoll wurde vom Oberbauherrn (Punkt 43) eingenommen und verrechnet. Molitor meint bei Verwaltung der Floßzolleinnahme müsse viel Ungebührliches unterlaufen; auch Accidenzien will er abgeschafft wissen, welche eine den Handel beschwerende Willkür in ihrem Gefolge habe. In neuerer Zeit ist auch diese Gebühr verpachtet. Pachtsumme 2800 Gulden; dazu wurde 18 59/60 noch als "Wehrlochgebühr und Bürgermeistergeld" 1816 Gulden erhoben, so dass der Wasserzoll (teils verpachtet, teils in Regie) 4616 Gulden eintrug.

Stadtbürger waren für bezogene und versendete Waren zollfrei (siehe Punkt 6).

Eine Ausnahmestellung nahmen dem Zollamte gegenüber die Juden ein (Punkt 4). Der Verkehr derselben galt bei ihrer damaligen Lebens- und Erwerbsart für gemeinschädlich und wurde daher in den meisten Städten möglichst erschwert. Außer dem entwürdigenden Leibzoll zahlte hier ein Jude für alle importierte Ware, für alles Transitgut und Vieh das doppelte des Tarifsatzes. Die gesondert verrechnete Einnahme von den Juden betrug 571 Gulden 8 Kreutzer 3 Pfennige.

Während des Sonntaggottesdienstes waren auch die Stadtbewohner einer Art Leibzoll unterworfen, Sperrgeld genannt; für Fuhrwerk waren nämlich für dies Stunden die Tore unbedingt geschlossen; Fußgängern wurden sie gegen 1 Kreutzer geöffnet.

30. Das Salzamt

Schon seit dem 13. Jahrhundert übte der Stadtrat ein beschränktes Salzmonopol. An den Markttagen nämlich, wenn Salzfuhrleute aus Kissingen, Orb oder Nauheim mit Ladung hier eintrafen, konnte jeder Einwohner mit seinem Bedarf sich versehen, aber das Salzamt (ein Senator als Amtsverweser und ein Zusätzer als Rechnungssteller) kaufte größere Mengen, um es außer solchen Markttagen im Kleinen durch den "Salzmesser" im "Salzladen" unter dem Rathause zu verkaufen. Am Markttage hatte der einzelne Bürger dem Salzamt gegenüber das Einkaufsrecht für seinen Bedarf; aber Niederlagen durften neben dem Salzladen nicht errichtet werden, in welch letzterem die Maß Salz unwandelbar 2 Pfennige kostete, der Ankaufspreis mochte sich höher oder niederer entziffern. Da hier nur die ärmere Bürgerklasse einkaufte, so belief sich die Einnnahme auch dieses Amtes nicht hoch. Nach Abzug der Zinsen für das Betriebskapital, ferner 12 Gulden für die zwei Amtsträger zusammen, 8 Gulden Gewölbzins, 25 Gulden Gehalt für den Salzmesser, 6 Gulden für den Laden und 4 Gulden Regiekosten kamen aus demselben 1798   89 Gulden, 1799  85 Gulden, 1800  9 Gulden an die Obereinnahme.

31. Das Bretteramt

Unter ähnlichen Beschränkungen, wie der Salzhandel, war auch der Bretterhandel Monopol des Rates. Der Einkauf von Dielen, Brettern, Latten und Weinpfählen für eignen Bedarf im Walde und bei Flößen und Schiffen am Wasser war vollkommen frei; nicht so der Bretterhandel im Kleinverschleiß. Schon 1606 erwarb sich der Rat um 100 Gulden das sogenannte Bretterhaus am Main, wo er Weinpfähle, Latten, Bretter, Dielen lagerte, die er in größeren Mengen teils aus Stadtwaldungen, teils als Floßzoll gewann, teils ankaufte und nun ohne Konkurrenz im Kleinen verkaufte. Einkauf, Oberaufsicht und Verrechnung hatten als Amtsverweser ein Scabinus und ein Senator gegen ein Salär von je 20 Gulden. Der eigentliche Detailverkäufer, Bretterwascher genannt, erhielt außer der Wohnung noch 33 Gulden, 16 Kreutzer, 4 Pfennige Salär, dazu 2% von verkaufter Holzware und 30 - 40 Gulden Accidenz für besondere Bemühungen. Zur Hilfe hatte er noch einen ständigen Knecht. Die Nebenausgaben für Mahlzeiten bei verschiedenen Gelegenheiten, für Handwerkslöhne und dergleichen betrugen über 60 Gulden. Trotzdem, dass der misstrauische Rat manchmal einen Spezialdeputatus aus seiner Mitte zum Bretterabzählen abordnete (so 1789 Herrn Hofrat Dürbig), so trug doch dieses ganze monopolisierte Holzgeschäft als Reingewinn für die Obereinnahme 1790 nur 160 Gulden, 1793 530 Gulden, 1794 600 Gulden, 1798 200 Gulden ein. Beim Übergang der Reichsstadt an Bayern wurde das Haus nebst Verkaufsrecht vermietet, bis es endlich bei Gelegenheit des Eisenbahnbaues in Privatbesitz überging.

32. Das Schutzamt

Die Schutzverwandten (siehe Punkt 4) hatten dahin im Allgemeinen jährlich eine besondere Abgabe zu entrichten, Mann und Frau gesondert zu je 1 Gulden 24 Kreutzer, also wöchentlich 1 Kreutzer; solche, die kleine städtische Bedienstungen übernahmen (Stadtsoldaten, Nachtwächter und dergleichen) zahlten wöchentlich nur 4 Pfennige; dagegen solche, die ein bürgerliches, aber hier nicht zünftiges Gewerbe (Scherenschleifer, Feilenhauer, Stadtziegler) betrieben, eine Schutzabgabe bis zu 6 Gulden. Das Schutzamt hatte eine Bruttoeinnahme von 60 - 100 Gulden und davon eine Ausgabe von 24 Gulden 9 Kreutzer. Auch mit diesem unbedeutenden Einnahmeposten beschäftigten sich 2 Amtsträger, ein Senator (Oberschutzherr genannt, nur zur Kontrolle bestimmt) und ein Herr vom Zusatz (der eigentliche Rechnungsleister), jeder bezog 9 Gulden 14 Kreutzer. Den Rest verschlang Regie und Abrechnungsmahlzeit; an die Stadtkämmerei (Obereinnahme) kam zwischen 33 und 75 Gulden.

33. Das Forst-, Jagd- und Fischamt

Ihre beträchtlichen Waldungen (siehe Punkt 2) hat die Stadt zu veschiedenen Zeiten erworben, und die Kaufbriefe sind durch Konsulent Stepf 1803 gesammelt, registriert und dann durch Molitor ans Reichsarchiv nach München abgegeben worden.

Der ganze Forst war in 3 Reviere geteilt: a) Stadt, b) Weipoltshausen, c) Madenhausen, welche 3 Revierjäger bewirtschafteten unter der Oberaufsicht eines Bürgermeisters, des 72-jährigen (des Oberforstherren) und eines (Rechnung legenden) Senators (Unterforstherren).

Sämtliche Waldungen, meist Eichen- und Buchenbestände, aber auch Aspen (Espen) und Birken, wenig Nadelholz, wurden immer in einem 30-jährigen Zeitraum in der Art abgeholzt, dass der jährliche Hieb zur einen Hälfte im Stadtrevier vorgenommen wurde, zur anderen Hälfte im kombinierten Weipoltshäuser und Madenhäuser Revier, da beide zusammen auf magerem, steinigen, teils auch sumpfigen Boden nicht mehr produzierten, als das Stadtrevier allein. Holzrechte standen den Bürgern nie zu, nur das Einsammeln des dürren Holzes und der abgefallenen Waldbaumfrüchte war ihnen an gewissen Tagen von jeher erlaubt. Aber auch von dieser Befugnis, von der ohnedies nur Arme Gebrauch machen, waren die Schutzverwandten und Dorfbewohner ausgeschlossen.

Man wusste freilich, dass die geringen Leute inPfändhausen, Dittelbrunn und Zell, Weipoltshausen und Madenhausen doch kein Geld für ihren Holzbedarf ausgaben! Um so besser war in diesem Punkt für die Ratsglieder und deren Witwen, so wie für die Geistlichkeit, auch für die Ratsoffizianten gesorgt. Ausschließlich für solche Holzbestallungen wurden jährlich 800 Klafter Scheitholz und 1900 Schock Wellen (Reißig) verbraucht. Die Beheizung der Rathauslokalitäten und Wachstuben erforderte 90 Klafter Scheitholz und etwa 40 Schock Wellen. Zur Unterhaltung der Wasserbauten und Hochbauten erhielt das Bauamt den Rest des jährlichen Hiebes, der nun oft nicht reichte, sondern durch Ankäufe von den Flößen ergänzt werden musste. Die Saläre für die zwei Forstherren betrugen je 20 Gulden; diese, ferner die Gehälter und Schussgelder für die 3 Revierjäger, Fischpräsente, Weinpräsente und Mahlzeiten für die Amtsträger und ihre Verwandten und Offizianten, Taglöhne für die Holzmacher belaufen sich auf etwa 1400 Gulden; so lässt sich erklären, warum aus dem großen Waldbesitz der Stadt nichts, oder weniger als nichts in die Obereinnahme floss. Der Revierjäger, der (1793) viel Holz heimlich verkaufte, wurde nur mit einer Strafe von 12 Gulden belegt! Vom Jahr 1791 bis 1797 einschließlich lieferte das Forstamt in Summe 4401 Gulden aus verkauftem Holze ab; dagegen betrugen in dieser Zeit die erwähnten Unkosten 7996 Gulden! (auch wenn man berücksichtigen muss, dass in diese Zeit die französische Invasion fiel).

Ähnlich waren auch die Jagdverhältnisse. Jeder wirkliche Stadtbürger hatte die Befugnis vom 22. November bis 22. Februar die Jagd auf Haarwild auf städtischem Gebiet auszuüben. Wenn nun auch der Gebrauch des Hundes, das Schlingenlegen, das Fangen oder Schießen von Federwild bei Strafe verboten war, so schwand doch durch diese Lizenz und den dabei unkontrollierbaren Unfug der Jagdertrag so, dass 1802 die 3 Revierjäger zusammen nur 2 Schweine (noch aus dem von den Franzosen 1796 zerstörten Schweinpark im Gramschatzer Wald verlaufen) , 5 Rehe, 222 Hasen, 27 Schnepfen, 30 Hühner und 90 Lerchen einlieferten – zur Verteilung an die Herren Bürgermeister und an die Glieder des innern Rats, die sich dabei aufvordenkliches Herkommen berufen.

Statt also die bedeutendste Einnahmequelle für die Stadtkämmerei zu sein, schloss das Forstamt mit bedeutendem Defizit ab und dieses würde noch größer geworden sein, wenn nicht ans Forstamt die Gemeinde Maßbach gült-, zins-, lehen- und handlohnpflichtig gewesen wäre, was jährlich etwa 600 Gulden abwarf. Diese Gefälle hat von der längst ausgestorbenen ritterbürtigen Familie Maßbach die Stadt Schweinfurt käuflich erworben. Die Kaufurkunde ging 1554 verlorenZum Schutz der Waldungen bestand eine "Wald- und Markungsordnung des heil. römischen Reichs freien Stadt Schweinfurt auf großgünstigen Befehl Eines Hochedlen und Hochweisen Magistrats daselbst zum offenen Druck gegeben 1741. 4". Der wohl erwogene Artikel 4 Tit. IV, der das Weiderecht der Bauern in jungen Schlägen verbietet, wurde aber später so wenig gehalten, als Tit. VII Art. 10, der das Jagdrecht  der Bürger auf Hasen im freien Felde  der Stadtmarkung beschränkt.

Zur Respizienz (Zuständigkeit) dieses Amtes gehörten auch 5 Teiche in nächster Umgebung der Stadt (jetzt=1862 trocken gelegt) und 7 bei Madenhausen, letztere waren um 20 Gulden verpachtet und dieser Ertrag wurde unter die Schulkollegen verteilt.

Über die Spitalwaldungen (siehe Punkt 55)

Die forstwirtschaftlichen Verhältnisse haben sich im Laufe der Jahre mannigfach geändert. Die Stadtwaldungen decken jetzt (1860) nur noch 3521,66 Tagwerk Fläche und sind in 18 Distrikte geteilt; dem in der Stadt wohnenden Revierförster sind 4 Waldaufseher (Stadt, Zell, Weipoltshausen, Madenhausen) zum Zwecke des Forstschutzes untergeben. Die Umwandlung der Mittelwaldungen in Hochwald ist angebahnt und zur Zeit sind 700,23 Tagwerk für Hochwald und 2821,23 für Mittelwaldung ausgeschieden und man beabsichtigt, eine allmähliche Überführung der noch vorhandenen Mittelwaldungen in Hochwald, wodurch der Ertrag des Forstes sich bedeutend steigern muss. Für Hochwaldungen sind jetzt (1860) drei Betriebsklassen angenommen: a) 120 Jahre für Eichen und gemischte Bestände, b) 90 Jahre für Nadelhölzer, c) 60 jahre für unvollkommen bestockte Mittelwaldung, die künstlich verjüngt und daher zu Hochwald übergeführt werden soll - für Mittelwald gilt eine Umtriebszeit von 30 Jahren. Der Stadtwald gibt zur Zeit nachhaltig 1120 Klafter Holz und 70000 Wellen.

Die Gemeinde Madenhausen hat ein Holzrecht auf 33 3/4 Klafter Brennholz und 60 Schock Wellen (Reißig), ferner bei Erbauung eines Hauses auf 4, eine Scheuer auf 2 Eichenschwellen, wobei die Gemeinde die Holzfabrikationskosten bestreitet. Pfarr-, Schul- und Besoldungsholz nimmt 123 3/8 Klafter Holz und 10 Schock Wellen in Anspruch; zu Beheizung des Rathauses und diverser Wachlokalitäten werden erfordert 60 Klafter Holz und 10 Schock Wellen. An die Kirchen und Schulen wird das erforderliche Holz gegen Bezahlung der Taxe verabreicht.  Ist nun auch noch das erforderliche Bauholz zu Stadt- und Uferbauten abgegeben, so bleiben noch etwa 850 Klafter und 52000 Wellen zur Versteigerung in freier Konkurrenz und nach Abzug von 5500 Gulden für Besoldung, Steuern, Hauerlöhne u. dgl. bleibt jetzt ein durchschnittlicher Reinertrag von 18000 Gulden.


34. Das Dorfvorsteheramt

Die 2 Forstherren waren auch Vorsteher der 3 zur Stadt gehörenden Walddörfer Zell, Weipoltshausen und Madenhausen. Vorsteher von Oberndorf waren die jedesmaligen 2 jüngeren Scabinen, die dieses Vorsteheramt nicht durch Abstimmung im Rat (siehe Punkt 17), sondern durch ihren Platz (Stuhl, daher Stuhlämter) überkamen.

Die 4 Dorfschaften standen in Beziehung auf Justiz und sonstige Landeshoheitsrechte unter dem Stadtrat, doch wählte sich unter dem Vorsitz der städtischen Dorfvorsteher jedes Dorf seinen Schultheißen. die Gerichtsmänner, Viertelmeister und Bauernmeister; und zwar wählten die Gemeindeglieder der Walddörfer zuerst die Gerichtsmänner und diese dann die andern genannten Dorfwürdenträger, die Oberndorfer wählten auch die letzteren unmittelbar. Diese Wahlen unterlagen dann der Bestätigung des Rates. In Oberndorf wurde alljährlich, in den Walddörfern alle 3 Jahre in Gegenwart der zwei Dorfvorsteher, des Unterbürgermeisters und eines Kanzlisten ein so geanntes "Gericht" gehalten, wo mit den Dorfwürdenträgern Gebrechen in der Gemeinde besprochen, dorfpolizeiliche Verfügungen getroffen und die Gemeinderechnung abgehört wurde. Diese in ihrer ursprünglichen Absicht löbliche Einrichtung sank nach und nach zur Zeremonie herab, die mit einem Schmause endete.

Geringfügige Klagen (bis zu 5 Gulden) und Injuriensachen wurden besonders auch an diesen Rugtagen von den Dorfvorstehern von kurzer Hand abgetan, in wichtigeren Zivilstreitigkeiten oder peinlichen Fällen hatten diese nur die Instruktion und trugen dann die Sache im Rate zur Entscheidung vor. War dabei ein Individuum, das nicht zu den Ratsuntergebenen gehörte, beteiligt, so wurde die Klage unmittelbar beim Rate angebracht.

Die niedern Dorfdiener (Schäfer, Flurer etc.) wurden vom Schultheiß und dem Dorfgericht angenommen.Die Pfarrer und Lehrer bestellte der Stadtrat ohne Zuziehung des äußern Rats oder der Achter, daher auch später dieses Hoheitsrecht an den Landsregenten überging.(siehe Punkte 16 und 51).

Die Dörfer waren alle mehr oder minder mit Gülten und Zehnten, mit Hand-, Spann- und Jagdfronden belastet, die teils noch das würzburgische Domkapitel, teils das hiesige Spital, die Deutschherrenkommende zu Münnerstadt, das städt. Bauamt und das Forstamt, der herzogl. Sachsenweimarische Pfarrer in Maßbach als Gerechtsame ansprachen. In der Beilage B zu Molitors Bericht gibt der Konsulent J.H. Stepf das Einzelne. Hier nur beispielsweise: Oberndorf entrichtete den Zehnten von seiner ganzen Markung ans würzb. Domkapitel; jeder Bauer von da, der 2 Pferde oder Ochsen besaß, leistete der Stadt jährlich 24 Stein- oder Holzfuhren, der Kühbauer 12; letztere mussten ferner den Werrnfluss fegen und sonst noch dem Rat 6 Tage im Jahr Handfrond leisten. Alle Oberndorfer waren überdies dem städtischen Forstamt zum Lerchentreiben verpflichtet, so lange es dauerte, und dem städt. Bürgerspital zwei Mal zum Hasentreiben auf der Sennfelder und Gochsheimer Markung und am Spitalholze, das Spital reichte dagegen dem Treiber 2 Pfund Brot.

