1800 - 1900
Mit dem Abzug der Truppen aus der Stadt brachen wieder die alten Konflikte zwischen dem Rat der Stadt Schweinfurt und seinen Bürgern wieder offen zu Tage. Zu sehr hatte man wieder die Bürger mit allen Lasten belegt und seine eigene Interessen gewahrt. Mißbräuche und Unterschlagungen nahmen ihren Fortgang und Willkür und Klassendenken blieben auf der Tagesordnung. Bezeichnend ist, dass im Juni 1801 der Schweinfurter Konditor Pollich eine Strafe von 20 Reichstalern erhielt, weil sein Schwiegervater die Hochzeitsgäste aufgrund plötzlich eintretenden Regens ins Brauhaus fahren ließ. Dies war nämlich nur den Ersteklasse-Bürgern erlaubt!
Ein Aufstand gegen den Rat der Stadt, der kurz bevor stand, erübrigte sich durch den Verlust der Reichsfreiheit der Stadt Schweinfurt im Jahre 1802. Max Joseph, Kurfürst von Bayern, wandte sich wie andere Fürsten auch an Napoleon und erhielt als Ausgleich für verlorene Gebiete die Zuteilung von 6 Bistümern, 11 Abteien, 15 Reichsstädten, darunter Schweinfurt und drei Reichsdörfer, darunter Sennfeld und Gochsheim.
Als am 01. Juli 1802 dies sich als Gerücht in Schweinfurt verbreitete fiel dem Rat der Stadt, der wusste, dass er keinen Rückhalt bei seinen Bürgern mehr hat, nichts anderes ein, als die
Ratsmitglieder schnell noch zu befördern, in der Hoffnung, dass sie ihren Rang auch unter bayerischer Flagge beibehalten könnten.
Am 06. September 1802 rückten bayerische Tuppen in die Stadt ein und besetzten sie. Am 04. Dezember 1802 wurde Schweinfurt offiziell bayerisch. Der bayer. Geheimrat Asbeck aus Würzburg kam auf den Marktplatz und vereidigte die Schweinfurter Miliz und ließ das Rathauspersonal im Rathause den Huldigungseid ablegen. Überall wurden bayerische Wappen angebracht. Am 25. Februar 1803 erfolgte die offizielle Zustimmung der Reichsversammlung in Regensburg. Viele Schweinfurter weinten als die Stadt ihre Selbständigkeit verlor. Doch tatsächlich erhoffte man zu Recht eine Verbesserung der Lage der Stadt, die auch tatsächlich eintrat.
In jener Zeit entstand auch das Uhrwerk der Turmuhr von St. Salvator in Schweinfurt, das heute im Schweinfurter Stadtgeschichtemuseum zu sehen ist. Es trägt die Inschrift: Nachkommen! Seht so ändert sich das Spiel in unsren Tagen / Reychsfreie Bürger bauten mich / Bayrisch werd'
ich schlagen
Am 10. Februar wird der (damals) neue Friedhof, der heutige Hauptfriedhof in Schweinfurt eingeweiht.
Eine Wohltat der "Bavarisierung" Schweinfurts war die Tatsache, dass die bisherigen korrupten Schweinfurter Räte ihre von Machtmißbrauch erfüllten Ämter verloren, was nicht wenigen Schweinfurtern ein Trostpflaster für den Verlust der "freien Reichsstadt" gewesen sein muß.
Von nun an bestand die Stadtverwaltung aus dem bayerischen Stadtkommissar, zwei Bürgermeistern, einem bauverständigem Rat und drei bürgerlichen Räten.
Das Polizei- und Gerichtswesen wurde vollständig von der Stadtverwaltung getrennt. Das Gerichtswesen wurde untergliedert in Stadt-, Land- und Kreisgericht. Zu ersterem gehörten dem Namen entsprechend die Bürger der Stadt, zum Landgericht die Einwohner der umliegenden Dörfer und zum Kreisgericht die Adeligen und höher stehenden Personen der Stadt.
