Ein handgezeichnetes und handgeschriebenes Handwerkszeugnis aus Schweinfurt ca. 1790
TEXT: ICH LEO PARD KAUF= U: HANDELS=MANN IN DER KAYSERL: UND DES HEIL UND
REICHSFREYEN STADT SCHWEINFURTH BEZEUGE HIERMIT: DAS GEORG MORITZ, GEBÜRTIG VON CÖTHEN, BEY MIR DREY JAHRE ALS HANDLUNGSBEDIENTER GESTANDEN, UND DIESE ZEIT ÜBER sich brav und ehrlich
aufgeführeth
Nach „Calligraphia oder Selbstlehrende Schönschreibekunst“ von Johann Heinrich ZANG (1733-1811), Würzburg 1762.
Feder mit brauner Tinte auf Papier, 19 x 33 cm
Blatt mit kalligraphischem und figürlichem Schmuck mit einem (fiktiven) Meisterbrief für den Handelskaufmann Georg Moritz. Das Motiv des vorliegenden Blattes findet sich dem kalligraphischen Vorlagenbuch „Calligraphia oder Selbstlehrende Schönschreibekunst“ von Johann Heinrich Zang (Nr. 33), erstmals erschienen 1762 in Würzburg (Selbstverlag).
Der kalligraphische Text besteht aus 7 Zeilen in variierender Schriftart und – größe. Der figürliche Schmuck besteht aus drei Figuren: eine weibliche Figur, die schreibend („Laus Deo…“) in einer Art Handelskontor sitzt, einen liegenden jungen Mann mit Wappenkartusche sowie eine Merkurstatuette. Merkur galt in der Antike als Gott des Handels ist passend zur Profession des Handelskaufmanns gewählt. Weitere Spiralornamente füllen die Zwischenräume zwischen den Buchstaben und lassen die Blattoberfläche als ein einziges zusammenhängendes Ornament erscheinen.
Bei diesem Blatt handelt es sich um eine Nachzeichnung der Vorlage Nr. 33 aus dem kalligraphischen Lehrbuch von Johann Heinrich Zang. Dass es sich dabei um eine Nachzeichnung handelt, machen die gegenüber der Vorlage abweichenden Details deutlich. So beispielsweise die anders ausgearbeiteten Gesichter der Figuren, die unexakter platzierte Spitze der Schreibfeder der schreibenden weiblichen Figur sowie die fehlende Inschrift innerhalb des rechten kalligraphischen Ornaments. Der talentierte Schreiber des Blattes ist unbekannt.
Der Inventor der Vorlage, Johann Heinrich Zang (1733-1811), Kantor inMainstockheim bei Würzburg, ist bekannt als Komponist von mehreren Kirchenkantaten sowie als Autor von Handwerksbüchern. Sein Buch über Kalligraphie ist mit 38 Seiten eines der umfangreichsten Werke dieser Art am Ende des 18. Jahrhunderts. Die ersten Bücher dieser Art entstanden bereits Anfang des 16. Jahrhunderts in Italien (z.B. Sigismonod Fanti, Theoretica et practica […] in artem mathematicae professoris modo scribendi fabricandique omnes litterarum species, Venedig 1514). Doch auch auf deutschem Gebiet wurde die Lehre der Schreibmeisterkunst im Buchformat schnell aufgenommen. Ein frühes Beispiel hierfür ist das als „Fundament“ (Nürnberg 1519) bezeichnete Schreibmeisterbuch von Johann Neudörffer (1497-1563), bei dem es sich um eine kleine Sammlung kalligraphisch ausgestalteter Beispieltexte handelt.
Weiterhin befanden sich einzelne kalligraphische Blätter oft auch in Zeichenbüchern, die nicht nur den Kunstwert und den Anspruch der Kalligraphie verdeutlichten, sondern auch über eine ähnlich schrittweise erfolgende Didaktik funktionierten. Didaktisch ausgerichtete Schullektüre oder künstlerische Vorlagenwerke – die Kalligraphie operierte in beiden Bereichen und diente gleichermaßen der Schulung von Geduld, Konzentration sowie einer ruhigen Hand.
Literatur: Roth, Michael: Johann Neudörffer der Ältere und der Beruf des Schreibmeisters, in: Roth, Michael (Hg.): Schrift als Bild, Berlin 2011, S. 110-123.