Ähnliche Lasten trugen die Walddörfer.

Oberndorf war auch durch die Kriegsjahre tief heruntergekommen; 1799 liquidierte es dem Reichstage (natürlich vergeblich) einen Schaden von 109827 Gulden 33 Kreutzer ohne den Verlust in der großen Viehseuche.

 

35. Das Nachsteueramt

Seit dem 14. Jahrhundert hatten alle Reichsstände und Reichsstädte das kaiserliche Privilegium, von allem durch Auswanderung von Untertanen, oder durch Erbrecht Fremder, oder durch Schenkung aus ihrem Gebiet gehenden Kapital einen Abzug (detractus), Nachsteuer, Abzugsgeld genannt, zu erheben. Das Quantum war nach den Grundsätzen der Gegenseitigkeit verschieden; in der Regel wurden 10 % erhoben: doch begnügte man sich manchmal nach den genannten Grundsätzen mit weniger. Für die Stadtkämmerei waren die Gefälle dieses Amtes jedenfalls bedeutend, durchschnittlich etwa 1000 Gulden; im Jahr 1801 sogar 3520 Gulden 3 Kreutzer. Dagegen 1793 nur 392 Gulden 18 Kreutzer. Die Ausgaben erreichten meist 30 – 40 Gulden, wovon 20 Gulden dem Amtsträger (letzter: Bürgermeister Caspar Cramer) gebührte.

 

36. Das Handwerksgefällamt

Dieses Amt erhob a) Aufding-, Freisprech- und Meistergelder, b) Handwerksburschenstrafen, c) Dispensationsgelder für nachgelassene Wanderjahre. Obwohl nach städtischer Handwerksordnung (Schweinfurt, S. 46 f.) Art 36 Tit. II nur (körperl.) Unmöglichkeit ein Grund zur Dispensation vom Wanderzwang sein sollte, wurde doch diese Dispensation (Befreiung) sehr leicht erteilt und die Gebühren dafür waren für das Amt die ergiebigste Quelle. Sie allein lieferte 1796 214 Gulden, während der ganze Jahresertrag des Amtes 304 Gulden ausmachte. Molitor spricht sich wohl mit Recht tadelnd aus über die leichtfertige Befreiung von dem damals gewiss weislich allgemein bestehenden Wanderzwang. Der durchschnittliche Bruttoertrag des Amtes war nur 150 Gulden (1801 nur 74 Gulden); doch bezog der eine Amtsträger (1803 Senator Hahn) 20 Gulden; sonstige Ausgaben für Frühstück und Schreibmaterial betrugen 4 Gulden. 

37. Das Apothekeramt

Der Rat hatte 1412 an die Erwerbung und Einrichtung einer Apotheke 5000 Gulden aufgewendet - eine für jene Zeit ungeheure Summe; dafür war die Eine Apotheke im Rathauslokale selbst ein stadträtliches oder Kommunalmonopol. Ein Ratsapotheker oder Provisor, städtischer Offiziant, (der letzte, Herr Eichholz aus Frankfurt, war 1803 ein alter Herr, ledigen Standes) besorgte als bloßer Faktor des Rats mit zwei Gesellen, einem Lehrjungen und einer Magd das ganze Geschäft. In einem kleinen zur Apotheke gehörigen Garten, südöstlich von der Stadtziegelei, betrieb er den Anbau der unentbehrlichsten Arzneigewächse selbst, außerdem bezog er auf städtische Rechnung teils aus Frankfurt und Nürnberg, teils von Kräuterhändlern der Umgegend seine Materialien; auch den Ankauf von Holz, Kohlen, Gefäßen und sonstigem pharmazeutischen Geräte betrieb er gegen Verrechnung an die Amtsherrn. Er selber und sein Personal erhielten ihre volle Kost in Natura aus dem Spital, dem die Obereinnahme dafür 200 Gulden vergütete, - offenbar selbst für jene Zeiten viel zu wenig, da es sich um Speise für 5 Personen handelte. Außerdem erhielt der Apotheker 110 Gulden, der erste Gesell 78 Gulden, der zweite 66 Gulden, die Magd 17 Gulden. Zwei Ratsglieder (zuletzt Bürgermeister Joh. Casp. Cramer und Senator Dürbig) nahmen allmonatlich Einsicht von den Rechnungen und erteilten ökonomische Weisungen. Die technische Aussicht, die Prüfung der Materialsvorräte, die Bestimmung der Taxe gehörte natürlich in den Wirkungskreis des Physikus. Überdies zog derselbe alljährlich einmal sämtliche Ärzte bei zu einer Spezialuntersuchung der Apotheke und hörte deren Erinnerungen und Vorschläge. Am Schluss des Amtsjahres legten die Herren Amtsträger dem Gesamtrate Rechnung.

Man sollte nun wohl gleuben, eine Apotheke, die allein, ohne Konkurrenz (denn Landapotheken gab es noch nicht), für wenigstens 20000 Menschen den Arzneibedarf lieferte, würde der Stadtkämmerei etwas Erkleckliches abgeworfen haben, in einer Zeit, wo der Name Homoöpathie noch nicht bekannt war und die Ärzte große Gaben zu ordinieren pflegten, wenn auch der Physikus nur für wenige Artikel 99% Nutzen statuierte. Jetzt (1860) wenigstens müssen sich in den Abwurf 2 Apotheker, noch in Konkurrenz mit Landapotheken teilen und befinden sich mit ihren Familien nicht schlecht. Die Monopolapotheke warf durchschnittlich nur die fast lächerlich geringe Nettosumme von 1000 Gulden ab. Bundschuh vollends nimmt nur einen Reinertrag von 150 Gulden an. Die Administration beträgt außer den bereits aufgeführten Gehältern noch 120 Gulden für den Stadtphysikus; 80 Gulden für Visitationspräsente, Mahlzeiten und Douceurs (Freundlichkeiten), und nahe 100 Gulden für Regie.

38. Das Zinsamt

Mehr als drei Viertel der Äcker, Wiesen, Baumfelder, Weinberge der Stadtmarkung waren mit großem und kleinem Zehnt dem Stift Haug in Würzburg verpfändet. Letzteres musste dafür alle Real- und Personallasten der hiesigen St. Johanniskirche bestreiten. Einige Weinberge gaben Gült (Abgabe) an das Spital. Auf Grundzins, Getreidezehnten, Mostgülten, Herbst-,Martini- und Fastnachtshühner hatten in den Dörfern mehrere Lehensherren teilweisen Anspruch, namentlich das hiesige Spital, die Stadtkämmerei, das Juliusspital und das Domkapitel in Würzburg, die Münnerstädter Deutschordenskommenturei, der Pfarrer in Maßbach, das hiesige Kirchenamt. Genauen Nachweis der einzelnen Beträge gibt der Rb. 1803, S. 144 - 158 und die Lehenbücher der Stadt und der Dörfer waren damals noch in bester Ordnung. Die zuerst erwähnten Rechtsansprüche des Stiftes Haug, so wie den Gebrauch von Zehnthof, Zehntkeller, Scheuer und Geschirr, hat schon 1562 und noch einmal am 12. Oktober 1660 der Rat der Stadt durch ewigen Verleigungsvertrag um 1400 fränk. Gulden = 1750 rheinl. Gulden abgepachtet, und die Bestreitung der hiesigen Kirchenbedürfnisse übernommen, da die Erhebung des Naturalzehnts auf hiesiger Markung zu mancherlei Reibungen Anlass gab. In Bergrheinfeld hatte die hiesige Stadt einige Gült- und Handlohnansprüche. Zur Erhebung aller derartigen Renten bestand nun das Grundzinsamt, das nach abzug obiger Pachtsumme im Durchschnitt jährlich 600 - 800 Gulden, im Jahr 1800  sogar 1330 Gulden abwarf, was natürlich durch Kauf-, Besteh- und Todfallhandlöhne sich besonders regulierte. Der Amtsträger war ein Bürgermeister gegen ein Salär von 12 Gulden; die sonstigen Administrationskosten betrugen 30 Gulden.

"Bis 1851 incl. wurde der große und grüne Zehnt unmittelbar von den zehntpflichtigen Grundstücken in natura entnommen. Nach Erkenntnis der königl. Fixationskommission (d. d. 9. Okt. 1851) wurden als Fixum festgesetzt 51 Gulden 4 1/2 Kreutzer bar, 148 Schäffel 4 Mtz. Gerste, 148 Schäffel 5 15/16 Mtz. Weizen. Dieses Fixum wurde der Ablösungskasse des Staats überwiesen und der Stadtgemeinde (Protokoll v. 26. Mai 1854 und Quittung v. 25. Mai 1854) hierfür eine Entschädigung von 72478 Gulden 22 1/2 Kreutzer geleistet, davon aber 34950 Gulden zur Ablösung des an das Rentamt vom Zehnt zu leistenden Passivreichnisses zu 1747 Gulden 55 1/2 Kreutzer verwendet und der Rest zu 37528 Gulden 22 1/2 Kreutzer der Stadtkasse in Staatsobligationen zu 4 % ausgehändigt.

Das an das königl. Rentamt vom Zehnt zu leistende Passivreichnis ist das früher dem Stift Haug bezahlte Gegenreichniss von 1400 fränk. Gulden = 1750 rheinl. Gulden, welche sich in Folge einiger Ablösungen auf die eingesetzte Summe von 1747 Gulden 55 172 Kreutzer reduzierten. 

Das Stift Haug wurde bei der Einverleibung Würzburgs säkularisiert und in Folge dessen ist das mehr beschriebene Reichniss ( geschuldete oder freiwillig gegebene Abgabe oder Naturalleistung ) an die Staatskasse übergegangen. Das unständige Weinzehntgeld wurde durch Fixierungsvertrag (26. September 1851) mit einem jährlichen Zehntfixum von 178 Gulden 44 1/4 Kreutzer in eine ständige Rente umgewandelt.

Die der Stadtgemeinde auf hiesiger Markung zustehenden übrigen Gefälle (Abgaben), als 10634 Gulden 38 Kreutzer Handlöhne, 114 Gulden 56 1/2 Kreutzer Kleinzehnt von Krautfeldern und Wiesen, 292 Gulden 51 1/2 Kreutzer Grundzinse von Häusern, Äckern usw. wurden durch Sitzungsbeschluss des Magistrats vom 6. März 1860 der Ablösungskasse des Staates überwiesen. Die Verhandlungen über die Entschädigungssumme sind noch schwebend." Schultes

39. Das Grundzinsamt

Im Januar 1772 wurde auf Vorschlag der Walddeputation, besonders des Gärtners Christoph Bauer, die so genannte Hard (=Bergwald, vgl. Harz) (Anmerkung: heute Statdtteil Haardt), ein früher bewaldeter, damals aber abgetriebener und nur als magerer Hutplatz benützter Bergabhang, gegen Norden der Stadt, 118 Morgen, urbar gemacht und in ganz kleinen Parzellen gegen Grundzins von 1 Gulden bis 1 Gulden 30 Kreutzer auf den Acker an die Bürger verteilt. Natürlich sollte man glauben, dass der dadurch anfallende Grundzins, ständig 112 Gulden 17 Kreutzer 1 Pfennig, zum Zinsamt überhaupt fiele; gleichwohl war dafür ein eigner Rechnungsleiter bestellt. Seine Rechnung , eine Folioseite betragend, wurde mit 4 Gulden honoriert.

40. Das Weinamt

Der Stadtrat trieb früher nich nur Holzhandel (siehe Punkt 31) und Salzhandel (siehe Punkt 30), sondern auch Weinhandel, der jedoch nicht viel abgeworfen haben mag. Der weinherr, Scabinus Hotz erhielt 1789 zwar bei der Jahresrechnung Ratsdank für seine Verwaltung, doch sei dem Ratsbüttner zu bedeuten, dass er künftighin nicht so viele Unbefugte in den Keller mitnehme, auch nicht selbst nach Hause trage und nicht übermäßige Traktamente (Bewirtungen) im Keller gebe (Ratsprotokoll 1789, S. 616). Vom Januar 1787 -1795 rentierte das Amt gar nichts; als nun vollends 1796 die französische Invasion das städtische Vermögen aufzehrte und eine Schuldenlast von fast einer halben Million im Gefolge hatte, da wurde 1797 auch der ganze im Ratskeller lagernde Weinvorrat um 3182 Gulden verkauft und der Handel aufgegeben. Gleichwohl blieb das Amt, dessen Wirkungskreis nur darin bestand, 120 Gulden Mietgeld für den leeren Keller zu erheben, ferner 262 Gulden aus der Obereinnahme; davon waren an Geistliche und einige weltliche Bedienstete für nicht mehr  in natura abgereichten Bestallungswein 287 Gulden zu zahlen und 80 Gulden wurden als Ersatz für abgehende Weinpräsente und Mahlzeiten bezahlt. Die Administrationsgebühr betrug 45 Gulden 18 Kreutzer 4 Pfennig.

41. Das Zehntbestandamt

Zur Erhebung des Naturalzehnts war ein eigner Beamter bestimmt, gewöhnlich ein Bürgermeister, Getreideherr genannt; neben diesem fungierte noch ein Senator als Inspektor. Beide Ämter erscheinen neben dem Zinsamt völlig überflüssig. Die eigentliche Arbeit hatte der Zehntkeller und seine drei Knechte. Diese besorgten Einheimsung und Aufbewahrung des Naturalzehnts im Zehnthof, der erst 1828 angebrochen wurde. Auf seiner Stelle stehen jetzt das Bezirksgericht und das Landgericht. Das Zehntbestandamt ergab in den letzten 10 Jahren des 18. Jahrhunderts einen Reinertrag von 1000 - 2000 Gulden fürs Jahr, je nach den Schwankungen der Fruchtpreise. Die stadträtlichen Amtsträger erhielten je 10 Gulden; der Zehntkeller 70 Gulden und freies Quartier im Zehnthofe.

42. Das Mühlen- und Getreideamt

Nirgends hat die Stadt Schweinfurt selbst größere Umgestaltung erfahren als an seiner Mainseite. Man hat schon jetzt (1860) Mühe, sich zu vergegenwärtigen, wie dieselbe etwa 1830 gestaltet war. Das damalige Mühlwerk galt für ein weithin bewundertes Meisterstück menschlichen Scharfsinnes. Mag nun immerhin die Meinung der Bürger über den Ertrag der Mühlwerke zu hoch gegriffen gewesen sein (stündlich 1 Dukaten), so konnte doch jedenfalls dieser bei einigermaßen zweckmäßiger Ausnützung für die Stadtkämmerei bedeutend werden. Allein der Rat betrieb die Mühle auf Kommunalrechnung, besoldete 3 Mühlermeister mit ihren Knechten und Lehrburschen, dazu zwei Mühlschreiber, die allmonatlich dem Mühl- und Getreideamt Rechnung stellten und die Mitze ablieferten.


Das vorstehende Aquarell aus dem Jahr 1787 zeigt im rechten hinteren Bereich, rechts neben dem Tor beginnend, die Müller-Wohnung, den Eingang zur Mühle und die Mühlschreiberwohnung - in der Mitte das Tor zur Staubbrücke (nun Maxbrücke) - bitte vergrößern!
Das vorstehende Aquarell aus dem Jahr 1787 zeigt im rechten hinteren Bereich, rechts neben dem Tor beginnend, die Müller-Wohnung, den Eingang zur Mühle und die Mühlschreiberwohnung - in der Mitte das Tor zur Staubbrücke (nun Maxbrücke) - bitte vergrößern!

Letztere betrug bei Bäckern einen kleinen Bruchteil mehr, als bei anderen bürgerlichen Mahlgästen; bei letzteren, wie noch jetzt, den sechzehnten Teil; von 5 Maltern wurden nur 4 vermitzt; von den Bäckern wurden für den Malter 4 Pfg. Waaggeld bezahlt, von anderen Bürgern die Hälfte; Weizen zu schroten kostete die Hiesigen 14 Schillinge, Fremden 1 Gulden. In ähnlicher Weise bestanden feste Taxen für das Rändeln der Gerste, für Gewürzmahlen, für Lederwalken, für Tuchwalken. Im Jahr 1802 wurden 9759 Malter Getreide gemahlen und 1600 Malter geschroten. Die Mitze allein musste über 600 Malter betragen haben.

Für alle diese Renten waren zwei Ämter bestimmt, die 2 gesonderte Rechnungen führten.

Das Mühlamt kassierte alle Bareinnahmen und lieferte ans Bauamt den Reinertrag ab, der nach Abzug der Gehälter für Müller und Offizianten und der Regieausgaben übrig blieb. Dem Bauamt fielen dagegen die Reparaturen zu. Während die Reineinnahme sich auf etwa 2200 Gulden belief, kamen ans Bauamt etwa 1000 Gulden. Im Januar 1795 kamen von 1279 Gulden Nettoeinnahme nur 15 Gulden ans Bauamt. Außer dem erwähnten Subalternpersonal fungierten bei dem Mühlamt zwei Senatoren; der zweite vereinnahmte die Geldbeträge von den Mühlschreibern, der erste fungierte als Gegenzeichner.

