Neugründung der Gewerkschaften in Schweinfurt 1945 - 1949
von Klaus
Hofmann
Am 8. Mai 1945 kapitulierte das Deutsche Reich, das sich das 1000-jährige nannte, bedingungslos. Nach nur 12 Jahren die von politischer Diktatur, Unfreiheit, Verfolgung, millionenfachem Mord, Krieg, Zerstörung, Not und Gewalt gekennzeichnet waren.
Es herrschte allgemeines Chaos.
Es fehlte an allem:
Lebensmittel, Wohnraum, Heizmaterial, Kleidung.
Das öffentliche Leben, die Güter-Versorgung, Verkehr, Gesellschaft und Kultur lagen am Boden.
Die Produktion war zum Stillstand gekommen, riesige Mengen an Schutt und Trümmern mussten beseitigt werden.
Statt gewählter Vertreter in Gesellschaft, Staat, Betrieben entschieden die Militärregierungen der Alliierten die künftige Entwicklung.
In Schweinfurt besetzte die amerikanische Armee am 11. April 1945 die Stadt. Eine Militärregierung über-nahm die Macht und betraute unbelastete Deutsche mit verschiedenen Ämter. Diese sollten die Befehle umsetzen, so z.B. als Oberbürgermeister Otto Stoffers, Direktor der Firma Gademann & Co, oder das Ordnungsamt durch Karl Braun Widerständler und KPD-Vorsitzender.
In dieser Situation fanden sich politisch Aktive und ehemalige Gewerkschafter zusammen um auf einen Neuaufbau der Gewerkschaften und der Arbeiter-bewegung hinzuarbeiten. Das alliierte Oberkommando hatte im Juni 45 verkündet, dass „alle Formen freier wirtschaftlicher Vereinigungen und Zusammenschlüsse der Arbeiter“ zugelassen werden. Sobald möglich sollte die Bildung demokratischer Gewerkschaften erlaubt, Grundrechte der Vereinigungsfreiheit und der Abschluss von Kollektiv-Verträgen ermöglicht werden.
Die Erfahrungen der Weimarer Republik zeigten, dass die damalige Zersplitterung der Arbeiter-Bewegung, auch der Gewerkschaften, zur Niederlage im Kampf gegen den Faschismus beigetragen hatte. Daraus zog man - auch durch die Diskussion im Exil – den Schluss die neuen Verbände als Einheitsgewerkschaften zu bilden und Industriegewerkschaften zu gründen.
Obwohl die Militärbehörde die Gründungen Zug um Zug erlaubte gab es doch starke und strenge Restriktionen bei der Genehmigung.
Die ersten gewerkschaftlichen Aktivitäten waren die Gründung von betrieblichen Gruppen und Betriebs-räten. Teils in
Absprache mit den Betriebsverant-wortlichen, später dann aufgrund einer Wahlordnung des eingesetzten bayerischen Arbeitsministers.
Die Betriebsverantwortlichen waren zu dieser Zeit nicht die Betriebsinhaber wie Georg Schäfer oder Willy Sachs. Beide hatten die Amerikaner aus ihren Betrieben als Belastete entfernt und
Treuhänder bestimmt. Sie kamen erst 1948 nach der Entnazifizierungs-Farce, in der sie als Mitläufer entlastet wurden, zurück und nahmen ihre alten Besitzfunktionen wieder wahr.
Bei Fichtel & Sachs existierte schon am 16. Mai 1945 ein Betriebsrat mit den Koll. Fraas, Hümpfner, Then, wobei unklar ist wie dieser gebildet wurde.
Die ersten offiziellen Wahlen fanden am 20. November bei Fichtel & Sachs statt, bei Kufi am 27. November 45.
Die vorliegenden Zahlen bei Kufi: 952 Wahlberechtigte, Beteiligung 91,36 %, 6 Mandate, Amtszeit 3 Monate.