Beamte der Polizei und des Gerichts sowie die Mitglieder der Stadt wurden von der Bayerischen Regierung so dass die Schweinfurter selbst hierauf keinen Einfluß nehmen konnten. Dies war bis spätestens im Jahre 1818 der Fall, als die Bayerische Verfassung in Kraft trat. Die Zahl der bürgerlichen Räte wurde dann auf acht erhöht und diese, dann als Magistratsmitglieder bezeichnet, erhielten ein Gremium von 24 Männern beigeordnet, welches sich das Kollegium der Gemeindebevollmächtigten nannte. Insofern erhielten die Schweinfurter ein kleines Stück Selbstverwaltung wieder zurück, denn diese durften Männer aus ihrer Mitte bestimmen, die dann die Generalbevollmächtigten wählten und diese wiederum die Magistratsmitglieder. Die Demokratie befand sich also in ihren Kinderschuhen...
1848, als in Frankreich erneut eine Revolution ausbrach und das Volk sich erhob, griff dies auch in Deutschland und damit in Schweinfurt um sich. Dies war ohne Erfolg und die in Schweinfurt
"Unruhe stiftenden" Einwohner wurden verhaftet und nach Haudurchsuchungen alle Waffen eingesammelt und im Rathaus deponiert. Nachdem Ruhe eingekehrt war, erhielten die meisten Bürger ihre Waffen
wieder zurück.
Die Verkehrswege in und um Schweinfurt waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts äußerst schlecht. In der Stadt mangelte es teilweise an Befestigungen der Straßen, insbesondere wurde Gülle und Mist vor den Häusern gelagert und mit Wägen auf die Felder gebracht, sodass auch insgesamt von schlechten hygienischen Verhältnissen in jener Zeit auszugehen ist. Die nächsten Städte, Würzburg und Bamberg waren nur auf unbefestigten Straßen erreichbar, sodass das Reisen dorthin auch beschwerlich war und dies auch den Handel hemmte. Eine Reise war nur mit dem Schiff oder dem Postwagen möglich, beides jedoch nur langsam zu bewerkstelligen.
Der Weg von Schweinfurt nach Mainberg war auch in einem äußerst mangelhaften Zustand, sodass die Regierung in den Jahren 1826 - 1829 dieses Straßenstück Richtung Bamberg bis Mainberg in eine Chaussee umgebaut wurde, was mit großer Begeisterung aufgenommen wurde. Die Stadt dankte dies der bayerischen Regierung oder auch dem damaligen Regenten Bayerns, König Ludwig I., mit der Errichtung des Ludwigsbrunnens, der noch heute die Verbindungsstraße nach Mainberg schmückt. Auch baute man in der Stadt sukkzesive die Straßen aus, so auch die Niederwerrner Straße.
Anfang dieses Jahrhunderts waren die Straßen nicht beleuchtet. Lediglich Gaststätten hatten während der Öffnungszeiten ein Lampe außen hängen. Dieser Umstand führte zu vielen Streifengängen der Polizei, damit die öffentliche Ordnung auch des Nachts gewahrt wurde. Die Stadttore wurden im Winter um 22 Uhr und im Sommer um 23 Uhr geschlossen. Erst ab 1838 blieben die Tore in Friedenszeiten rund um die Uhr geöffnet.
Die Bürger waren im Hinblick auf die fehlende Beleuchtung unzufrieden. Im Jahre 1819 schloss sich deshalb eine Gruppe von Bürgern zusammen, die sich bereit erklärten, zwölf neue
Straßenlaternen aufstellen zu lassen und diese auch drei Jahre lang zu unterhalten, wenn der Magistratsrat sich bereit erkläre, danach den Unterhalt zu unternehmen. Diese löbliche Inititive von
Besserverdienenden nahm der Rat danken an und so kam es zur Aufstellung dieser Straßenlaternen.
Das Bildungssystem war Anfang des 19. Jahrhunderts weitgehend verkümmert. Gelehrt wurde zum einen in den "deutschen Schulen", auch Elementarschulen genannt oder in der Lateinschule.
Die deutschen Schulen waren teils städtisch, teils privat, letztere auf Initiative von Lehrern, die Räume anmieteten und dort Lesen, Schreiben und Rechen unterrichteten.
Bis 1800 konnten gemäß der Chronik Enderleins sehr viele Schweinfurter weder lesen noch schreiben. Doch war der neue bayerische Magistratsrat mehr um Bildung bemüht als ihre Vorgänger. 1831 entstand in der Johannisgasse ein Gebäude für katholische Schulen und 1835 ein weiteres in der Kirchgasse für evangelische Schüler.