An das Getreideamt, das ein Scabinus und ein Senator zu verwalten hatte, lieferten die Mühlschreiber die Mitze in natura ab; diese wurde für etwa eintretende Teuerungsjahre aufgespeichert; und noch durch Ankauf vergrößert, um so mehr, da davon 200-270 Malter an geistliche und weltliche Bedienstete gereicht werden mussten. Die Administrationskosten für die Amtsträger, Offizianten und Regie betrug 1802 120 Gulden. der Überschuss, der dem Oberamt hätte zu gut kommen sollen, betrug in den letzten 4 Jahren nichts; wohl aber musste die Kommune durchschnittlich 200 Gulden zuschießen. 

Die Rechnungen der letzten 20 Jahre (1781 - 1800) ergeben, dass die Stadtkasse aus diesem wichtigen Werk nur sehr geringen Vorteil gezogen hat (Einnahme 24792 Gulden, Ausgabe 19518 Gulden). Die unmittelbare Administration des Rats wurde durch zahlreiches Personal teuer, dazu fehlte genauere Aufsicht. War auch das Gehalt der Müller gering, so haben doch alle, wenn sie als blutarme Mühlknechte eingezogen waren, sich während ihrer Dienstzeit beträchtliches Vermögen erworben. Molitor denkt daher schon 1803 an Verpachtung; allein vorher seien mancherlei Reparaturen nötig. Die Mühle sei in ihrer Anlage als Hängewerk, das bei seichtem und tiefem Wasser fast gleich kräftig arbeitet, vortrefflich (die hochfürstlich Bambergische Regierung requirierte noch 1792 zum Bau einer Mühle einen Kunstverständigen aus Schweinfurt); allein die Reparatur werde seit langer Zeit vernachlässigt, die Schneidemühle und das Sägewerk sei in elendem Zustand, das Mahlprodukt schlecht. Viel vom hiesigen Mehlbedarf werde daher auf den Dörfern gemahlen, da die Stadtmühle kein Zwangsrecht besitze.

Unter mancherlei kleinen Nachhilfen dauerte so das werk noch 38 Jahre. Erst 1840 wurde der längst nicht mehr zeitgemäße Bau eingelegt und von 1840 bis 1846 ein Neubau eingeführt, der diesen ganzen Stadtteil umgestaltete. Eiserne Maschinen neuester Technik aus der Schweiz bezogen, verarbeiten jetzt (1860) täglich wenigstens 60 Schäffel Frucht zu einem in weiten Kreisen gesuchten Handelsgut, und liefern der Stadtkasse einen jährlichen Pachtertrag von 15 - 19000 Gulden. Bessere Raumbenutzung machte, freilich mit einem Gesamtaufwand von 223145 Gulden, noch den Bau einer Baumwollspinnerei, einer Loh-, Schneid-, Walk- und Schleifmühle auf demselben Raum möglich und auch damit ist die wasserkraft noch nicht ausgenützt, so dass nach einigen Jahren dieselbe der Stadt wohl 30000 Gulden eintragen wird, abgesehen von den Ansprüchen eines Tilgungsplans für die allerdings jetzt (1859/60) noch 16771 Gulden betragende Bauschuld. der Nettoertrag erreichte 1859/60 die Summe von 19725 Gulden.



43. Das Bauamt

Der Name lässt jedermann schon erraten, dass hier mehr von Abgaben, als von Überschüssen die Rede sein wird. Ein Bürgermeister und ein Senator fungieren als Amtsträger, letzterer als Rechnungssteller, ersterer als revidierender Kontrolleur. Die Einnahmen fließen aus folgenden Quellen: a) Chausseegelder, durchschnittlich etwa 750 Gulden b) Die Waaggebühren. Seit 1362 besaß nämlich die Stadt ein Zwangsniederlagsrecht. Alle Waren von Meßfiranten, alle von hiesigen Bürgern von außen her bezogenen Waren, alle Exportartikel hiesiger Bürger mussten in der Stadtwaage gewogen werden. Das alles, schreibt 1803 der Rat, geschieht zur Beförderung des Gewerbes und zur Sicherheit des Handels. Sonderbarer Weise zahlte der Fremde weniger Waaggebühr als der Bürger. Eine "Waagordnung der reichsfreien Stadt Schweinfurt 1774" 4. bestimmt Tarif und Verfahren auf's genaueste; aber Unterschleif aller Art (Ratsbericht S. 93) blieb nicht aus und trotz später eingetretener Erhöhungen betrugen die Waaggelder nur 600-800 Gulden, wovon der Waagmeister 126 Gulden Gehalt in Anspruch nahm. c) Pflsterzoll, etwa 800 Gulden betragend (1860 war derselbe um 5960 Gulden verpachtet); von jeher, wie noch jetzt, wurde diese Abgabe nur von fremdem Fuhrwerk erhoben.  d) Kesselabgabe der Bierbrauer (Siehe Punkt 25) 400 - 500 Gulden  e) Mietzinse aus einigen der Stadtgemeinde gehörigen Häusern und Räumen 80 - 90 Gulden (1860 1200 Gulden 45 Kreutzer)  f) Markt- und Messgelder, 1803 etwa 50 Gulden, - von Molitor nicht in Ziffern bestimmt; 1859/60 188 Gulden; aber der Pflaster- (Tor-) Zoll, Brückenzoll und die Markt- und Messgelder zusammen ergaben im Jahr mit der Quote 1859/60 8220 Gulden. In Folge des Brückenbaues 1850 ist der Brückenzoll erhöht.  g) Die städtische (damals einzige) Ziegelei (am Fußpfad vom Mühltor zum Bahnhof) seit 1808 in Privatbesitz, warf jährlich etwa 800 Gulden ab, wovon der Ziegler 170 Gulden für seine Jahresarbeit erhielt; überdies sorgte das Stadtbauamt für Beischaffung des Rohmaterials.  h) Obsterträgnisse, etwa 50 Gulden. Ums Jahr 1792 wurde nämlich die Obstallee um die Stadt angelegt, deren Strichanfall ins Bauamt fallen sollte (1860 nur 44 Gulden, 19 Kreutzer)  i) Floßzoll, etwa 400 Gulden und 90 Schock Bretter (siehe Punkt 29 und 56)  k) Erlös aus unbrauchbaren Baumaterialien und waren.  l) Überschüsse des Mühl- und Getreideamtes (siehe Punkt 42)

Die ganze Einnahme des Bauamtes betrug zwischen 7000 und 9000 Gulden. Doch darauf lasteten bedeutende Ausgaben. Zahlreiches Personal war dabei ständig beschäftigt; Mödlermeister, Waagmeister, Zöllner, Wehrmeister, 3 Müller, Mühloffizianten; dazu noch ständig Knechte und Taglöhner. Die Handwerkerkonti betrugen über 4000 Gulden. Dazu rechne man den Materialwert von Holz und Steinen, die Haltung von 6 Bauamtspferden nebst Knechten, die Administrationsgebühren, den Ankauf von Fischbrut und Fischen für die durch Herkommen eingeführten Fischpräsente, so ergibt sich eine Ausgabe von 7000 - 9000 Gulden, so dass in den letzten 10 Jahren nur je 200 Gulden durchschnittlich zur Obereinnahme kamen.


44. Das Restantenamt

Das überflüssigste aller Stadtämter; gleichwohl waren 2 Glieder des äußeren Rats gegen ein Gehalt von je 6 Gulden damit betraut und beauftragt, Bürger oder sonstige Untertanen, die mit Bede oder Steuer oder sinst einer Abgabe in Rückstand blieben, zu requirieren und die Reste an die Obereinnahme azuliefern. Warum die treffenden Ämter so lange Reste duldeten, warum sie dieselben nicht selbst eintrieben, das begriff freilich schon Molitor nicht.

 


45. Die Obereinnahme

Die Rentenüberschüsse aller dieser Ämter kamen zur Obereinnahme. Diese bestritt davon:

a) alle Ausgaben einzelner Ämter, zu denen die Einnahme derselben nicht ausreichte.

b) Besoldungen der Ratsglieder und der juristischen Agenten (Punkt 15)

c) Verzinsung der Stadtschuld und Rückzahlung etwa gekündigter Kapitalien.

d) Recihslasten (Römermonate, Kammerziele) und Kreislasten.

e) Kriegsausgaben

f) Stipendienzahlung. Gesuche in diesem Betreff wurden in "untertänig demütiger Form" an den Rat gebracht, von da der Obereinnahme zur Begutachtung übergeben und dann im Rat definitiv entschieden.

Für die Obereinnahme waren bestellt 2 Bürgermeister und der eigentliche Perzipient und Rechnungsführer unter dem Titel Obereinnahmsadjunkt.  Die üblichen Präsente und Verehrungen erreichten fast 300 Gulden.

Sämtliche Ämterrechnungen wurden an bestimmten Terminen unter Beiziehung des Zusatzes und der Achterherren zur Revision vorgelegt. Erinnerungen, Anträge und Abschaffung offenbarer Missbräuche kommen selten (Punkt 40) vor. Die gewöhnliche Schlussformel des Revisors, mesit des mit beteiligten ersten Amtsträgers lautet: " Die Rechnung ist in calculo richtig, auch im übrigen ist nichts zu erinnern". Diesem Revisionsnotat schloss sich der Rat an und das ganze endete in einer Mahlzeit.


46. Sonst und jetzt

Zur Erleichterung der Übersicht möchte man gerne alle hier aufgezählten Einnahmequellen mit den jetzt der Stadt zu Gebot stehenden Mitteln zusammenstellen und damit die Leistungen der Bürger an den Staat verbinden; allein durch mehrfache Änderung der Posten ist diese Aufgabe nur teilweise lösbar geworden. Die von Punkt 23 bis 45 aufgeführten Einnahmeposten ergeben eine Summe, die sich zwischen 16000 und 18000 Gulden bewegt (- 600 Gulden Defizit des Forstamtes), Sixt (SHT) nimmt eine Gesamtsumme von 29000 Gulden an, deren Einzelposten er indes nicht angibt. Wie aus den erwähnten Punkten selbst ersichtlich ist, lassen sich die Erträge mesit nur in sehr flukturierenden Rundsummen geben, was für die gleich folgende Tabelle im voraus bemerkt wird. Die Stadtkämmereirechnung 1859/60 schloss nach Abzug der außerordentlichen Einnahmeposten (z.B. Bestand vom Vorjahr, eingegangene Ausstände, verkaufte Vermögensteile, Staatszuschuss) mit einer weit größeren Summe ab, nämlich mit 95548 Gulden, und doch hat die Stadt Grund-, Haus- und Gewerbesteuer, Kapitalrenten- und Einkommensteuer, Landzoll und Salzmonopol an den Staat abgetreten und Judenzoll, Bretterhandel, Apothekenmonopol, Grundzinse, Weinhandel, Waaggelder, Ziegelfabrikation aus anderen Gründen verloren. Auch Almosensteuer wird nicht mehr bezahlt. So ergibt sich denn in allerdings meist nur annähernden Pauschalsummen, die jetzt teils in Staatsärar, teils in die Staatskämmerei fließen, folgende:

                                                                                          1803       18 59/60

1) Bede (Haus-, Grund- und Gewerbesteuer (Punkt 23)   3996       24300       

2) Steuer (Kapitalrenten- u. Einkommensteuer (Pkt. 24)   5520         5600

 

3) Gemeindeumlagen u. Aufnahmegebühren (27 u. 32)   1000         8136

 

4) Landzoll                                                                         2100            ?

 

5) Floßzoll ( Pkte. 29, 42, 55)                                              400         2800

 

6) Brücken u. Pflasterzoll                                                    800         8333

 

7) Malzaufschlag                                                                  -           31056

 

8) Umgeld und Eintrag des Brauhauses                           5041         6768

 

9) Waag-, Mess- und Marktgebühren                                 750         5324

 

10) Datz und Akzise (Pkte. 26 u. 29)                                1533         8920

 

11) Almosensteuer                                                              800            -

 

12) Nachsteuer                                                                  1000           -

 

13) Handwerksgefällamt                                                    1000           -

 

14) Lottto                                                                               -              ?

 

15) Ertrag der Kommunalwaldungen (33)                           600       18000

      Überschuss der Spitalwaldungen                                    -           1200

 

16) Mühlwerke                                                                   1527      21725

 

17) Zins-, Grundzins-, Wein- u. Zehntbestandamt

      (Punkt 38), jetzt Grundrentenalösungspapiere            1359       5535

 

18) Jagdpacht                                                                       -             154

 

19) Pachtertrag v. Gebäuden, Grundstücken und

      Mietsanschläge                                                               -            2102

 

20) Salzmonopol                                                                    80           ??

 

21) Brettermonopol                                                                 80            -

 

22) Ziegelfabrikationsmonopol                                                80           -

 

23) Monopolapotheke                                                          1000          -

 

24) Gaswerk                                                                            -            ??


Anmerkungen zur Tabelle:               

Bei den Zahlungen zu 1803 sind fränkische, bei 1860 rheinische Gulden angenommen!

Zu 1) -3) Bede und Steuer erhebt jetzt der Staat unter den beigeschriebenen Titeln und zwar zahlte 1859/60 die Stadt 3200 Gulden Grundsteuer, 3.500 Gulden Haussteuer, 8.700 Gulden Gewerbesteuer, 4.500 Gulden Kapitalrentensteuer, 1.100 Gulden (meist von Besoldeten getragene) Einkommensteuer; dazu 2300 Gulden Beischlag von sämtlichen Steuern und 2.200 Kreisumlage; - Oberndirf in Summe 2.300 Gulden, Weipoltshausen 900 Gulden, Zell 650 Gulden, Madenhausen 550 Gulden. - Die Gemeinde erhebt a) Aufnahmegebühren, sonst etwa 1000 Gulden jetzt etwa 750 Gulden b) Gemeindeumlagen, 2 Simpla der Grundsteuer (Simplum = einfacher Steuersatz), 2 Simpla der Haussteuer und 1/6 der Gewerbesteuer betragend, 1859/60 in Summa 7.413 Gulden 56 Kreutzer.

Zu 4) Als in den hiesigen Zuckerraffinerien noch Kolonialzucker raffiniert wurde, lieferte der hiesige Platz über 300.000 Gulden in die Zollvereinskasse, jetzt kaum den zehnten Teil.

Zu 14) Die hiesige Lottokollekte lieferte 1860 dem Inhaber einen Tantiemenbezug von etwa 1.800 Gulden.

Zu 24) Die Solidität des Tilgungsplans erscheint gesichert und die starke Beteiligung der Einwohnerschaft sichert später der Kommune jedenfalls eine Rente.

 

Über die Ausgaben der Reichsstadt sind vollständige Mitteilungen, die eine Bilanz möglich machten, aus begreiflichen Gründen nicht mehr zu geben; existiert doch nicht einmal ein Nachweis der Gehälter des Rats und der Offizianten. Manches bieten allerdings die Punkte 23 ff. und die RP.; aber letztere erzählen auch in ganz unbestimmter Weise von Herrenmahlzeiten und Douceurs, von Unterschleifen, von Wein- und Fischpräsenten an durchreisende Größen, von bezahlten Wirtszechen für dieselben. Die Reichsleistungen waren sehr wechselnd, je nach Bedürfnis des Reichs. Jedenfalls waren die Forderungen an die Bürger mäßig, wie deren Kräfte, welche letztere besonders nach der französischen Invasion durch enorme Zinsforderungen (Punkt 22 und 24) über Gebühr in Anspruch genommen waren.

Die Kriegsjahre zu Anfang des 19. Jahrhunderts nötigten zu klügerer Ausnützung der vorhandenen Hilfsquellen, zu erhöhter Inanspruchnahme der Steuerkraft, wie anderwärts so auch hier, und die im darauf folgenden langen Frieden sich hier entwickelnde Handelstätigkeit gestattete einen vorher nie geahnten Umschwung der städtischen Verhältnisse. Mit den Mitteln der Kommune wuchsen aber auch die Ansprüche des Staats und der Bürgerschaft selbst. Der eingangs erwähnten jetzigen ordentlichen Einnahme steht eine ordentliche Ausgabe von 95.093 Gulden 24 Kreutzer gegenüber. Die Stiftungsrenten und deren Verwendung bleiben dabei außer Ansatz. Zu öfter angeführter Territorialschuld kam eine große, jedenfalls von der Stadt allein zu tragende Bauschuld. Ein neuer Mainbrückenbau war 1825 ff. von Staatsbautechnikern mit schweren Kosten so meisterlich geführt, dass das werk schon nach 32 eingelegt werden musste. Die neue eiserne Maxbrücke kostete 56.367 Gulden. Die steinerne Marienbrücke über den zweiten Mainarm wurde schon 1851 bis 1854 mit einem Aufwand von 140.000 Gulden unter sehr ungünstigen Elementarverhältnissen gebaut. Über die neuen Mühlwerke siehe Punkt 42 am Ende. Das Gaswerk nebst Leitung und Armierung kostete 125.000 Gulden, die Gewerbeschule 42.350 Gulden; zwei Volksschulgebäude werden bis zur Vollendung 45.000 Gulden kosten. Zur Tilgung eines Teils dieser Schulden kontribuiert die Staatskasse (zur Gewerbeschule mit jährlich 1000 Gulden); für die Brückenbauschuld ist der Bierpfennig verwilligt. Die Tilgungsmittel für Mühlbauten und Gaswerk liegen in den Renten dieser Werke, so dass die Stadt, wenn Krieg oder Lokalunglück ferne bleibt, in einem Menschenalter sich eines völlig geordneten Finanzzustandes erfreuen wird, der auch weiteren Forderungen der Zeit (ausgiebige Wasserleitung, neuer Gottesacker, Kongrualbeitrag zu einer Brücke über den Sennfelder see, bedeckte Schranne (?)) zu genügen im Stande sein wird.