Der Antrag auf Erlaubnis zur Gründung von Gewerkschaften in Schweinfurt wurde am 18. Oktober 45 gestellt. Nach Genehmigung kommt es dann am 4. November 45 zur Gründungsversammlung des „Freien Gewerkschaftsbundes Schweinfurt“ im Kantinensaal von Kufi – dem einzigen erhaltenen Versammlungsort für große Veranstaltungen.
Deshalb ist der 4. November 1945 das Datum der Neugründung eines gewerkschaftlichen Dachverbandes in Schweinfurt.
Tagesordnung:
Anspreche des Koll. Sittig(Würzburg)
Bekanntgabe der vorläufigen Sitzung
Statut AB S.21
Wahl der Vorstandschaft
Zu den Zielen der neuen Organisation heißt es:
Der Freie Gewerkschaftsbund
wird:
1) Die Arbeiter und Angestellten
und Beamten aller
Berufsgruppen umfassen;
2) keine Parteipolitik treiben
und keine parteipol.
Ziele verfolgen;
3) alle Religionsgemeinschaften
achten und sich nicht
um die religiöse Überzeugung oder kirchliche Zuge-
hörigkeit seiner Mitglieder kümmern;
Erklärung – auch die Integration der ehemals
christlichen Gewerkschafter der Weimarer Zeit.
4) für gerechte Lohn- und
Arbeitsbedingungen
eintreten (soweit es die Anordnungen der Militär-
regierung erlauben);
5) die Aufrechterhaltung,
Verbesserung und Verein-
fachung des deutschen Sozialversicherungs-
wesens befürworten;
6) den kulturellen
Aufstieg der arbeitenden
Bevölkerung fördern und unterstützen;
7) für die Wiederherstellung der
Völkerverständigung
und des Weltfriedens eintreten;
8) für die Wiederherstellung der
Rechtsicherheit auf
dem Gebiete der Polizei und Justiz einsetzen;
9) den Militarismus und Faschismus in jeder Form
bekämpfen;
10) keine ehemaligen Beamten der
DAF und frühere
Mitglieder der NSDAP oder deren Gliederungen
als Funktionär in der Gewerkschaft benennen
oder
wählen
Folgende Kollegen gehören dem Vorbereitungsausschuss der Versammlung an:
Richard Mauer VKF, Heinrich
Hümpfner F&S,
Johann Link F&S, Fritz Bachmann F&S, Georg Siffel Stadt SW
Die Beiträge werden wie folgt festgelegt:
Lehrlinge und Rentner
0,20 RM
Frauen und Jugend 0,40
RM
Stundenlohn 0,50 . 0,70 RM
0,60 RM
Stundenlohn über 0,75 RM 0,80 RM
Bisher ist leider kein Protokoll der Versammlung gefunden worden, sodass die
sicher spannende Diskussion nicht dargestellt werden kann. Auch Zeitungsberichte sind nicht vorhanden, da erst im Juni 46 die Zeitung „Der Volkswille“ - unter der Zensur der
Militärregierung in Schweinfurt - zugelassen wurde.
Deshalb will ich die wesentlichen Differenzen zu den amerikanischen Vorgaben zusammenfassen.
Sie verlangten:
> politische und weltanschauliche Neutralität
> Nichteinmischung in die vom Arbeitsamt festge-
setzten Richtlinien (Folge keine Forderung nach
Lohnerhöhungen)
> Es wurde untersagt, in das deutsche Wirtschafts-
geschehen einzugreifen
> Der von den Nazis verfügte Lohnstopp vom Oktober
1939 blieb in Kraft bis Ende November 1948 –
also 9 Jahre
> Ebenso durften Erhöhungen von Arbeitslosen-
geldern, Abbau der Wochenarbeitszeit, Wieder-
einrichtung von Betriebsräten, kein Thema der
Gewerkschaften sein.
Notgedrungen beschränkten deshalb die Kollegen die Tätigkeit zunächst auf den Aufbau der Organisation.