Die Schweinfurter waren stolz auf ihre "höhere Bildungsanstalt" mit sechs Klassen. Die ersten fünf stellten die sogenannte Lateinschule dar und die sechste das Gymnasium.
Lunkenbein schreibt in "Geschichte der Stadt Schweinfurt" dazu folgendes: "Während die Lateinschule gut besucht und mancher Handwerker imstande war, Vergil und Homer zu lesen, zählte das Gymnasium im Jahre 1802 nur vier Schüler, weshalb es im Jahre 1809 durch die bayerische Regierung zum großen Schmerze der Bürger aufgehoben wurde. Doch wurde es 1829 wieder ins Leben gerufen."
Einen Jahresbericht des königlichen Gymnasiums Schweinfurt für das Jahr 1832/33 finden Sie hier: Jahresbericht 1833
In Kriegszeiten mussten Bürger zur Waffe greifen und an den Toren und Mauern Wache stehen. Ab 1807 war die Pflicht in einer Art Wehrdienst in Form eines "Bürgermilitärs", das im Jahre 1831 in eine "Landwehr" umgewandelt wurde, die unterteilt war in Kavallerie, Grenadiere, Füsiliere, Schützenkorps und Artillerie.
Auch waren ab 1803 die Söhne der Stadt verpflichtet, im Bayerischen Heere zu Wehrdienst zu machen, was alles andere als ein Zuckerschlecken gewesen sein soll.
Schweinfurt stand auf der Seite Napoleons, da das Bayerische Königreich dessen Verbündeter war. Bayern wurde - auch in Schweinfurt groß gefeiert - am 10. Januar 1810 zum Königreich erhoben.
1810 bis 1814 kam Schweinfurt vorrübergehend an das Großherzogtum Würzburg.
Die Allianz Schweinfurts mit Napoleon endete mit der Völkerschlacht von Leipzig vom 16.- 18. Oktober 1813. Am 24. Oktober 1813 lagerte auch eine Truppe Kosacken vor Schweinfurt, zu denen sich immer mehr russische Soldaten einfanden. Diese verfolgten sie französischen Truppen Napoleons. Auch der russische Kaiser war dabei. Kaiser Alexander I. übernachtete im Schopper'schen Haus, dem heutigen Brauhaus an der Nordseite des Marktplatzes, worauf auch die Gedenktafel hinweist.
Kurze Zeit später, am 31.März 1814, zogen die Truppen der Allianz gegen Napoleon in Paris ein und besetzten es. Der Krieg war damit beendet und dies wurde in Schweinfurt am 17. April 1814 mit einem Dankfest mit kirchlichem Gottesdienst gefeiert, obwohl man offiziell auf der Seite des Verlierers stand. Mit dieser Nierlage Napoleons fiel Schweinfurt auch an Bayern zurück, da das Großherzogtum Würzburg sein Ende fand.
Doch hatte der Krieg schwer die finanziellen Verhältnisse Schweinfurts belastet. Und da die bayerische Regierung nicht half, war die Stadt gezwungen, immer wieder Veräußerungen von
Besitztümern vorzunehmen. Unter anderem wurde dabei die Spitalkaserne und das Zeughaus zum Verkauf angeboten. Das Rentamt bezog auf diese Weise 1825 nach Erwerb einen Teil der Gebäude, nämlich
die am Steinweg (heute Schultesstraße) und den an der Johannisgasse liegenden Gebäudeteil. Der Frühindustrielle und Kaufmann Wilhelm Sattler erwarb 1826 die übrigen Teile und errichtete am
äußeren Teil der Spitalkaserne mit zwei Partnern eine Zuckerraffinerie als eine der ersten derartigen Raffinerien Süddeutschlands. Ebenso kaufte der Oberpfarrer Peter Christian Friedrich Endres von der Stadt die unter dem weißen Turm gelegene Schanze und erbaute dort
eine Villa im römischen Stil, die später bis ins 20. Jahrhundert hinein als Badeanstalt diente.