47. Sonstige Ämter

Als in Folge des dreißigjährigen Krieges und der Einquartierungen noch im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts (Ludwig XIV. gegen die Niederlande und gegen die Pfalz) die Stadt mit ihren Reichsleistungen im Rückstande blieb und mit militärischer Exekution belegt werden sollte, erreichte der Rat durch zweckmäßig in Bamberg und Nürnberg (Kreisdirektorium) angebrachte Speziesdukaten, dass eine Kreiskommission 1697 nach Schweinfurt kam. Die beiden Geheimräte Stang und v. Staudt nahmen unter dem Versprechen gegenseitiger Verschwiegenheit aus der erschöpften Stadtkasse 300 Gulden Verehrung (?) an, ließen auch ihre Offizianten und Diener beschenken und ordneten nun die Angelegenheiten der Stadt so vortrefflich, dass auch der Reichskanzler Graf Kaunitz in Wien seine Genehmigung erteilen konnte, wofür die arme Kommune 400 Speziesdukaten Douceur als Dank an den Grafen nach Wien sandte. Waren doch der Stadt dadurch über 30.000 Gulden erhalten.

Bei dieser Untersuchung legte nun der Rat alle seine Hilfsquellen vor, nämlich die meisten der von Punkt 23 an genannten Ämter, deren Ertrag unter solchen Umständen ganz geringfügig erfunden wurde. Mehrere fehlen in dieser Vorlage ganz, weil sie teils (Punkt 33) Barsummen nicht eintrugen, teils überhaupt noch nicht bestanden (Punkt 39), teils keine Überschüsse hatten (Punkt 44). Aus diesen Gründen hat wohl auch Molitor mehrere andere Ämtchen übergangen, weil ihre Rente sich mit Gehalt und Regie ausglich, oder gar nur Ausgaben hatte, die von der Obereinnahme erhoben wurden. Vor mir liegt aus dem jahr 1707 eine "leichtfertige, wahrhafte Beschreibung aller und jeder hohen und niedern Beamten und Bedienten der heil. röm. Reichsstadt Schweinfurt, welche alle mit viel oder wenig wollen besoldet werden und sich alljährlich vermehren, ohne diejenigen die mir jetze nicht beifallen;" in dieser "Designatio regiminis Suinf." sind 44 Ämter verzeichnet, die sich unter die Herren des innern und äußern Rates und des Achterstandes verteilten.

Das Kirchen- und Schulamt lag auf den Schultern des Seniors im Bürgermeisteramt und eines Senators. Beide präsidierten im Konsistorium, welches jedoch nicht als ständiges Kollegium bestand, sondern nur zusammentrat, wenn der Rat ein Gutachten bedurfte. Die ständigen Assessoren waren dann die beiden Konsulenten, zwei Scabinen und ein Senator und das gesamte "geistliche Ministerium," d. i. die 5 ordentlichen Geistlichen. Besonders Ehesachen gehörten zum Wirkungskreis des Konsistoriums.

Auch das Steinsetzer- oder Untergängeramt war nur eine zeitweise Funktion. Zwei Bürgermeister nämlich, ein Konsulent, 4 Bürger aus dem Bauernstand (siehe Punkt 3)., drei geschworne Werkleute und der Stadtknecht hielten alljährlich den großen Untergang (anderorts auch Umgang oder Übergang genannt), d.h. eine genaue Besichtigung der Marksteine auf der Markung der Stadt selbst und der Dörfer, wobei Förster und Flurer ihnen als Auskunftspersonen dienten. In der Stadt selbst nahm der Untergang Kenntnis von Bauschäden und reformierte oder genehmigte Neubauten.

Das Wachamt bekleidete ein Scabinus (Oberwachherr) und ein Senator (Unterwachherr); sie referierten als Armeeministerium im suoveränen Rat und hatten natürlich im letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts (18. Jahrhundert) eine kostbare Tätigkeit zu entwickeln, wo die Schweinfurter Miliz (Punkt 42) im Felde stand.

In enger Verbindung damit war das Kommissamt und das Quartieramt, im Frieden in einer Person vereinigt, bei Einquartierungslasten getrennt; letztere nach dem Steuerfuß reguliert; wohl beide nur unter eintretenden Umständen wirklich aktiv.

Das Obervormundschaftsamt war ständig in den Händen zweier Bürgermeister; die Vormünder übergaben an diese das bare und sonst bewegliche Vermögen ihrer Mündel und das vom Obervormundsschreiber gefertigte Inventar. Die Amtsträger stellten jährlich Rechnung.

Das Kasten- und Lazaretamt, von einem Scabinuns und einem Senator gegen eine Remuneration von 128 Gulden administriert, besorgte das städtische Armenwesen (siehe Punkt 55). Ein Senator und ein Bürgermeister verwalteten das Hospitalamt mit seinem reichen Stiftungsvermögen und führten die Oberaufsicht über 27 Spitalbedienstete, teils hier, teils auf dem Ökonomiegut Deutschhof. (siehe Punkt 55). Die Waagordnung vom Jahr 1744 verlangt, dass fast alle Importartikel, ehe sie dem Käufer oder Besteller zukommen, in der Waage außer der oben, Punkt 43, b) erwähnten Bestimmung noch weiter auch nach ihrer Qualität besichtigt, Leder- und Tuchwaren dann gestempelt werden.

Die Oberaufsicht führte das Siegel- und Tuchamt

Weil 2 Zusätzer allmonatlich das Gewicht des Brotes kontrollierten, so gab  es ein Brode- und Weckwägeramt.

Das Justiramt (Justieramt) (im Erdgeschoss des Hauses Nr. 157 B in der Brückengasse) verglich unangemeldet von zeit zu Zeit die vorhandenen Gewichte und Maaße und approbierte neue. Ein Zusätzer und Achterherr bildeten das Feuerstättbesichtigeramt, ein Senator und ein Zusätzer das Marktmeisteramt, auch Stättamt genannt. Vom Helfamt im Konkursprozeß war schon in Punkt 19 die Rede. Selbst das Torschließeramt lastete auf 4 Herren des Rats. Überhaupt machte der Sprachgebrauch hier aus vielen einzelnen Amtsverrichtungen ein eignes besonders bezahltes Amt, welch letzteres Wort dadurch eine so singuläre Bedeutung  hier erhielt, wie in Hamburg, wo ein Schneideramt, ein Fleischeramt usw. besteht. In den ersten Sitzungen nach dem Luzientag (siehe Punkt 15) fand die Verteilung der erledigten Ämter statt.

48. Gemeiner Stadt Bediente außer Raths

In der vorhin erwähnten Designatio regiminis etc. werden unter die Bedienten auch die Geistlichen, der Rektor und ie Professores gezählt. Bundschuh spricht nicht von Bedienten, sondern von Reichsoffizianten. Die Ratsprotokolle aber lassen bis in die letzte Zeit städtischer Reichsunmittelbarkeit den Rat in den ersten Sitzungen nach St. Luzia über die Bedientenannahme deliberieren (=beratschlagen), doch bleibt dabei die Geistlichkeit und die Ratskanzlei, 1 Sekretär, 2 Kanzlisten, 1 Archivar, 2 Rechnungsrevisoren, 1 Obereinnahmsadjunkt und 2 Vormundschreiber, deren Vorsteher die Konsulenten sind, ferner der Physikus außer Erwähnung, da diese Stellungen als definitive gelten. Alle übrigen "Bedienten" oder "Offizianten" scheidet Bundschuh in Studierte und Unstudierte. Zu ersteren gehörte der Botenmeister, d.i. Expeditor, expedierender Kanzleisekretär, der Bisierer, der Spitalkeller, der Zehentkeller, die 2 Mühlschreiber, der Zöllner und der Mödlermeister (der ist Aufseher der "Mödler, Bauhandwerker und Bauamtstaglöhner. Molitor und Bundschuh nennen den Mödlermeister auch Baudirektor, jedenfalls bekleidete er die Stelle des jetzigen Bautechnikers). Rechnet man dazu 4 Scabinen und 5 Geistliche, so fanden sich gleichzeitig 30 studierte Bürgersöhne im Stadtdienst verwendet. Außer diesen praktizierten noch 5 graduierte Ärzte und mehr als 20 (!!) Advokaten und Gerichtsprokuratoren - eine Zahl studierter Schweinfurter Stadtkinder, die jetzt nicht annähernd erreicht wird (1860). Unter den Unstudierten stehen voran der Ratsapotheker und der Centchirugus. Ihnen folgen der Feldmesser und der Waagmeister. Auch der Herr Lieutenant der Feldsoldaten Seifert steht unter "gemeiner Stadt Bedienten außer Rats." Wie die Fürsten ihre Leibschneider, Hoflieferanten haben, so hatte der Rat aus den Zünften besondere Meister für öffentliche Arbeit bestimmt. Es gab Ratsschreiner, oder Herrnschreiner, desgleichen Glaser, Büttner usw. Der Herrenzimmermeister arbeitete sogar ausschließlich in städtischem Dienste. Zu den höheren unstudierten Ratsoffizianten rechnet Bundschuh auch die 3 Müllermeister, die 2 Wehrmeister und den Bretterwascher (s. Punkt 31) Außer allen diesen unterhielt der Rat noch eine "niedere Dienerschaft" von 89 Personen, die hier nicht aufgezählt werden können; bemerkenswert ist nur, dass dabei der revierjäger (unser jetziger (1860) Revierförster) in gleicher Rangesklasse steht mit Wiesenhüter, Bauamtsdrescher, Ratskutscher und Nachtwächter - ein beleg, wie wenig der Rat den wert der Waldungen schätzte. Alle diese städtischen "Bedienten" unterlagen einer alljährigen Bestätigung; die "Bedientenannahme" bei der auch der äußere Rat stimmfähig war, erfolgte entweder einfach, oder unter Vermahnungen, z.B. 1790 heißt es unter dem 10. Dezember : "Die 2 Stadtknechte behalten den Dienst, sollen aber nicht so oft ins Wirtshaus gehen. Auch der Mühlschreiber und die die drei Müller werden unter Admonition (=Ermahnung) zur Treue bestätigt. Die 2 Herren Stadtlieutenants Hirt und Meyer sollen ihre Leute reinlicher halten und die Provisoner besser kontrollieren. Die Jäger sollen die Brechholzgeher schärfer beaufsichtigen und keinen Schutzverwandten passieren lassen und die Jagd fleißiger treiben." Der Verfasser der Designatio reg. Suinf. gibt eine andere Einteilung der niederen Ämter, die er einzelnen Ratsämtern zuweist. Das Kirchen- und Schulamt (siehe Punkt 47) hatte das geistliche Ministerium unter sich, also den Oberpfarrherrn nebst seinen 4 Amtsbrüdern, den Rektor nebst seinen Schulkollegen, ferner, die Kantoren, Lehrer und die niederen Kirchendiener, in Summa 43 Personen. Zum Apothekeramt gehörte der Physikus und die praktischen Ärzte, die Chirurgen und Bader, der Ratsapotheker und dessen Personal, zusammen 20 Personen. Unter dem Bauamt wirkte der Mödlermeister mit seinen Ratshandwerkern nd sonstigem dienenden Personal, der Waagmeister und die Zöllner, die 3 Müller mit ihren Leuten; die Wehrmeister, der Brauinspektor nebst Personal, zusammen etwa 40 Personen. Unter dem Wachamt dienten außer dem Herrn Lieutenant und dem Herrn zeugwart noch mehr als 50 Personen, darunter 5 Provisoner (Toreraminatoren), 4 Türmer, das Schießhaus- und Spritzenpersonal, die Kaminkehrer und 12 Konstabler. Das Spitalamt hatte die Oberaufsicht über den Spitalkeller oder Spitalmeister und dessen Ökonomiepersonal, gegen 30 Personen, wozu namentlich das bäuerliche Gesinde auf dem spitälischen Gut "Deutschhof" zu zählen war. Minder zahlreich waren die Untergebenen des Umgeldamts (10, darunter Visierer, Eicher, Herrenbüttner und Schröter), des Forstamtes (3 Jäger), des Bretteramts (Bretterwascher und 1 Knecht) und des Zehntamts (1 Zehntkeller mit 4 Zehntknechten).

49. Die Soldatesca

Diesen italienischen Ausdruck gebrauchen die Ratsprotokolle ohne allen gehässigen oder verächtlichen Nebengedanken vom städtischen Militär. Schweinfurts Kontingent in einem Reichskriege betrug in simplo 60 Mann unter dem Kommando eines Lieutenants (der im Feld auch zum Oberlieutenant vorrücken konnte) und eines Fähnrichs; im Verein mit dem Kontingent von Rothenburg und Hohenlohe-Kirchberg bildete sich eine vollständige Kompanie; im Frieden erhielt Schweinfurt seinen Anteil zwar vollzählig, doch nicht felddiensttauglich und erwirkte letztere Eigenschaft im etwaigen Notfall durch werbung, der aber öfters Konkurrenz erschwerend entgegentrat. Regelmäßig befand sich nämlich in der Stadt ein kaiserliches und ein preußisches Werbekommando (siehe Punkt 4), dessen Offiziere sich durch ein kaiserliches oder königliches Generalspatent vor dem Rat persönlich legitimieren und dessen Genehmigung formell einholen mussten. Wenn dieselben nun dabei auch protokollarisch versprechen mussten, Bürgerssöhne, hier arbeitende Kommis, Handwerksburschen und Lehrlinge nicht zu enrolieren (=zum Kriegsdienst einschreiben), so wurde dies doch nicht immer gehalten; Klagen des Rats waren schwach und vergeblich, um so mehr, als die Väter der Stadt selbst Raufbolde und Fornikatoren (="Hurenböcke") auch aus den besagten Kategorien den Werbern zu meist zehnjährigem Dienst verkauften und den Erlös zur Deckung der Gerichtskosten und der etwa später noch sich ergebenden Ausgaben verwendeten. Im Jahre 1792 sollte die Stadt 1 1/2 Simpla stellen. Das Wachamt veranstaltete in großer Not eine "Mannszusammenstellung", und ließ die felddiensttauglichen Leute fragen, ob sie Feldsoldaten werden wollten. Als nun vollends 1795 zwei Kontingentssimpla gestellt werden sollten, erbot sich der Generalquartiermeister des Kreises Baron v. Eckardt, diese Mannschaft aufzustellen, wenn ihm der Rat für den Kopf 250 fränk. Gulden zahle; in 2 Abschlagszahlungen wurden mittels eines Anlehens, wozu die Achter (2. Februar 1795) ihre Zustimmung gaben, 14.000  Gulden an Herrn v. Eckardt bezahlt, was um so schwerer fiel, als die Stadt zugleich 50 Römermonate je 67 Gulden zu entrichten hatte. Die Soldaten des Herrn Generalquartiermeisters hat niemand je gesehen! Der Aufwand auf das wirklich im Feld stehende Kontingent, etwa 50 Mann betrug jährlich gegen 10.000 fränk. Gulden. Molitor kann dabei seinen Argwohn gegen die "sauebere Administration der Stadt" nicht zurückhalten. Die Löhnung des Gemeinen wurde von 8 Kreutzer auf 14 Kreutzer erhöht. Der Feldscherer bezog monatlich 16 Gulden Konv.-Münze; der Feldsoldatenoberlieutenant erhielt zur Herstellung seines Zeltes 58 frank. Gulden. Über seine Feldgage finde ich nichts, doch 1796 erhält Herr Premierlieutenant Seyffert, Jur. utr. Cons., 6 Gulden monatl. Zulage, um so mehr als er an der Stelle des altersmüden Hohenlohischen Hauptmanns als Kapitän-Lieutenant fungierte, dass er selbst von der fränkischen Kreisversammlung öffentlich belobt wurde. Er hatte von hier aus unter sich 1 Feldscherer, 1 Weibel (Aufsichtsperson, Feldwebel), 2 Korporale, 1 Zimmermann, 1 Trommler, 1 Pfeifer und 48 Gemeine. Die übrige Komanie waren Hohenloher. Die vielen hinterlassenen Soldatenfrauen und Kinder ernährte die Stadt durch Almosen im Armenhaus. Neben diesen Feldsoldaten waren für innere Ordnung und Sicherheit noch Stadtsoldaten vorhanden. Eigentlich waren für solchen Dienst alle Bürger verpflichtet und zu diesem Zweck in 4 Kompanien unter je einem Hauptmann aus den Gliedern des innern Rats nach den 4 Stadtvierteln geteilt. Allein weitaus die meisten reluierten jährlich 2 Gulden und davon wurde nun eine Stadtsoldatesca im engeren Sinn erhalten unter einem Stadtlieutenant, der ordentliche gage bezog und in Abwesenheit des Feldsoldatenoberlieutenants die Nutznießung von dessen Gärtchen (Schänzchen am nördlichen Ende des Walles) hatte. Das Zeughaus enthielt alte Rüstungen und Handfeuerwaffen, ferner 20 Feldgeschütze verschiedener Art; dieses alle wurde in der Geldnot des letzten Jahrzehnts des 18. Jahrhunderts verkauft, so wie später das Zeughaus selbst in Privatbesitz überging. Die Oberleitung des ganzen Militärwesens hatte das Wachamt (Punkt 47). Über das Verhältnis desselben selbst zu dem Herrn Oberlieutenant (siehe Punkt 48).

50. Besoldungen der Ratsherren und Offizianten

Ursprünglich sollten alle Ratsstellen Ehrenämter sein, darum waren die Salarien äußerst gering und bestanden eigentlich nur in einem jährlichen Holtdeputat, dem Jagd- und Fischereirecht und einem kleinen Geldbezug "für Ehrenkleid und Mantel". Außer den Erträgnissen der einzelnen Ämter ist über diesen Geldbezug wenig Sicheres aufzufinden, da entsprechender Spezialbericht Molitors hier im Konzept sich nicht vorfindet. Der Reichsvogt bezog 150 fränkische Gulden, 10 Klfter Holz, 30 Schock Wellen, 6 Malter Korn und berechnete selbst seine Akzidenzen auf 78 Gulden. Der vorletzte Reichsvogt Freitag z. B. war Mitglied einer städtischen Straßenbaudeputation und teilte mit Bürgermeister Heunisch ein Douceur von 60 Reichstalern, trotz der Einrede des Achterstandes, die als unbefugt zurückgewiesen wurde. der Syndikus bezog laut RP. 1801 200 Gulden als Gehalt, dazu Akzidenzen (?). In einer Obereinnahmsrechnung von 1791 - 1800 fluktuieren die Jahresgehälter für die 4 Bürgermeister zusammen zwischen 895 unnd 989 Gulden, so dass auf einen durchschnittlich etwa 230 Gulden kam. So dürftig diese Einnahme scheinen mag, so wurde sie doch durch den Ertrag der Einzelämter und Nebenbezüge nicht unbeträchtlich und Bestechungen waren selbst bei Erledigung eines kleinen Ämtchens nicht selten. Schon oben (Punkt 20) wurden laut werdende Klagen selbst in Form von Pasquillen erwähnt. In einem solchen heißt es: "Der Kaiser würde große Intraden (=Einkünfte) machen, wollte er die Ämter öffentlich für klingende Münze versteigern lassen. Ein jeder Ratsherr  und Bediente, der sonst das übernächtige Brot nicht hatte, hat bald, wie jedermann sehen kann, volles Genüge. Das Stättamt gehört zu den mindest rentablen und doch sagt die Frau eines bereits alternden Zusätzers: "Mein Mann muss das Amt schon noch behalten. Es ist ein gar gutes Ämtlein." Der Rat erkannte besonders 1792  und 1793 die eingerissenen Missbräuche, war aber unendlich bedächtig in Abstellung derselben. In den Pinkten 23 ff. sind 44 Ämter aufgezählt, meist von 2 Amtsträgern versehen, deren somit nahe 88 erforderlich erscheinen; doch waren (siehe Punkt 14) in Summa nur 32 vorhanden, von denen überdies die Achter nur zur Feuerstättbesichtigung und zur Austeilung der reichen Schüssel (siehe Punkt 55, c) verwendet wurden. Es kamen also neben dem Gehalt durchschnittlich noch 3 Ämter auf einen Herrn des Rats, die einträglicheren natürlich auf die Bürgermeister und auf die älteren Senatoren. Aus glaubwürdigen Privatpapieren entnehme ich , dass die kurbayerische Regierung die Pension eines Bürgermeisters auf 600 Gulden, eines Scabinen auf 480 Gulden, eines Senators auf 400 Gulden und eines Zusätzers auf 90 Gulden bestimmt, wobei ein großer Teil der per fas oder nefas bezogenen Emolumente (= Nebeneinkünfte) außer Ansatz blieb. Die Amtsverteilung (siehe Punkt 14  a. E.) . Die Ratsoffizianten erhielten bestimmte Gefälle, nur wenige (Punkt 33) über 100 Gulden, und Nebenbezüge, meist auch Dienstwohnungen. Die niedere Dienerschaft war auf Taglöhne gesetzt, die sich auf etwa 40 Kreutzer belief. Über die Löhnung der Soldatesca siehe Punkt 49.

51. Vom Kirchenwesen

Die Stadt hat 3 Kirchen, St. Johannis, St. Salvator und die h.-Geist.Kirche; letztere (eigentlich Spitalkirche, früher zu Leichengottesdiensten benutzt und als diese außer Gebrauch kamen als Militärmagazin) wurde durch kurfürstliches Mandat vom 26. Januar 1803 dem katholischen Kultus abgetreten. An den zwei anderen Kirchen fungierten fünf Geistliche, Oberpfarrer, Archidiakonus, Diakonus, Subdiakonus und Pfarrer bei St. Salvator, jeder hatte seine besondere Seelsorge. Der Sprengel des Pfarrers zu St. Salvator umfasste seelsorgerlich nur die Feld- und Stadtsoldaten, die Schutzverwandten, die Bewohner des Armen- und Waisenhauses und das Spital. Der Salvatorpfarrer rangierte persönlich mit den Dorfpfarrern nach dem Dienstalter. Seit 1774 besteht bei St. Salvator noch eine Nachmittagspredigerstelle, durch den Rhönwerraischen Ortssekretär Stör gestiftet, die Kandidaten oder Lehrern der lateinischen Schule Gelegenheit gab zum Predigen. Die sämtlichen ordentlichen sechs Geistlichen zusammen bildeten das geistliche Ministerium. Über dessen Verhältnis zum Konsistorium siehe Punkt 47. Das Summepiskopat ( = das landesherrliche Kirchenregiment des evangelischen Kirchenrechts bis 1918) konzentrierte sich im souveränen Rat der freien Reichsstadt, der seine 8 Geistlichen in Stadt und Land, die 5 ersteren mit Beiziehung des äußern Rats und der Achter bestellte (siehe Punkt 34). Letzter Umstand hatte zur Folge, dass noch jetzt an Ausübung des Patronatrechts die Gemeindebevollmächtigten mit entscheidenter Stimme teilnehmen. Kandidaten für eine erledigte (freie) Stelle wurden vom Ministerium examiniert, im günstigen Fall ordiniert und auf den "Regimentsstab" in vollem Rat verpflichtet. Letzterer war ein metallener , versilberter Zepter, oben ein Krönchen und ausgestreckte Schwurfinger, gewöhnlich im Polizeizimmer neben dem Ochsenzimmer hängend und gar oft auch zu nicht eben eidlichen Verpflichtungen gebraucht, wenn der Herr Senator nicht Luft hatte, die grobe, nicht immer ganz appetitliche Hand des Bauern mit eigener Hand zum Gelübde zu empfangen. Dabei war in den letzten Jahrzehnten wohl noch von reiner evangelischer Lehre die Rede, doch nicht mehr von den symbolischen Büchern en bloc.  Auch die Reichsschultheißen von Gochsheim und Sennfeld sprachen bei Erledigungsfällen die Vermittlung des Rates an, der dann den Kandidaten nach vorausgegangener in einer Plenarsitzung des Rats vom Oberpfarrer vorgenommenen Seperatprüfung ordinieren ließ. Alle durch Tod erledigten (frei gewordenen) Stellen blieben 4 Trauerwochen unbesetzt. Die Erträgnisse der Stellen waren für jene Zeit ausreichend, um so mehr als 1812 das Subdiakonat eingezogen und der Anfall zur Aufbesserung der 4 anderen Stellen verwendet wurde. Das ganze Stiftungskapital für Kirchen- und Schulbedürfnisse betrug 49.835 fränkische Gulden = 62.293 rheinische Gulden, Holz-, Getreide- und Weinreichnisse mussten das Defizit ausgkeichen.Doch würden unter jetzigen Geldwertverhältnissen die hiesigen Stellen zu den geringst dotierten Stadtpfarreien gehören, wenn nicht in neuerer Zeit (1838) die reiche Schrammische Erbschaft angefallen wäre.

(Die zwei Brüder Schramm und deren Schwester, Kinder eines hiesigen Türmers, alle drei ledigen Standes, bestimmten zum Haupterben ihres durch langjährige musikalische Tätigkeit in England erworbenen Vermögens die städtische protestantische Kirchenstiftung, welcher nach Abzug der Legate etwa die Hälfte  nämlich 95.740 Gulden verblieb, wovon seitdem jährlich 1.600 Gulden an die 4 Pfarrer , 1.100 Gulden an 11 Lehrer bezahlt werden; 89 Gulden kostet die Verwaltung und der Rest, etwa 350 Gulden wird auf Kultus, Unterricht und Wohltätigkeit verwendet. -  Die  überlebende Klara Schramm starb am 23. Oktober 1838. Die Gräber der drei Erblasser sind längst zerwühlt. Durch kein Denkmal hat Dankbarkeit ihre Stätte bezeichnet (vergleiche Punkt 21). ) 

Die Stolgebühren waren äußerst niedrig; beispielsweise betrug die Gebühr für eine Leichenpredigt zwischen 10 Batzen und einem Taler. Letztere wurde nicht immer begehrt, wurde aber dann am bereits bedeckten Grab gehalten, da die Beerdigung selbst am Abend stattfand. Selbstmörder wurden in schlechtem Sarg von 4 Pfründnerweibern auf den Kirchhof geschafft und dort in eine Ecke verlocht. Über Konsistorialsachen siehe Punkt 19. Sein Episkopat übte der Rat auch in eigentlich kirchlichen Dingen. Bei allen Solennitäten (= Feierlichkeiten) bestimmte er Lieder, Text und Rituale; er erinnert durch schriftlichen Erlass an besondere Materien, die die Geistlichen von der Kanzel und im Schulunterricht mit mehr Nachdruck treiben sollten ( so z. B. 1795 die Lehre von den letzten Dingen und vom Weltgericht). Ratsmonita (Tadel durch den Rat) über das Privatleben müssen sich die Ministeriales in Demut gefallen lassen. Pfarrer Bundschuh muss sich vorhalten lassen, das Beichtsiegel gebrochen zu haben. Das Beichtvaterverhältnis war im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts überhaupt ein ganz anderes, der jetzigen (1860) Generation völlig fremd gewordenes. Jeder Geistliche hatte nicht nur in der Woche für seine speziellen Beichtkinder Sprechstunden, in denen sich diese, wie vom Arzt, Rat für ihre Seelenschäden erbaten, (natürlich ohne Aufzählung einzelner Sünden, also keine Ohrenbeichte), sondern jeder Geistliche hielt den Abendmahlsgästen aus der Zahl seiner Beichtkinder Samstags vorher eine Beichtvesper, auf die dann das Sündenbekenntnis der einzelnen folgte, welches der Ratsbericht vom Jahr 1803 sogar Ohrenbeichte nennt. So blieb die Sache, bis 1805 Dr. Holler als erster bayerischer Stadtkommissar hierher kam. Dieser Herr, damals 25 Jahre alt, ist älteren Bürgern wohl als gefürchteter Polizeimann bekannt, der gegen reichsstädtischen Schlendrian mit rücksichtsloser Strenge einschritt und sich Gehorsam erzwang. Wenige aber dürften sich noch erinnern, dass dieser katholische Beamte, der 11 Jahre später besonders wichtigen Anteil an der Abfasung des Konkordats zwischen der Krone Bayerns und der Römischen Kurie hatte, das jetzige (1860) Beichtverhältnis in Schweinfurt einführte. Da er nämlich als königlicher Kommissär in seinem Bezirk auch mit Handhabung des Summepiskopats betraut war, welches der Landesherr damals noch ohne Vermittlung eines Konsistoriums übte, so stand ihm auch Einsicht und Eingriff in das protestantische Kirchenwesen zu, und von seinem konfessionellen Standpunkt aus mochte ihm die Person dessen, der Beichte hört und absolviert, gleichgültig oder unwesentlich erscheinen; und wahrscheinlich gerne fügte sich die im Dienst erleichterte Geistlichkeit in seinen Vorschlag, dass allwöchentlich nur einer im Turnus die Beichte abhält, während man sich doch bei seinem speziellen Seelsorger anmelden und in dessen Buch sich eintragen lässt. Holller's Einrichtung erhielt ihre Sanktion durch Order der bayerischen Landesdirektion qua protst. Consistorium, d.d. Bamberg am 12. Dezember 1806 und wird befolgt seit 4. Januar 1807. Das Bewusstsein unseres lutherischen Bekenntnisses ist dadurch der Gemeinde so sehr abhanden gekommen, dass man "katholische Ohrenbeichte" fürchtete und massenhaft protestierte, als 45 Jahre später der, so viel ich weiß, in allen protestantischen Stadtgemeinden übliche Gebrauch eingeführt werden sollte, dass jeder Beichtvater nur seinen Beichtkindern die Beichtrede halte. 

Schon 1802 (18. Oktober) stellte die hiesigeGeistlichkeit die Bitte, dass Kurbayern ein Konsistorium für die neu aquirierten Reichsstädte errichten möge, das unmittelbar mit dem höchsten Bischof (Kurfürst) in Verbindung stehe und namentlich in Ehescheidungssachen endgültig sprechen dürfe, und Max Joseph hatte in der Tat schon damals seine Geneigtheit dazu erklärt. Molitor erklärt die damalige Geistlichkeit für nicht befähigt; der Oberpfarrer Voit sei ein finsterer Zelot (Eiferer), Bundschuh zwar kenntnisreich und talentvoll, aber zuviel mit politischer Journalistik beschäftigt, die übrigen seien Leute von nurmittelmäßigem Talent und Wissen. Rechtskenntnisse für Ehefragen fehle allen; die Ehescheidungen seien überhaupt aus polizeilichen und finanziellen Gründen möglichst zu beschränken. Das gewöhnliche Forum und der Spruch einer protest. Universität reiche aus.          

52. Unterrichtwesen

Deutsche Schulen gab's 1802 nur drei, natürlich noch ohne Trennung der Geschlechter (in Würzburg schon 1790 vollzogen, in Ansbach 1812), dazu noch ein paar Winkelschulen. Eigentlich war für jedes Stadtviertel eine Schule bestimmt. In Würzburg bestand 1789 schon ein Schullehrerseminar; für die hiesigen Lehrer hielt Archidiakonus Voit 1789 eine "Fortbildungsanstalt", die eine kleine Bibliothek besaß und zu der auch die Lehrer der drei Dörfer beigezogen wurden. In schroffem Gegensatz stand die tiefe ärmliche Stellung der Lehrer selbst und die Klage, "dass so viele Kinder ohne allen und jeden Schulunterricht aufwachsen (Ratsprotokoll, 1795), so dass schließlich wohl ein Schulzwang eingeführt werden müsste". Gehalt bezogen die Lehrer in deutschen Schulen bis 1783 gar nicht; sie trieben ein konzessioniertes Geschäft; erst da erhielten sie je 5 Gulden, 5 reif Scheitholz und 8 Schock Wellen. Auf untertänig demütige Vorstellung erhält (Ratsprotokoll 1789, S 314) ein deutscher Lehrer eine Zulage von 5 Gulden, ein anderer (Ratsprotokoll 1790, S. 114) 4 Gulden. Lehrerwitwen und Waisen hatten im Fall der Arbeitsunfähigkeit Hoffnung auf einen Platz im Pfründner- oder Waisenhaus. Bei Erledigung wurden die Bewerber in Gegenwart des Scholarchats vom Oberpfarrer geprüft; auf den Dörfern wurden die Bauernmeister und das Dorfgericht beigezogen und gefragt, ob sie zu dem Bewerber Vertrauen hätten. So bei der Wahl Strebels in Oberndorf (Ratsprot. 1789, 720). Auf die jetzige Bevölkerung (im Jahr 1860) von 8400 Seelen  kommen etwa 1000 Volksschüler, die sich auf 14 Schulen verteilen, wobei auf eine durchschnittlich 71 Schüler kommen. Auf eine Bevölkerung von 6200 Einwohner kamen in diesem Verhältnis 700 schulpflichtige Kinder, diese also auf 4 Schulen verteilt träfen auf einen Lehrer 175; jetzt erscheint dabei eine gedeihliche Wirksamkeit freilich unmöglich; doch weiß der Schreiber dieser Zeilen, der auch noch über 200 Mitschüler in der Volksschule hatte, dass eine instinktmäßig geübte Bell-Lancastersche Methode (Anm.: die in England von Bell u. Lancaster   gleichzeitig eingeführte Methode des Unterrichts, nach welcher die geschickteren Schüler die unwissenderen unter Oberaufsicht des Lehrers unterrichten)in Verbindung mit der des horazischen Orbilius doch den vorgesetzten Zweck Lesen, Schreiben und die Elemente des Rechnens bei all den Kindern nach etwa 4 Jahren erreichte, die nicht schon von haus aus für die Schaufel oder den Besen bestimmt waren. Über dies besuchten ja viele Kinder hier, wie anderorts, gar keine Schule und neben den Volksschulen bestanden schon seit 1783 Töchterschulen als Privatunternehmen; besonders die einer Frau Schnetz wurde in Becker's deutscher Zeitung gerühmt und ist aus einer in Offenbach gedruckten Schrift "Über erziehung der Frauenzimmer 1785" in weiteren Kreisen bekannt geworden. Viel sprach man im Rat von einer weiblichen Industrieschule, doch kam es zu nichts weiterem, als dass einige Lehrersfrauen privaten Unterricht in weiblichen Arbeiten erteilten.

Für höhere Ausbildung der männlichen Jugend bestand schon seit 1582 eine Lateinschule, die wenigstens zuletzt fünf Klassen mit eben so vielen Lehrern zählen sollte, welche außer den Realien noch Grammatik, Rhetorik; griechische Sprache und "Anfangsgründe der Theologie" lehrten, für französische Sprache, Mathematik und Zeichnen waren Fachlehrer angestellt. Der oberste Lehrer hieß Konrektor, die übrigen Schulkollegen. Neben dieser Lateinschule bestand noch eine weitere Klasse, die als Selecta das Gymnasium Gustavianum genannt wurde. Gustav Adolph war nämlich am 2. Oktober 1631 mit seinen siegreichen Truppen so freundlich aufgenommen und verpflegt worden, dass er der Stadt 17 bedeutende Dörfer und einen Hof aus der Gegend zu eigen gab und in dem Schenkungsbrief (d.d.Frankfurt a. M. 2 Mart. 1632) ausdrücklich bestimmte, dass die Gefälle davon "zur Errichtung eines Gymnasii Gott zu Ehren und der studierenden Jugend zum Besten" verwendet werden sollten.      