Unter der Führung von Jens Sattler (1810 - 1880) und auf Initiative seiner Mutter Catharina Sattler (1789 - 1861) wurde am 23. November 1833 der (zunächst) Männergesangsverein "Liederkranz Schweinfurt" geründet. 1848 folgte eine Gruppe von 41 Damen (Jens Sattler nannte sie "Jungfrauen"), die einen eigenen Frauenchor gründeten. Bis man "es wagte" mit einem gemischten Chor aufzutreten, verging allerdings längere Zeit. Dies geschah erst 1879. Überhaupt tat man sich lange Zeit mit dem weiblichen Geschlecht schwer: Bis 1939 durften nur Angehörige von männlichen Mitgliedern beitreten. Das Wahl- und Stimmrecht ließ bis 1939 auf sich warten....
Am 20. Oktober 1850 wurde in Schweinfurt die neue Halle für die Freie Christliche Gemeinde eröffnet.
Zur Eröffnung an diesem Tage wurde eigens ein "Katechismus der Seelenlehre, Religion der Menschlichkeit und der Moral" herausgegeben. (links)
In diesem Buch wurden auch die Ansichten "der vorzüglichen Vorkämpfer der Religion unserer Zeit im Auszuge" dargelegt.
Dem Buch war die Ansicht der neuen Halle vorangestellt worden. (siehe unten)
Im Jahre 1850 fand im Mai "auf dem Rathause" ein große Pocken-Schutzimpfung statt, was man dem Schweinfurter Intelligenzblatt vom 05. Mai 1850 entnehmen kann.....
Ein Intelligenzblatt war seit dem 18. Jahrhundert ein amtliches Mitteilungsblatt nach englischem Vorbild mit Bekanntmachungen wie Gerichtsterminen, Ausschreibungen, Konkursen, Zwangsversteigerungen, Listen der in den Hotels abgestiegenen Fremden u.a. sowie geschäftlichen und privaten (Klein-)Anzeigen, u. a. Vermietungs-, Verkaufs- und Familienanzeigen (Geburts-, Hochzeits- und Sterbe-Anzeigen). Das Intelligenzblatt war die erste Form eines Anzeigenblattes, so auch in Schweinfurt.
Massiven veränderte sich die Entwicklung Schweinfurts mit dem Bau der Eisenbahn (siehe "Die Eisenbahn"), für Schweinfurt beginnend im Jahre 1852.
Da der Transport von waren damit einfacher zu bewerkstelligen war, machte diese neue Einrichtung viele Fischer, die mit Warentransporten auch ihr Geld verdienen mussten, arbeitslos. (Siehe hierzu auch eine kleine Erzählung) Der Fischerstand reduzierte sich damit beträchtlich. Zunächst entstand als Bahnhof Schweinfurts der Stadtbahnhof (heute Stattbahnhof), denn zunächst gab es nur die Verbindung Bamberg - Würzburg. Als jedoch die Verbindung nach Meiningen hinzu kam, erwies sich der Standort als falsch und so wurde ein weiterer Bahnhof auf Oberndorfer Gebiet gebaut, der heutige Hauptbahnhof, der 1874 in Betrieb genommen wurde. Er hieß zunächst Bahnhof Oberndorf-Schweinfurt, später Zentralbahnhof Schweinfurt und schließlich Hauptbahnhof Schweinfurt.
Gesamtansicht Schweinfurts von Osten (Morgenseite) her gesehen. Der Holzstich zeigt Schweinfurt im Jahre 1852.
Zu diesem Holzschnitt ist folgender Text ausgeführt:
"Schweinfurt (Suinforto, Trajectus Suevorum), ehedem reichsfreie Stadt unterm 50° 10' der Breite, 27° 29' der Länge, 622' über dem Meere am rechten Mainufer an der Ludwigs=Westeisenbahn gelegen, mit 1633 Familien, 7.773 Einwohner, 2126 Gebäuden, von denen 2102 Privatgebäude, 3 Kirchen, 5 Cultusgebäude, 8 Schul- und Wohlthätigkeitsgebäude, 9 Bureaus und Dienstwohnungen, also 25 öffentliche Gebäude sind.
Die Stadt ist der Sitz eines kgl. Kreis- und Stadtgerichtes, eines Stadtcomissariates, eines Landgerichtes, eines Rent- und eines Hauptzollamtes, einer Telegraphenstation, einer Bahnhof- und Postverwaltung, einer Bauinspektion, einer Salzoberfaktorei, eines protestantischen Decanates mit 2 Pfarreien, eines katholischen Pfarramtes, eines Gymnasiums, einer lateinischen Schule, eines Handlungslehrinstituts, einer Landwirthschafts- und Gewerbsschule, einer höheren Mädchenschule, hat zwei Zuckerraffinerien von U. Wüstenfeld und Sattler u. Comp., Bleiweiß-Farbenfabrik von Gademann und Berg, eine Ultramarinfabrik von H. Gademann, eine Farbenfabrik von W. Sattler , mechanische Baumwollenspinnerei, 2 amerikanische Mühlen, viele andere Mühlen, Tabakfabriken, 8 Jahrmärkte, eine Messe, Getreide-, Viktualien- und Wollmärkte, Wein-, Getreide-, Holz-, Obst-, Gemüsebau und Gemeindewald, Schifffahrt, Groß- und Speditionshandel, ein Bürgerspital, ein Krankenhaus, ein Armen-Versorgungs- und Waisenhaus, ein Leihhaus mit Sparkasse.."
Die zunehmende Einwohnerzahl und die zunehmende Industrialisierung Schweinfurts wird anhand vorstehenden Ausführungen deutlich. Waren Anfang des Jahrhunderts nur 5000 Einwohner in der Stadt waren es nun im Jahre 1852 7.773 und bis 1900 wurden es gar mehr als 20.000.
Doch wurde die Entwicklung Schweinfurts zunächst durch eine weitere kriegerische Auseinandersetzung belastet.
1866 brach der Krieg zwischen Österreich und Preußen aus. Auch Bayern und damit Schweinfurt traten auf Seiten Österreichs in den Krieg ein. Nahe Schweinfurts wurde in dieser Zeit ein großes
Militärlager eingerichtet, in dem bis zu 9.000 Mann Infanterie einquartiert wurden. Als Preußen gegen Böhmen und gegen Bayern marschierte, gegen letztere mit der Mainarmee, verließen die meisten
Soldaten das Lager, um gegen die Preußen an die Saale zu ziehen. Bei Roßdorf nördlich von Meiningen kam es zu einer großen Schlacht, in der die Bayern unterlagen und sich zurückziehen mussten. In
Schweinfurt kamen viele Verwundetentransporte an und wurden im Gewerbeschulgebäude, das in ein Militärlazarett umgewandelt worden war, untergebracht. Nach weiterem Vordringen der Preußen kam es
erneut zwischen Hammelburg und Bad Kissingen zu einem Gefecht. Auch hier blieben die Preußen Sieger. Das bayerische Heer zog sich nach Schweinfurt zurück und musste hier versorgt werden. Ein Teil
der Schweinfurter Bevölkerung flüchtete. Man bereitete sich seitens des bayerischen Heeres auf eine Verteidigung bei Schweinfurt vor und zerstörte alle auf dem Main befindlichen Schiffe, brach
Eisenbahnschienen auf, verbarrikardierte den Eisenbahntunnel. Als die ersten preußischen Truppen in Maibach auftauchten zog sich jedoch das bayerische Restheer nach Gerolzhofen zurück und
Schweinfurt war weitgehend schutzlos. Doch - für Scheinfurt wie ein Wunder - änderte das preußische Heer seine Stoßrichtung und schwenkte nach Gemünden ab. Schweinfurt blieb verschont.
Bereits vier Jahre später jedoch brach erneut ein Krieg aus. Erneut kam es zu einem Krieg zwischen Deutschland und Frankreich, sodass am 25. Juli 1870 das Schweinfurter Landwehrbataillon mit der Eisenbahn ausrücken musste. In Schweinfurt wurde zur Unterstützung der vereinigten deutschen Streitkräfte ein Verein für Bewirtung und Verpflegung sowie der Pflege Verwundeter und der durch Schweinfurt kommenden Soldaten gegründet. Die Wirtschaft erlahmte erneut, denn die Eisenbahn wurde nur noch zur Versorgung des Heeres eingesetzt. Am 19. August 1870 wurde der deutsche Sieg bei Rezonville und Gravelotte auf dem Marktplatz gefeiert. Erneut feierte man in ähnlicher Weise am 03. September die Gefangennahme Napoleons. Da sich die Belagerung von Paris längere Zeit hinzog, wurde Mitte Oktober eine große Lebensmittelsammlung in Schweinfurt durchgeführt. Diese wurde dann von zwei hierfür Abgeordneten mit Wägen nach Paris zur Versorgung der dort im Einsatz befindlichen Schweinfurter Soldaten gebracht.