Von Gustav Adolph geplanter Bau eines Gymnasiums in Schweinfurt
Von Gustav Adolph geplanter Bau eines Gymnasiums in Schweinfurt

Acht Monate darauf vereitelte die Schlacht bei Lützen die Freude der Schweinfurter. Blieben die Schweden auch noch einige Jahre Meister in Franken, so gab doch der Wechsel des Kriegsglücks dem Bischof Franz 1638 gelegenheit sein Eigentum wieder in Besitz zu nehmen. dennoch behielt der Rat der Reichsstadt sein Gustavianum bei, das 1634 feierlich eingeweiht wurde. Aber nur ein Rektor, der auch die lateinische Schule unter sich hatte und in derselben unterrichtete, konnte demselben seine ganze Kraft widmen. Die weiter notwendigen Lehrkräfte wurden aus der Stadtgeistlichkeit genommen, der also jetzt außer der Seelsorge und dem Predigtamt auch noch ein Schulamt ohne besondere Vergütung oblag. Unverdrossen übten solche Männer ihren schweren Doppelberuf gegen geringen irdischen Lohn fast 180 Jahre. Vertrauensvoll sandten Eltern höherer Stände aus weiter Ferne, selbst aus Gothenburg (Göteborg), ihre Söhne hierher zum Zweck ihrer Ausbildung; 1235 Zöglinge, also jährlich im Durchschnitt 7-8 hatte das Gustavianum zur Universität vorbereitet. Die reichen Stipendien für letztere sind meist an Familiennamen gebunden oder doch an Abstammung von einem Stadtbürger; wenige haben allgemeinere Bestimmung z.B. "für einen armen Tropfen". Das Kollaturrecht ( Mit Kollaturrecht wird das Recht des Kirchenpatrons hinsichtlich der Eigenkirche bezeichnet. Zum Kollaturrecht gehört u.a. das Präsentationsrecht) ist von jeher in Händen teils der Familienältesten, teils des Stadtrats. Seit dem Verlust der reichsstädt. Souveränität übt die Regierung das Oberaufsichtsrecht. 

Der Oberpfarrer war Inspektor aller Schulen. Er, die 2 Kirchenamtsträger und 2 andere Ratsdeputanten bildeten die jährliche Prüfungskommission, die dann an den Rat in sessione berichtete. Dieser dekretierte, wie z.B. 1790 (Ratsprotokoll 390): "Den Schulkollegen wird inculciret (eingeschärft), sie sollen vor Anfang der Schulen nicht deambuliren (umherwandern) im Schulsaale; der Oberpfarrer hat über präcisen Anfang zu vigiliren (aufzupassen). Die Conduitenlisten (tabellarische Listen) der Schüler sind bei strenger Strafe monatlich dem Rat zu insinuiren (vorzulegen). Die Schüler sind sine exemtione (ausnahmslos) aufzurufen. In Secunda sollen fleißiger Verse gemacht werden." Einzelne Lehrer erhalten noch besondere Ratsmonita.

Die französische Invasion 1796 wirkte völlig zerstörend auf alle Verhältnisse. Die Schülerzahl der Selecta sank in diesem Jahr auf drei herab und als 1802 Rektor Raßdörfer nach 33jähriger Amtsführung starb, beschloss der Senat, dass zwei Kompetenten eine Zeit lang vicariren (stellvertreten) und sich auch in die Lehrfächer des Rektor teilen sollten. Die kurpfalz-bayerische Hofkommission fand 1802 hier 4 Gymnasiasten vor und mit Einschluss der fungierenden Geistlichen 6 Lehrer: Oberpfarrer Joh. Pet. Voit, Archidiakon Joh. Casp. Bundschuh, Diakon Joh. Mich. Sixt, Subdiakon M. Großgebauer, Präceptor M. Chr. Weinich und Dr. Paul Christ. Nähere Betrachtung der Sachlage führte jedoch weiter; die Notwendigkeit des Gustavianums selbst erschien fraglich. Einfache Rechnung ergab, dass volle Erhaltung von 2 oder 3 ärmeren Studierenden an einem andern Gymnasium weniger kosten werde, als eine noch so kärgliche Fristung der hiesigen Selecta. Am 5. Dezember 1804 erfogte die Auflösung der Gesamtanstalt. An die Stelle trat unter wechselnden Titeln eine Realschule mit bald mehr, bald weniger Beigabe von Latein und Griechisch; die hier gebildeten Zöglinge traten entweder zu Gewerben über, oder bezogen Gymnasien (Würzburg, Ansbach, Nürnberg, Bamberg) oder wurden durch Stadtgeistliche ( Sixt, Großgebauer, Ullrich, Fabri) zur Maturitätsprüfung privat vorbereitet. Das Wiederaufleben des Gymnasiums blieb frommer Wunsch bis im Jahr 1829 Magistrat und Gemeindebevollmächtigte einen namhaften Zuschuss zu einem vollständigen Gymnasium der Staatsregierung anboten und letztere den allerdings bedeutend größeren weiteren Bedarf zu decken übernahm. Besonderes Verdienst gebührt dabei unbestritten dem damaligen Bürgermeister Kirch, dem Dekan Ullrich in seiner Eigenschaft als Landrat und dem Regierungsdirektor Graf Giech. Nach dem königlichen Restaurator heißt die Anstalt seitdem Ludovicianum. 

Mit dieser Schulanstalt war seit nicht bestimmbarer Zeit ein Alumneum verbunden für 16 Zöglinge, die ihre gemeinsame Wohnung im Hauptbau der gegenwärtigen Studienanstalt hatten. Ständige Mittel zur Erhaltung dieser Leute waren aber durchaus nicht vorhanden, sondern die Betten, je eines für 2 Knaben, und sehr einfache Zimmereinrichtungen stellte der Stadtrat, das Spital gab den Alumnen wöchentlich je 8 Pfund Brot; von jeder Hochzeit erhielten sie Liebesgaben an Brot, auch Kuchen und Wein; warme Mittagskost erhielten sie bittweise an den Tischen wohlhabender Bürger. Allsonntäglich sangen sie vor den Türen der Bürger gegen eine kleine Geldgabe, die sich in der letzten Zeit auf etwa 350 Gulden im Jahr summierte; wenn dies zur Kleidung, Bücherbedarf und Schreibmaterial nicht ausreichte, so gab der Stadtrat noch einen kleinen Zuschuss. Die Anwartschaft auf eine Stelle im Alumnat war bedingt durch eheliche Abstammung von einem bedürftigen Stadtbürger oder Grundholden (
Als Grundholde wurden im Mittelalter Bauern bezeichnet, die außerhalb des Fronhofes auf eigenen Bauernhöfen arbeiteten, aber Steuern an den Grundherren abgeben mussten) des Gebiets und durch mehrjährige freiwillige Teilnahme am Sonntagsumsingen. Auswärtige z.B. ritterschaftliche Untertanskinder konnten in freie Stellen einrücken gegen ein Reichnis von jährlich 40 fränk. Gulden. Die Aufsicht führte zuletzt der greise Raßdörfer unter Weinichs Assistenz. Das Einreißen von mancherlei Übelständen ist aus allen diesen Umständen leicht erklärlich. Der Magistrat beriet einmal ums andere über Verkleinerung oder Reformation der ganzen Anstalt.

Der Kommissar Molitor lobt an allen Lehrern sehr achtbare Kenntnisse und einen untadelhaften Charakter, beklagt aber, dass sie teilweise schon im Greisenalter stünden. Zweierlei Anstände desselben haben ihren natürlichen Grund in seiner eigenen Bildung an einer Schule nach jesuitischem Zuschnitt. Während dieser Orden in seinen Erziehungsgrundsätzen Ämulation (Wetteifer), Ehrtrieb als Haupthebel benützte, waren hier alle Preise verpönt und von Rats wegen den Lehrern sogar verboten, unter den Schülern eine Rangordnung nach dem Erfolg ihrer Arbeiten festzustellen. "Vermutlich konnten die Ratsherren nicht vertragen, dass der geschickte Sohn eines gemeinen Bürgers einem unwissenden Ratssohne vorgezogen werde". Mag wohl das wahre Motiv gewesen sein; denn es ist schwer anzunehmen, dass damals hier Döderleins Maximen maßgebend waren. "Unzweckmäßig erscheint ferner, dass der Lehrer nicht mit seinem Schülercötus (Versammlung aller Schüler) durch alle Klassen vorrückt, sondern an seiner Klasse verbleiben muss bis zur Erledigung einer nächst höheren Stelle. der Lehrer lernt dabei seine Schüler nicht kennen, kann nicht zweckmäßig erziehend einwirken. Es würde jetzt vor allen Dingen zu verordnen sein, dass jeder Lehrer mit seinem Schülercötus alle Klassen der Anstalt durchlaufe und mit einem neuen Kursus von unten anfange".

53. Wissenschaft und Kunst

Um dieselbe Zeit, in der Friedrichs II. Siege dem Ausland Respekt vor deutscher Tapferkeit abzwangen, befreite sich mit nie geahnter Kraft auch der deutsche Geist von den Fesseln des Auslandes. Noch am Anfang des siebenjährigen Krieges erschien Lessing's Emilia Galotti, Miss Sara Samson und das Soldatenglück, vorher schon Klopfstock's Messias. Vaterlandsliebe überhaupt hatte die Bewunderung des Franzosentums in Hass verwandelt. der große Friedrich mit seiner höfischen Umgebung stand in seinen letzten Lebensjahren mit seiner immer vorwiegend französischen Geschmacksrichtung auch in Preußen allein, aber die Freiheit in Wort und Schrift musste notwendig auch belebend und kräftigend in weiteren Kreisen wirken und wenn auch Österreich und Bayern damals noch sich gegen norddeutsches Wesen abzuschließen versuchten, so öffnete sich doch besonders Franken diesem neuen Geiste, wo 1779 Franz Ludwig regierte, der größte Fürst, der je auf einem fränkischen Regentenstuhle gesessen. Die kleine Reichsstadt Schweinfurt nahm nach Kräften Teil an dieser Bewegung. Schon 1774 stifteten akademische Freunde eine Lesegesellschaft. Der Göttinger Musenalmanach war seit 1770 hiesig; die Schriften des Hainbundes wurden gelesen. Auch von Haller, Hagedorn, Liskov, Rabener, Klopstock, Lessing, Möser, Wieland, Herder zirkulierten in dem Verein. Die Überschwenglichkeiten der Drang- und Sturmperiode blieben nicht aus; es existiert der Brief einer Schweinfurter Bürgerstochter, die dem Dichter von Kabale und Liebe ihre Hand anbietet. Besonders seit 1779 erweiterte sich der Einfluss des Vereins, weckte nun aber auch ängstliches Mißtrauen der Altreichsstädter, welche Freimaurerei, Illuminatengeist, Naturalismus, Atheismus kommen sahen und Spionage und Denunziation gegen die Gesellschaftsglieder wirken ließen, bis der Magistrat den "Ketzermachern" Stillschweigen auferlegte. Schaffende, wissenschaftliche Kräfte hat Schweinfurt damals so wenig erzeugt, als später; aber rezeptive Tätigkeit war im achtbaren Grade von jeher vorhanden. Ist doch Schweinfurt die Geburtsstätte der noch blühenden leopoldinischen Akademie der Naturwissenschaften. Die hiesige philomatische Gesellschaft hatte 20 ordentliche, mehrere außerordentliche Mitglieder, hielt wöchentlich eine Zusammenkunft, in der ein Sekretär Protokoll führte. "Man muss der Gesellschaft die Gerechtigkiet widerfahren lassen, dass manches wichtige Werk durch sie in der Stadt bekannt geworden, manches reichsstädtische Vorurteil verschwunden ist, dass durch sie literarischer Geschmack und Denkweise in eine neue Epoche getreten, ja erst geschaffen worden ist". Lektüre war jetzt Bedürfnis.


Titelseite des Buches Anchora Sacra vel Scorzo Nera des Gründers der leopoldinidchen Akademie der Naturwissenschaften Johann Michael Fehr aus dem Jahre 1666 - auf dem linken Blatt das Zeichen der Akademie
Titelseite des Buches Anchora Sacra vel Scorzo Nera des Gründers der leopoldinidchen Akademie der Naturwissenschaften Johann Michael Fehr aus dem Jahre 1666 - auf dem linken Blatt das Zeichen der Akademie

Eine erweiterte Reorganisation nach dem Muster der neuesten Mainzer Einrichtung verdankte die Gesellschaft dem Rhön-Werraischen Ortssyndikus Hofrat Pollich, einem organisatorischen Talent, unter dem sie von 1787 an bald über 100 Mitglieder zählte und wenn auch unter mancherlei Störungen und Schwankungen doch noch 1802 in gemeinnütziger Wirksamkeit bestand. Mannigfache Versuche zu Gründung einer Leihbibliothek für das größere Publikum scheiterten in kurzen Fristen. Dagegen war die Ratsbibliothek wöchentlich zweimal mehrere Stunden dem wissenschaftlich strebsamen Bürger geöffnet. Der Grundstock derselben stammt aus dem Nachlass verstorbener Ratsmitglieder, ist also vorwiegend historischen, juristischen, auch medizinischen Inhalts. Besondere Erwähnung verdient eine Pergamenthandschrift des Sachsenspiegels aus dem 13. oder 14. Jahrhunderts, die Homeyer in Berlin benutzt und beschrieben hat. Im Jahr 1795 war eine Ratsdeputation beschäftigt mit der Katalogisierung der Bücher, Verkauf von Doubletten und Regelung der Nachschaffungen. Das Jahr 1796 lähmte die schönen Vorsätze so, dass Molitior 1802 meint, die Bibliothek, die höchstens von den Konsulenten benutzt werde, solle zum Zweck der Stadtschuldentilgung verkauft werden. Eine Buchdruckerei existierte hier schon 1543. Aus diesem Jahr ist die hier gedruckte Kirchenordnung der Stadt, ferner 71 weitere bis 1795 heraufgehende Ratsverordnungen, Kasualreden, Schulprogramme, auch einige Bücher, zuletzt sogar hier erscheinende Tagblätter, zeugen für den ununterbrochenen Bestand der Druckerei. Dass der bessere Teil der Bürger und ihrer Frauen für wissenschaftlichen Fortschritt nicht unempfänglich war, bewies die große Teilnahme, welche des jungen Schulkollegen P.C. Voit populäre Vorträge über Astronomie fanden, verbunden mit Beobachtungen auf dem zu diesem Zweck eingerichteten Observatorium auf dem Turm über dem Spitaltor.

Kürzer kann ich sein über Leitungen der Kunst. Hier fehlten in der vielfach geplagten, durch Krieg verarmten, nicht finanzwirtschaftlich regierten Reichsstadt alle Bedingungen. Kein einziges Gebäude von architektonischer Bedeutung schmückte dieselbe; nach Werken bildender Kunst oder der Malerei - beide pflegen mit der Baukunst Hand in Hand zu gehen - sucht man hier noch jetzt vergebens. Ein achtbarer Maler dritten Ranges war Geiger.

Von der Dichtkunst in der Reichsstadt geben die zahlreichen noch vorhandenen Leichen- und Hochzeitskarmina nicht eben einen hohen Begriff. Doch wurde hier 1789 Friedrich Rückert geboren und erhielt hier seine Gymnasialbildung.

Die edle Musika gedieh von jeher nur unter der Pflege weltlicher und geistlicher Fürsten und eines reichen Adels. "In Schweinfurt", schreibt Bundschuh, "mißlingen alle Versuche zu einem erträglichen Konzert. Unsere Wintervergnügungen sind Clubs, in denen man spielt und isset und trinkt, manchmal auch tanzt, und wer letzteres gerne tut, dem wird auch leicht gepfiffen."  

54. Armenanstalten im Allgemeinen

Wenn der Bewohner der bayerischen Provinzialstadt Schweinfurt sich's gerne mit einer gewissen Selbstzufriedenheit sagt, dass hier keine Zwangsalmosensteuer entrichtet werde, wenn mancher auch den mit der Johannispflege affilierten (betrauten) Hülsverein (Hilfsverein) für unnötig erachtet, so soll er nicht vergessen, dass sein Großvater, der freie Reichsbürger, alljährlich die Hälfte seiner direkten Steuern an's Kastenamt entrichten musste, welches zugleich Almos- oder Lazarettamt (siehe Punkt 46) war. Eben dahin  floss auch der Inhalt der Almosenkästen in den zwei Kirchen und in den Wirtshäusern und Garküchen, die Gebühren für Haustrauungen, die Einkausgebühren für hierher heiratende auswärtige Weibspersonen, die Bußgelder der Bürger, die ein Meisterrecht erhalten ohne Meisterssöhne zu sein oder eine Meisterstochter zu heiraten. Die Almosensteuer selbst ergab etwa 5.000 Gulden reinen Ertrag. das Siechamt, das früher aus dem Kastenamt ein Kapital entnommen hatte, deckte die Zinsen durch einen jährlichen Holzbeitrag für die Stadtarmen, welche überdies an zwei Wochentagen unter Respizienz (Berichterstattung) des Vogtes Betteln gehen durften. Die Geldunterstützungen der Almosenpartizipienten können nicht groß  gewesen sein, da eine Schullehrerwitwe (1799) dankbar ist, wenn sie statt des bisherigen Almosengenusses nun die "Reiche Schüssel" (siehe P.55 c) erhält.

55. Milde Stiftungen

      a) Das Spital

Alle die weitläufigen Baulichkeiten, die nördlich an das Spitaltor zunächst anstoßen, also die Wohnung des katholischen Pfarrers, die Spitalkirche, die sämtlichen Lokalitäten der Zuckerfabrik, das jetzige Rentamtsgebäude gehörten zur Spitalstiftung, die vorzugsweise eine Pfründneranstalt war. Der wichtigste Besitz der Stiftung ist noch jetzt (1860) das Deutschhofgut, etwa 3/4 Stunde nordöstlich der Stadt, eine Landwirtschaft von etwa 300 Morgen Land. Die Urkundensammlung im Reichsarchiv Bd. II N. 109 weist nach, dass das Deutschhofgut im Jahre 1519 von einem Hermann Schneider zum Preis von 234 1/2 fränkische Gulden gekauft worden ist. 5 Wohngebäude, 7 Scheunen, 10 Nebengebäude dienten zur Bewirtschaftung der ganzen Stiftung. Die spitälische Waldung (nach Angabe im Jahre 1860 370 Tagewerk 16 Dec., in 8 Distrikte geteilt, der größte in Richtung Schwebheim, der zweite und dritte auf Gochsheimer Gemarkung, alle drei auf magerem Sandboden, nur für Nadelwald geeignet, auf den fünf anderen, zum Deutschhof gehörigen Vorhölzern des Staatswalddistriktes Hain, stocken vorzügliche Bestände.) betrug 444 Morgen Morgen, die Weinberge 13 3/4 Morgen, Ackerfeld noch außer dem Deutschhof 350 Morgen, Wiesen 213 3/4 Morgen. Bei alledem und alledem hatte die Spitalstiftung am Ende des Rechnungsjahres 1802 nichts übrig wegen der Lasten, die freilich nicht aus dem Zweck selbst erwuchsen, sondern aus Mißbräuchen und einer höchst ungeschickten Administration.

Die Pfründnerstiftung - ein Adeliger, Hans Kiesling, der schon vor 1371 gestorben sein muss, wird als Stifter genannt - wurde mehr als einmal in städtischen Finanznöten ohne Wiederersatz angegriffen; Schulden aus dem 30-jährigen Krieg wurden davon bezahlt, Römermonate und unverzinsliche Anlehen daraus entnommen. Die Akten darüber fanden sich teilweise noch 1802 vor. Die früheren, namentlich alle historischen Dokumente haben im Markgrafenkrieg 1554 ihren Untergang gefunden. Da sich demnach die Willensmeinung des Stifters nicht diplomatisch nachweisen ließ, so belegte man das Pfründnerhaus mit allerlei dem ursprünglichen Zweck fremden Lasten. Es lieferte die Azung (Speise) ins Waisenhaus oder Siechhaus; der Ratsapotheker samt seinem Personal wurden daraus gespeist, ferner der Spitalverwalter und ihre Familien, der Spitalkeller, der Gegenschreiber, und eine große Zahl von Dienstboten. Dabei lamen in den Jahresrechnungen bedeutende Konti für Kaffee und Zucker vor, für die sich im Küchenzettel der Pfründner gar kein Rubrum fand. Für die etlichen Sitzungen einer Deputation zur Rechnungsabhör sind 60 Gulden eingesetzt; an Faßtnacht, beim Getreidesturz und bei der Bedbesatzung werden aus der Stiftungskasse Ratspräsente erteilt und bei allen solchen Gelegenheiten werden aus derselben Kasse besondere Mahlzeiten gegeben. Für einen Platz im Spital selbst, reiche Pfründe genannt, musste eine Enkaufssumme erlegt werden, und die Zahl der reichen Pfründner, für die also eigentlich die ganze ursprüngliche Stiftung berechnet war, berug 1802 in Summe drei! Dazu hatte noch der Kaiser einen (wiener) Pfründner zu präsentieren, der mit 18 fränk. Gulden abgefunden wurde.

Neben den erwähnten Mißbräuchen war ein Hauptgebrechen der Stiftung die Administrationsweise. Mit 22 Dienstboten besorgte der Spitalverwalter die Landökonomie des Deitschhofs, auf welch letzterem sich noch ein Oberknecht mit besonderen Dienstboten befand. Der Spitalverwalter bestritt Pflug, Saat und Ernte auf fast 900 Morgen Feld, hält dazu 6 Pferde und zahlreiches Hornvieh. Die Ernte betrug 1801 und 1802 zusammen fast 1000 Malter. Mit 320 Schafen behütete das Spital einen weiten Hutdistrikt und die Träger des Spitalamts aus dem Rat, der Spitalverwalter, der Schäfer durften selbst noch Schafe dazu geben, die letzterer auf der Weide und im Stall so gut versorgte, dass nie eines davon fiel; Verluste bei Schafkrankheiten trafen immer nur die eigentlichen Spitalherden. Schon 1788 hat eine Ratsdeputation gefunden, dass die Schäferei in den letzten 7 Jahren statt eines Gewinns 1028 Gulden Verlust ergab; doch bliebs beim Alten. Nimmt man nun den oben genannten Fruchtertrag zu einem Wert von 10.000 Gulden an und rechnet davon ab Samkorn, Viehfutter, Gefahr bei Viehseuchen, Auslagen für Dienstboten und Taglöhner, Emolumente des Verwalters, des Spitalkellers, des Gegenschreibers, der Amtsträger aus dem Rat, so erklärt sich, dass auf die eigentlichen Pfründner ein kaum nennbarer Teil der Spitalrente traf; Molitor zählt 61 parasitische Bewohner der hiesigen Spitalgebäude und drei Pfründner.

    b) Waisen- und Siechhaus

Die Karmelitermönche hatten 1542 ihr Konventsgebäude an der nordöstlichen Seite des jetzigen Gottesacker (heute Alter Friedhof ggü. Hl-Geist-Kirche) verlassen und waren nach Würzburg gezogen, der letzte Restmann "verscherzte" zuletzt das ganze Kloster und die Gefälle, indem er sich verheiratete und 1543 evangelischer Pfarrer in Zeil wurde. Zwar machte Würzburg seine Ansprüche widerholt geltend. Ein kaiserlicher Hofkommissar erschien 1550, die Sache zu untersuchen und zu vergleichen, allein die Verhandlungen waren zu Ende, als im Markgrafenkrieg alle streitigen Konventsgebäude in Flammen aufgingen.Am 17. Januar 1560 zedierte der Orden gegen eine mäßige Barentschädigung die Klosterruinen und die dazu gehörenden Grundstücke und Rechte an die Stadt, und Bischof Friedrich von Würzburg, mürbe durch die Grumbach-Brückischen Händel, approbierte die Zession (Abtretung). Die Bautrümmer verwendete nun der Rat teils zum Aufbau des Rathauses, teils zu dem noch auf der alten Klosterstelle stehenden Waisen- und Siechhaus, welches nun in genaue Verbindung gebracht wurde mit dem Spital. Der Karmeliterkonvent muss bedeutendes Vermögen besessen haben, das nun an die Stadtgemeinde überging. Wenigstens wurden daraus noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts 4.757 fränk. Gulden entlehnt, und 1800 wieder 11.588 fränk. Gulden und 1802 schwebte ein Zinsrest von 30.000 Gulden. So Molitor, während um dieselbe Zeit der Rat über ein Waisenhausvermögen von 2.680 Gulden berichtet, dessen Zinsen zur Bekleidung der Waisen verwendet werde und über ein Siechamtskapital von 48.203 fränk. Gulden. Es wohnten nämlich 1802 im Waisenhaus 2 so genannte "arme Pfründner", verkommene Bürger, die das Kapital zum Einkauf in eine "reiche Pfründe" nicht voll besaßen und mehrere ganz arme Mannspersonen und "Weiberleute", die gar nichts einlegen konnten und "Waisen" hießen, ferner 15 wirklich verwaiste Knaben und 18 Mädchen. An all diese reichte das Spital seit unvordenklicher Zeit die Naturalkost, ärmlicher natürlich, als an die reichen Pfründner. An dieser partiziperten auch Weibspersonen, die zur Strafe wegen verdächtigen Lebenswandel zeitweise in's Waisenhaus gebracht und öfters an "ein Bloch" (einen Block) angeschlossen werden. Ein Waisenvater, dessen Tätigkeit und Hauszucht von Molitor gelobt wird, beaufsichtigte das Ganze, hielt für die Waisenkinder täglich besondere Schule; den Religionsunterricht erteilte zuletzt der Schulkollege Kandidat Voit. Außer den Schulstunden waren Kinder, arbeitsfähige Pfründner, Sträflinge und Personen, die sich im Winter zru Holzersparnis ins Waisenhaus flüchteten, alle in einem geräumigen Zimmer beschäftigt mit Wollspinnerei. Ein bestimmtes Pensum musste hier von allen abgearbeitet werden. Der Überverdienst wurde den Kindern gespart und deren Kuratoren übergeben, wenn sie nach der Konfirmation in eine Lehre oder in einen Dienst traten. Die Kinder schliefen je zwei in ganz schlechten Betten in finsteren Kammern und alle ohne Ausnahme hatten ein schlechtes verkommenes Aussehen, das Haus selbst war unreinlich und ruinös. Der Stadtphysikus war zum Besuch der Kranken verpflichtet und die Arzneien wurden aus Siechhausmitteln bezahlt. 

Die vielfältigen Gebrechen bei den Anstalten, des Spitals sowohl, wie dies Waisenhauses, mussten dem fremden Hofkommissar in die Augen fallen, der denn auch mit Verbesserungsvorschlägen bei der Hand ist. Man verkaufe, sagt er, die Spitalgebäude, die Bayern gerne gegen Barsumme übernimmt; man hebe die ganze Spitalverwaltung auf und bringe Pfründner und einen Hausmeister im Ebracher Hof unter, den  der Staat gegen Abrechnung vom Spitalkaufschilling der Stadt überlassen kann. In diesem Klosterhof fänden auch zwei Pächter der an Stadt gelegenen spitälischen Grundstücke Raum für Wohnung und Ökonomie; denn nach vernünftigen Finanzgrundsätzen müssen diese sowohl als der Deutschhof verpachtet werden. Letzteres Gut reicht für drei bäuerliche Pächterfamilien. Die Waisenkinder sind bei Familien in Kost zu geben. Der Spitalverwalter und sein Schreiber, ältere Leute,erhalten eine lebenslängliche Pension, etwa 200 - 300 Gulden. Auch die Amtsträger aus dem Rat mögen ihr salarium annum (jährliches Gehalt) behalten; die Mißbräuche fallen ohne Ersatz weg. Die Naturalkost für den Apotheker muss aus den Renten der Apotheke bestritten werden, wie auch andernorts der Apotheker ohne Spitalsuppen leben muss. Der Pacht von fünf Ökonomen muss die Erahltung der Pfründner und der Kinder reichlich decken.

Die Spitalgebäude sind seitdem wirklich längst teils zu kirchlichen Zwecken abgegeben, teils an den Staat abgetreten, der davon selbst wieder verkaufte. Die städtische Bewirtschaftung der Güter ist seit 1809 aufgegeben, der Deutschhof ist verpachtet, in der letzten Zeit gegen ein Pachtgebot von 4500 Gulden (einschließlich 1150 Gulden für Verzinsung und Tilgung der für Neubauten gemachten Schulden gehen an diesem Betrag noch für Steuern,Grundzinse, Unterhaltung usw. ab ca. 1750 Gulden, so dass ein Nettoertrag von 2750 Gulden verbleibt). Schon königliche Verordnungen (29. Dezember 1806; 2. Februar 1808) ermächtigten die damalige Stiftungsadministration, die zwei Pfründen, das Waisenhaus, die Kasten- und Lazaretteinnahmen (siehe Punkt 54), die reiche Schüssel (siehe unten) und die Überschüsse der Oberpfarreistiftungen zu leichterer Übersicht und besserer Verwendung zu vereinigen. Als man daher 1837 mit der Oberkuratelbehörde den beschlossenen Neubau eines Spitals zu regulieren hatte, enthielt die Regierungsgenehmigung folgende Grundsätze: a) Bei ebenerwähnten Vereinigung soll es verbleiben; b) Die Überschüsse aller oben erwähnten Stiftungen sollen in den allgemeinen städtischen Wohltätigkeitsfond fließen, obwohl eine stiftungsmäßige Berechtigung sich nicht nachweisen lässt. c) In dem Neubau sollen nicht nur Pfründner und erkrankte Bürgersleute, sondern gegen Einlagen auch fremde Kommis (Handlungsgehilfen), Lehrlinge und Dienstboten, oder wer sonst hier gegen vollen Ersatz der Kosten Hilfe bedarf (erkrankte Arrestanten, verunglückte Reisende usw.), Aufnahme finden. d) Die Waisenkinder sollen gegen Kostgeld Privaten in Pflege gegeben werden. - Der regierungsantrag, dass das städt. Spital zu einem Distriktsspital erweitert werde, wurde von der Kommune zurückgewiesen. - Mit einem Aufwand von 66.000 Gulden wurde 1846 der Bau einschließlich seiner Inneneinrichtung vollendet. Er ist jetzt (1860) vorwiegend Krankenhaus, doch haben auch über 40 Pfründner beiderlei Geschlechts darin Wohnung und Verpflegung. Zur Tilgung der Bauschuld werden aus den Stiftungsrenten jährlich 2500 Gulden verwendet, so dass nach dem Tilgungsplan (d.d. 3. Dez. 1844) in 54 Jahren Kapital einschließlich Zinsen abgetragen wird.

Das gesamte rentierende und nicht rentierende 

Spitalvermögen beträgt jetzt (1860)                               337.483 Gulden

Schulden für Spitalbau und notwendige

Deutschhofbauten                                                            76.676 Gulden

Bleibt ein reiner Vermögensstand von                           260.807 Gulden

Ordentliche Reineinnahme                                              18.229 Gulden

Ordentliche Ausgabe (darunter wenigstens 9.700

Gulden für Kranken- und Pfründnerpflege)                      17.929 Gulden

 

 

Dr. Ludwig von Jan
Dr. Ludwig von Jan

Die Waisenkinder waren lange in oben vorgezeichneter Weise untergebracht. Da jedoch nur Familien aus den untersten Ständen sich hergaben zur Erziehung solcher Kinder gegen jährliches Kostgeld von 25 Gulden, so mussten letztere ihre "Auffütterung" noch durch allerlei kleine Dienste, sogar durch Betteln verdienen, ohne Rücksicht auf die Schulpflicht. Endlich 1852 rief besonders der wahrhaft Edle Dr. von Jan, kgl.Gymnasialprofessor und Mitglied der kgl. Akademie, durch unermüdliche Tätigkeit, die selbst hier anfangs Widerwilligkeit zu überwinden hatte, durch eigene Opfer und durch Beiziehung reicher auswärts wohnender verwandter Schweinfurter eine "Rettungsanstalt für verwahrloste Kinder" ins Leben, anfangs in einem Mietslokal, seit 24.Juni 1854 im eigenen neuerbauten Haus "Mariental", wo jetzt (1860) etwa 40 Kinder Wohnung, Kost und gewissenhafte Erziehung und Schulunterricht unter einem trefflichen Hausvater genießen. Seitdem hat sich auch hier wohltätige Teilnahme der Anstalt in reichen Gaben zugewendet; die Stadt kontribuiert (hilft, nimmt Teil) ihre Kinderverpflegungsgelder und einen dankenswerten Beitrag leistet die Kgl. Kreisregierung.

c) Die reiche Schüssel

Ein Mitgleid des Achterstandes wurde bei der jährlichen Ämterverteilung beauftragt an sieben alte Witwen alle 14 Tage je 1 Viertel (s. Punkt 7) Erbsen, 1 Pfund Butter, 3 Wecken (Brötchen) und 2 Schillinge zu verteilen. den Betrag erhob er aus der Stiftung "reiche Schüssel" genannt; er besorgte den Einkauf und hatte selbst den Genuss einer solchen Pfründe bis in's Kahr 1791, wo dieser "schändliche Mißbrauch" aufgehoben wurde. Doch gaben später auch die Einkaufspreise manches zu bedenken. Herr Senator Bonzeltius machte 1800 offene Vorstellung über eigennützige Verwendung und willkürliche Verteilung der Stiftung, wurde aber ohne weitere Untersuchung ab- und zur Ruhe verwiesen. Erst 1802 wurde das Naturalalmosen aufgehoben und der Stiftungsertrag reichte hin, an 12 Witwen je 12 fränk. Gulden jährlich zu zahlen; jetzt (1860) ist er mit dem allgemeinen Wohltätigkeitsfond vereint. Letzterer verteilt in zwanzigjährigem Durchschnitt an wöchentlichen Almosen (2300), an Hausmieten (1200), an Medikamenten (350), an Stiftungsgeldern (220), an Brot (800), an Holz (1270), an Kleidung, Unterricht und Verpflegung für arme Kinder (1543) eine Durchschnittssumme von 7.683 Gulden. Deckungsmittel: Hundevisitationsgelder (360), Ansässigmachungen (22), Jagdkartentaxen (135), diverse Lizenzen und Polizeistrafen (180), Zuschüsse aus der Stadtkämmerei und besonders die Überschüsse der Spitalstiftung.