Als in Versaille die Kaiserproklamation veröffentlicht wurde und der Vorfriede mit Frankreich geschlossen wurde, veranstalteten die Schweinfurter einen großen Festzug und ein Festbankett. Alle Gebäude wurden beflaggt und viele Bauten beleuchtet. Auf dem Zeughausplatz wurde eine Friedenslinde gepflanzt. Nachdem ab 15. März 1871 die deutschen Soldaten zurücktransportiert wurden, trafen von den ca. 250 Schweinfurtern, die im Einsatz waren, bis auf zehn alle wohlbehalten zurück. Für diese wurde in der Festhalle auf dem Bleichrasen (heutige Maininsel) ein großes Fest abgehalten. Für die Gefallenen errichtete man ein Kriegerdenkmal.
Der Verein wurde am 16. September 1872 gegründet. Vereinszweck nach § 1 der Satzung: "[…] Pflege eines auf gegenseitige Achtung gegründeten cameradschaftlichen Verhältnißes aller im Jahre
1866, 70/71 im Felde gestandenen oder vielmehr mit den dies bezüglichen Denkmünzen decorirten Militärs, verbunden mit möglichster Unterstützung erwerbsunfähiger, dem Vereine angehöriger,
hilfdbedürftiger Kameraden." Der Akt endet 1912 mit dem 40jährigen Vereinsjubiläum. Vermutlich ist der Verein 1945 durch die amerikanische Besatzungsmacht verboten worden.
Quelle: StadtASw, Vereinsakten 271.
Einweihung des Rückert-Denkmals 1890
Bereits zu Lebzeiten Friedrich Rückerts spielte man mit dem Gedanken, ihm in Schweinfurt ein Denkmal zu setzen. Doch aus Kostengründen entschied man sich zunächst an seinem Geburtshaus eine Bronzetafel anzubringen. Das Umdenken kam, als der König von Preußen und die britische Queen Victoria den Bau einer Kolossalbüste unterstützten. Zunächst dachte man eine Lotterie, um den Bau zu finanzieren. Doch dann kam es zu einer Spendensammlung, die allerdings nicht die erhoffte Summe erbrachte, obwohl Königshäuser sich spendabel zeigten. 13.560 Mark kamen zusammen, den die Stadt auf 20.000 Mark aufstockte. Aus München kamen weitere 25.000 Mark, auf einen Bittbrief hin.
Die Einweihung war dann ein großes Event! Drei Tage feierte man die Errichtung dieses Denkmals. Johannes Brahms, befreundet mit Rückert-Tochter Marie wollte sogar eine Ouvertüre zum Festakt komponieren. Doch erreichte ihn der Auftrag hierzu zu spät. Im Stadtarchiv ist der Brief von Brahms zu finden mit den Zeilen: "Ich wäre hochbeglückt gewesen, auch meinerseits dem großen Sohn Ihrer Stadt Ihrer Stadt ein Zeichen höchster Verehrung geben zu können."
Der Wandel in der wirtschaftlichen Struktur
Gerade die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts führte zu einem einschneidenden Wandel in die wirtschaftlichen Struktur Schweinfurts, das sich von einer Handwerker- zu einer Industriestadt wandelte. Manuelle Handwerksbetriebe wandelten sich entweder in maschinelle Betriebe oder verschwanden von der Bildfläche, was bedeutet, dass nur jene, die rechtzeitig diesem Wandel folgten, sich letztendlich behaupten konnten.
Lunkenbein beschreibt dies in seiner "Geschichte der Stadt Schweinfurt" so:
"Einen dreifachen Vorgang kann man dabei beobachten:
1. Solche Gewerbe, deren Unternehmer frühzeitig zum Maschinenbetrieb übergegangen sind, haben sich in unserer Stadt erhalten. Dies gilt von den im Jahre 1803 vorhandenen 9 Seifensiedern, den 12 Loh- und 19 Weißgerbern, an deren Stelle die Lederfabriken traten, ferner gewissermaßen auch von den Schuhmachern, die allerdings durch die Schuhfabriken zu bloßen Flickschustern herabgedrückt wurden und von den Ziegelbrennern.