 


d) Pfarrwitwenkasse

Der Protokollar Christoph Stör legte 1735 den Grund zu derselben durch eine Stiftung von 50 fränk. Gulden, durch nun eingeführte Einlagen der Geistlichen und weitere Geschenke oder Vermächtnisse nahm das Stiftungsvermögen so zu, dass es 1802 bereits 2400 Gulden betrug, doch hatten an den Zinsertrag nur die Witwen der 4 Pfarrer an der Johanniskirche Anspruch und erst in den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts wurden 50 Gulden gestiftet als Grundstock zu einem Vidualärar für St. Salvator.

Das Kapital der Hauptstiftung war 1834 auf 5544 Gulden angewachsen und beträgt jetzt (1862) 10.647 Gulden. Es wird ohne obervormundschaftliche Einmischung vom 1. Pfarrer zu St. Johannis verwaltet, und seit 1853 ist die St. Salvatorstiftung und die St. Johannisstiftung in der weise vereint, dass die Witwe eines Pfarrers zu St. Salvator gleichheitlich als Witwe des 4. Pfarrers partizipert. Ist eine Witwe vorhanden, so erhält sie ein Drittel des Zinsertrags und zwei Drittel werden admassiert, sind mehrere Witwen da, so wir ein Drittel admassiert und zwei Drittel werden verteilt. Jeder neu hier eintretende Geistliche zahlt eine Einlage von 18 Gulden ohne Anspruch auf Rückersatz beim Ausscheiden aus der hiesigen Pfarrgeistlichkeit.


e) Almosenstiftung

Mehrere Personen haben zu verschiedener Zeit größere oder kleiner Kapitalien deponiert, wovon die Zinsen teils vom Pflegschaftsrat, teils von Verwandten des Stifters, teils vom ersten Pfarrer in kleinen Raten wöchentlich oder monatlich an Arme verteilt werden. Der Oberpfarrer verteilte 1861 a) 125 Gulden Stipendien an 5 Nutznießer, b) 97 Gulden für Unterrichtszwecke und c) 1.363 Gulden 2 3/4 Kreutzer für Wohltätigkeitszwecke, lauter kleine Portionen aus vielen einzelnen Privatstiftungen. Die Kapitalsumme all dieser Stiftungen betrug 1802 8.225 fränk. Gulden. Eine Zusammenstellung der jährlich verteilten zwischen 2 Gulden und 42 Gulden sich bewegenden Beträge lässt 1860 auf einen Kapitalstock von wenigstens 15.000 Gulden schließen. Auch mit Schulbüchern können 30 - 40 Kinder aus solchen Fonds versehen werden.

56. Molitor's Gutachten

Für den kurbayerischen Zivilkommissar kam hauptsächlich die Annexionsform (Anbindungsform) der fränkischen Reichsstadt an Bayern, die fügsamen, wie die widerstrebenden Elemente der letzteren, in Betracht; erstere mussten benützt, letztere wenn nicht gebrochen, doch gebogen werden. Molitor war, obschon Franke, doch durchaus bayerischer Beamter, der seiner Dienstpflicht gemäß vorwiegend bayerisches Interesse dabei im Auge hatte. Von diesem Standpunkt aus sind auch seine reformatorischen Vorschläge zu beurteilen. Dabei weiß er mit dem Vorteil des Gesamtstaats das recht verstandene Interesse der jetzigen Provinzialstadt meist wohl zu vereinigen. Nur seine Bemerkungen über Kirchensachen und Schulwesen, über Verwendung der reichsstädtischen Beamten bei einer vorgeschlagenen Organisation, ferner über die Territorialschuld lassen Sachkenntnis und Billigkeit vermissen. Seine sonstigen finanzwirtschaftlichen Vorschläge haben indes meistens früher oder später praktisch sich bewährt. Über seinen Mangel an Befähigung zum Urteil über höheres Schulwesen ist oben (siehe Punkt 52) schon gesprochen, sein Gutachten über die öffentliche Biböiothek ist banausisch (siehe Punkt 53), ja vandalisch. Die Bedeutung des Predigtamtes schlägt er zu gering an, wenn er drei Geistliche für beide Kirchen für ausreichend hält und zwei Stellen eingehen lassen will; wohl aber dürfte er nicht nur für jene Zeit in seinem Rechte sein, wenn er in Ehescheidungsstreitigkeiten den Geistlichen nicht genug Rechtskenntnis zutraut, um die dabei zur Sprache kommenden schwierigen Fragen über Vermögensteilung zu entscheiden, dürfte ferner noch immer im Rechte sein, wenn er die Ehescheidung auf angemessene Art erschwert wissen will. Ein großer Teil seiner kameralistischen Verbesserungsvorschläge ist bei den einzelnen Ämtern erwähnt. Die Forstkultur ist längst zeitgemäß reformiert. Das Weiderecht der Bauern in den jungen Schlägen hat aufgehört. Die freie Jagd, "für den Gewerbsmann sicherlich vom Übel", ist aufgehoben. Ein technisch gebildeter Revierförster mit 4 Waldaufsehern leitet die Forstkultur; die Jagd ist in mehrere Bogen verpachtet und trägt nach Abzug der Hinauszahlungen 164 Gulden. Die Apotheke ist nicht verpachtet, sondern (siehe Punkt 36) verkauft, ebenso sie Ziegelei. Die von Molitor gerügten (Punkt 29) Ungebührlichkeiten bei Erhebung des Floßzolles erbten sich noch länger als ein halbes Jahrhundert fort; erst 1860 erreichten sie durch strafrechtliches Einschreiten der Staatsanwaltschaft ein Ende mit Schrecken. Der Menge kleiner überflüssiger Ämtchen mit ihren Schlämpchen machte natürlich die Einsetzung bayerischer Munizipalverfassung ein Ende. Für letztere schlägt Molitor zunächst vor eine Trennung der Justizpflege vom Magistrat. Erstere muss einem landesherrlichen Beamten, wo möglich einem fränkischen in Würzburgischen Gesetzen und Gewohnheiten wohl unterrichteten und entschlossenen Mann übergeben werden, "da unter den gegenwärtigen Ratsgliedern keiner sich eignet. Die Konsuln und Scabini sind zu alt und haben durch Richtstun ihre wenigen Rechtskenntnisse vergessen. Konsulent Merck ist ein viel erfahrener, grundrechtschaffener Mann, aber ein hoher Siebziger. Konsulent Stepf ist ein fähiger, juristisch gebildeter Mann, aber nach übereinstimmenden eingezogenen Nachrichten besitzt er nicht das Vertrauen des Publikums. Er könnte außerhalb Schweinfurt im landesrechtlichen Dienst verwendet werden." (später Appellationsrat in Bamberg). "Berücksichtigung verdient noch der Senator Sixt, ein Mann von scharfer Verurteilungsgabe; doch müssten seine positiven Kenntnisse noch einer strengen Prüfung unterworfen werden" (Sixt wurde 2 Jahre darauf erster Rat des hiesigen Stadtgerichts). "Der alte Merck und Sixt könnten dann mit den landesherrlichen Beamten einen Justizsenat bilden. Als Aktuar würde ich dazu den bisherigen Sekretär Merck (wurde noch rechtzeitig vom Rat mit dem Titel Syndikus bedacht (siehe Punkt 13), kam dann als Rat ans großherzogl. Hofgericht nach Würzburg und ging später als designierter bayerischer Oberappeltionsrat in Ruhestand) vorschlagen, einen sehr geschickten, arbeitsamen, jungen Mann. Dem bisherigen Magistrat würde die Gewerbspolizei noch als moralische Existenzform verbleiben." Die Personalvorschläge Molitors fanden höheren Orts keine Berücksichtigung, noch weniger sein weiterer Vorschlag, dass der Justizbeamte auch zugleich landesherrlicher Rentmeister sein könnte, wenn ihm 2 befähigte Glieder des bisherigen Rats als Rechnungsführer beigegeben würden.

Erst 1805 trat die bayerische Organisation ins Leben. Der städtische Verwaltungsrat behielt, was ihm Molitor zugedacht. Stadtoberrichter wurde der Bambergische Bistum Baron v. Gebsattel (gest. 1837), dem 2 Räte, Sixt und Dr. Segnitz zur Seite standen. das Organ der landesherrlichen Regierung für Administration wurde Dr. Leonhard Holler mit dem Titel eines Stadtkommissars (siehe Punkt 51).

Die schwierigste, jetzt nach fast 60 Jahren noch nicht gelöste Frage bewegte sich um Ausscheidung der Renten, die dem Staat und die der Stadtgemeinde zufallen sollten. Landeshoheitsrechte und solche Besitzungen und Renten, die Schweinfurt als moralischer Souverain erworben, sollten natürlich landesherrlich werden, was aber der städtischen Gemeindeverbindung gehört hatte, sollte dieser verbleiben. Unbestreitbare Regalien die Steuer, der Zoll, das Salz-, Bretter- und Apothekermonopol (da Monopolien nur durch Landeshoheit erworben werden), die von Bürgern statt persönlicher Dienste bei der Stadtsoldatesca geleisteten Reluitionsgelder (Ablösesummen) (da nur der Landesherr Militär hält), "die aber bedeutend ermäßigt werden müssen, da es wahrhaft unbegreiflich erscheint, wie in Kriegszeiten für ein so winziges Kontingent 10.000 fränk. Gulden verlangt werden konnten. Auch den Fleischakzise (Verbrauchssteuer) und die Daz hält Molitor für Regale.Das Schutzgeld der Schutzverwandten und Beisassen ebenso, da sie nicht zur bürgerlichen Gemeinde gehören, sondern landesherrlichen Schutz

genießen. Die bedenklichsten Zweifel erregt die Mühle und der Forst einerseits und die Terrotorialschuld andererseits. Es ist unmöglich nachzuweisen, mit welchen Mitteln der Wald erworben, die Mühle gebaut wurde. Landesherrliche Gefälle, die in die Obereinnahme flossen, wurden jedenfalls auch dazu verwendet; ganz kann also die Landeshoheit mit ihren Ansprüchen nicht zurückgewiesen werden. Hier ist eine Ausgleichung zu versuchen. Ähnliches gilt von der Stadtschuld. Sie ist (größtenteils) durch den Krieg entstanden und manche Rechtslehrer wollen solche Schulden dem Gesamtstaat zur Last schreiben, da auch der Krieg selbst nicht Sache der Einzelgemeinden, sondern des Gesamtstaats sei. Molitor hält diese Theorie für praktisch unausführbar und rubriziert solche Kriegsschulden unter die Lokalschäden, die eben auch lokal getragen werden müssten". 

Die beiderseitigen Interessen vermittelnd schlägt er nun vor: "Die Stadt behält die bisherigen Regalien außer der Steuer und dem Zoll, ferner die (baufällige) Mühle und die Gesamtschuld; der Staat nimmt dagegen den Forst, der bisher der Stadtgemeinde ohne allen Nutzen war und nur gewachsen zu sein schien, um die kalten Väter der Stadt zu wärmen, der aber nach forstökonomischen Regeln behandelt unter angemessener Beschränkung der Hutrechte eine reiche Einnahmequelle für den Landesherren werden kann". Sah wohl Molitor, dass er diesem dadurch den Löwenanteil zuweist? Die Mittel, die er der Stadt zur Zahlung ihrer Schulden angibt, würden nicht gereicht haben zur Bezahlung der Hälfte der Zinsen. Fast komisch klingt es, wenn er dabei auch vorschlägt: Jeder künftig zu installierende  Pfarrer muss um mäßige Taxe sein Pfarrhaus kaufen und bei dessen Ableben erhalten seine Erben vom Nachfolger den betrag einer neuen Taxe. 

Wirkliche Beschlüsse erfolgten auf diese Vorschläge zunächst nicht, doch fiel der Gemeinde nach einiger Zeit wenigstens ein Alp von der Brust, die Furcht vor Inkamerierung der Waldungen. Als nämlich 1840 die Stadt im Presburger  Frieden Würzburgisch wurde, verzichtete der Großherzog auf ihren Besitz und später machte auch Bayern keinen Anspruch mehr auf dieselben. Die Schuldenfrage ist wie oben gesagt noch jetzt (1862) icht endgültig entschieden.

Anmerkung aus dem Jahre 1862: Im Jahre 1796 liquidierte die Stadt beim Reichstag in Regensburg in Folge der französischen Okkupation eine Summe von 445.644 Gulden ohne die Personallasten und Feldschäden. Natürlich vergebens. Als Molitor schrieb (Punkt 22 a.E.) betrug die Stadtschuld noch 318.486 Gulden mit 15.000 Gulden zu verzinsen. (nach einer anderen Angabe 314.688 Gulden) Durch Zuschüsse vom Staat und aus der Gemeindekasse, durch Verkauf von Realitäten war 1822 diese Schuld abgetragen bis zu einem Rest von 192.233 Gulden. Seit dieser Zeit schwebt zwischen der Stadtgemeinde und dem kgl. Fiskus ein Rechtsstreit über die Ausscheidung und Übernahme der Gesamtschuld, der in neuerer Zeit zu Vergleichsverhandlungen geführt hat, die ein nahes Ende des Rechtsstreits erwarten lassen. Während des Provisoriums zahlte der Staat den Zinsbetrag mit jährlich 7561 Gulden 5 1/2 Kreutzer.      

57. Schluß

So war Schweinfurt zu Ende der Reichsfreiheit. Seine Verfassung anerkannt unhaltbar seit Jahrzehnten, außer Acht gelassen, wo man es für gut befand, seine Väter lächerlich gering besoldet, darum ihr Ämtlein fleißig melkend, oft mit naiver Offenheit, Mißbräuche durch Gewohnheit geheiligt, Freiheiten, Rechte, Privilegien in Menge, aber wenig Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit. So wenig als das heilige römische Reich heilig oder römisch war, so wenig war die freie Reichsstadt frei oder reich. Die Stadtschuld war ungeheuer gewachsen unter dem Kriegsdruck, die Mittel zur Tilgung noch nicht erschlossen. Wie der Reichskörper im Ganzen, so war auch das Stadtwesen kadaverös geworden. Aber es steckte in letzterem ein neuer Lebenskeim, der nach Luft und Licht emporstrebte. So wie der "beschränkte Untertanenverstand", so war die jetzt oft vermisste altbürgerliche Einfachheit hier noch eine Wahrheit. Nicht spielend sollte schon der Knabe lernen, sondern sudando, algendo; nicht im Rollwagen wurde er zu den Wissenschaften geführt; der strenge Lehrer hieß noch nicht grober Pedant. Im Hause war der Sohn, die Tochter noch nicht mit den Eltern durch das trauliche Du in eine liebevolle Gleichheit gesetzt; der Respekt war vorherrschend. Die lateinische Schule hatte auch für den Bürgersmann einen Wert und mehr als ein Handwerker las hier vor 70 Jahren noch in Ruhestunden seinen Horaz nach Gottschling. Die Bibel musste man nicht erst bei zufällig sich ergebender Gelegenheit aus der Dachkammer holen. Die so genannt höheren Stände waren allerdings angefressen von französischer Libertinage und ältere Männer hiesiger Stadt geben gar manche unerfreuliche Bilder des Familienlebens in Herrenhäusern jener Zeit, wovon freilich die Ratsprotokolle nichts schreiben. Aber es fehlte auch die Kehrseite fast ganz, der proletarische Pauperismus mit seiner gemeinen Unsittlichkeit. Zwischen beiden war vielmehr weitaus hier vorwiegend ein achtbarer Kleinbürgerstand, fleißig, gehorsam, häuslich, nicht wirtshäuslich, frommkirchlich; man machte den Geistlichen es möglich, nicht nur Prediger, sondern Seelsorger zu sein.

Unter solchen Umständen wurde die Gährung des Verfallen hier wie in den meisten anderen Reichsstädten ein fruchtbares Verfallen und gesundes Leben regte sich, sobald die Wunden des 20-jährigen Krieges zu vernarben anfingen. Von Fremden freilich musste der ehemalige Reichsbürger lernen, seine Hilfsmittel flüssig zu machen; die Monarchie erst brachte eine Verfassung, die Gleichheit vor dem Gesetz gewährleistet, eine Justiz, die kein Ansehen der Person kennt; der Monarchie erst, und  namentlich der zähen Tätigkeit eines bayerischen Monarchen gelang es, die Wälle der Zollausschließlichkeit niederzureißen; auf Eisenstraßen erreicht der spekulierende Handelsherr jetzt schneller die Ostsee, als vor 6 Jahrzehnten der Krämer die Bamberger Messe. Unter der bayerischen Monarchie erst wurde aus der Toleranz der Gleichberechtigung und Einzelversuche zur Störung dieses Verhältnisses finden keinen Boden. Ist also auch die Reichsstadt als politischer Körper verschwunden, so ist doch daraus eine Stadt der Arbeit, des Gewerbes, der großen Industrie geworden, der die alten Mauern zu eng werden; sie hat jugendlichen Trieb größer zu werden und wächst vor unseren Augen. Weiterblickende fürchten allerdings für die Dauer der Ruhe unseres großen Vaterlandes; der glücklichen Pentecontaetie (Friedenszeit) auch des 19. Jahrhunderts, meinen sie, werden Kriege folgen, nicht minder blutig, nicht minder folgenschwer als die in den nächst vorhergehenden zwei Dezennien. Aber die wüsten Gestalten eines Eiring von Reinstein, eines Poppo von Henneberg, eines Albrecht von Brandenburg und wie diese Städteverwüster sonst heißen, sind neben fest gegründeter Zivilisation eine Unmöglichkeit; auch schweren Zeiten, die immerhin kommen können, wird Bayern in Achtung gebietender Stellung entgegen gehen und Schweinfurt hat als Teil desselben ein Recht auf dessen weisen und mächtigen Schutz.  

 

ENDE