2. Wo man nicht frühzeitig genug zum maschinellen Betrieb griff, wurde man von anderen Städten überflügelt und es verschwindet der betreffende Industriezweig in unserer Stadt. Dies ist der Fall bei den 19 Nadlern, den 26 Leinenwebern, den 4 Tuch- und 9 Zeugmachern, den 7 Kamm- und 5 Knopfmachern und den 20 Häfnern; der Niedergang der Häfnerei ist allerdings mehr auf die Erfindung des Porzellans zurückzuführen.
3. Dagegen wurden auch neue Industriezweige eingeführt, so 1763 schon die Bleiweiß- und 1826 die Zuckerfabrikation. Die 1846 eingerichtete Baumwollspinnerei gingh wieder ein. Eingeführt
wurden ferner die Eisengießerei, die Farb-, Essig-, Malz-, Gelatine- und Stahlkugelfabrikation."
Der Bauwut und der Erschließung von Verkehrswegen fielen viele wunderschöne bauliche Wahrzeichen zum Opfer. 1823 wurde der Henkersturm in der Neuen Gasse abgerissen, 1832 und 1833 anläßlich des Brückenbaus die beiden Brückentore und beim Bau der Eisenbahn im Jhre 1853 die Fischerpforte (oder Fischerturm). Zur Verbreiterung der Straßen riss man irrsinnigerweise sowohl das Spitaltor (1868), dasOber- (1872) als auch das Mühltor (1876) ab. Der Basteiturm war der vorläufig letzte in dieser Abrissreihe, als er 1880 dem Bau des neuen Schulhauses weichen musste.
In der zeit von 1841 bis 1859 wurden die Straßen Schweinfurts in der Reihenfolge der Priorität endlich kanalisiert und gepflastert. 1857 entstand das Gaswerk, 1862 wurde mit dem Ausbau einer umfassenden Wasserleitung begonnen, die zunächst jedoch nur dem Brauchwasser diente; für das Trinkwasser bediente man sich weiterhin der Quellen im Stadtgebiet, von denen 13 gutes Trinkwasser lieferten. Erst 1898 wurde ein Trinkwassernetz ausgebaut.
Im Jahre 1897 begann man schließlich mit dem Bau der neuen katholischen Kirche, der Hl.-Geist-Kirche. Der Bau wurde 1902 fertiggestellt, der Turm etwas später zur jetzigen Höhe
vervollständigt.
1889 fand das große landwirtschaftliche Fest in Schweinfurt statt (25.9. - 2-10.1889)
1894 gründete man in Schweinfurt den Pensionsverein staatlich geprüfter Lehrerinnen Bayerns e.V. mit Sitz in Schweinfurt (Gründung 1.6.1894), um den dienstunfähig gewordenen ordentlichen Mitgliedern eine jährliche Pension zu gewähren. Eine Satzung aus dem Jahr 1906 finden Sie hier. Im Vorstand war u.a. auch der bekannte Fabrikant Karl Fichtel sowie der 1. Bürgermeister und Hofrat Söldner.
Mitte Juli 1892 fand das VIII. fränkische Bundes-Sängerfest in Schweinfurt statt. Neben üblichen Ansichten zeigt die Karte auch die Festhalle, die eigens hierfür aufgebaut worden war.
Typische Familienfotos des Endes des 19. Jahrhunderts:
Weitere wichtige Ereignisse in der wirtschaftlichen Entwicklung Schweinfurts war im Jahre 1853 die Erfindung Moritz Fischers, das Tretkurbelfahrrad, 1883 die Erfindung der Kugelschleifmaschine als Grundlage der heutigen Wälzlagerindustrie, 1890 die Gründung der Firma Fries & Höpflinger und schließlich 1895 die Entstehung der Firma Fichtel & Sachs. Hierzu ist unter Schweinfurter Wertpapiere und Persönlichkeiten Schweinfurts mehr nachzulesen.
Lehrereinkommen 1839/1840 in Schweinfurt
aus Amts-Handbuch f. den Kreis Unterfranken und Aschaffenburg