Aber auch die Form der Gewerkschaften war ein Streitpunkt – aber in Wirklichkeit ging es
um den Inhalt.
Die aktiven Kollegen wollten eine Einheitsgewerkschaft aufbauen – d.h. in einem Betrieb eine Gewerkschaft – aber auch einen starker Zentralverband mit ange-schlossenen Fachverbänden, die besser
zusammen-arbeiten und eine gemeinsame Strategie entwickeln konnten. Die zweite Seite verhinderte die Militär-bürokratie.
Damit war auch das politische Ziel der Alliierten benannt, keine zu starken Gewerkschaften entstehen zu lassen und dieser Kurs wurde entschieden durch-gedrückt.
Das Beispiel Aschaffenburg zeigt wozu das in der Praxis führen konnte:
Die erste Gewerkschaftsgründung in Bayern war schon am 9. Juli 45 – also sehr früh
- in Aschaffenburg genehmigt worden. Der „Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund Aschaffenburg“ musste allerdings im Oktober einen erneuten Antrag auf Gründung stellen, da das Konzept
nicht den Vorstellungen der Militärbehörde entsprach.
Das Statut vertrat das Prinzip eines starken Einheitsverbandes und untergeordneter Fachverbände. Diese starke Konzentration von Abstimmung und Schlagkraft wurde von der Militärregierung nicht
geduldet. Es mussten neue Anträge auf Gründung von Gewerkschaften eingereicht werden. Sie lauteten jetzt auf unabhängige Einzelverbände und einen eigenen losen Dachverband und wurden erst
dann, nach mehreren Monaten, genehmigt.
Generell hatten die Alliierten das Ziel die politisch organisatorische Entwicklung auch der Arbeiter-bewegung strikt unter ihre Kontrolle zu nehmen und kein selbstständiges Wachsen zuzulassen.
Nach der Gründung konnte man die organisatorische und praktische Tätigkeit offiziell aufnehmen, wobei die Kollegen schon vorher halblegale Treffen durchführten und für die entstehenden Gewerkschaften Mitglieder und Aktive warben.
Der erste freie Mai fand 1946 in Form einer Morgen-feier statt. Abends wurden die
Beschäftigten zu einer Abendveranstaltung mit Konzert der Bamberger Symphoniker in den Kufi– Saal eingeladen.
Die Zahl der Mitglieder lag zu diesem Zeitpunkt bei 2200, davon 1830 Metaller, 120 Bauarbeiter und 250 Angestellten.
Die Erlaubnis zur Gründung von Gewerkschaften war zuerst auf Städte und Kreise beschränkt. Kontakte darüber hinaus, vor allem in andere Besatzungszonen waren sehr schwierig und meist von den Militärbe-hörden nicht geduldet. Ab 1946 wurden diese Beschränkungen etwas gelockert, sodass zu einem ersten Bayerischen Gewerkschaftskongress am 13. und 14. Juni 1946 eingeladen werden konnte.
Hierzu wurden Delegierte gewählt. Dies wurde im Mai 46 mit der Wahl der Kollegen Mauer VKF, Hümpfner F&S, Link F&S, Raab FAG und Kupfer Bauhof Schweinfurt erfüllt.
Als Gastdelegierte bestimmte man:
Für die IG Bau Kollegen Dittmar und Krebs von Fa. Riedel und Tasch
für die ÖTV Kollegen Rödamer, Weichsel, Maar, Kennerknecht, Pfister, Vogt, Bauer von Stadtverwaltung, E- und Gas-Werk, AOK, Arbeits- und Finanzamt.
für die IG Metall Essl, Linsner, Lutz und Reichert von der Vst. IGM, Rothenburger Metallwerke und Fenster Vogel.
Die Delegierten wurden darauf hingewiesen für den Aufenthalt in München die entsprechenden Lebens-mittelmarken mitzubringen.
Der Kongress im Juni 46 erteilte dem vorläufigen Aus-schuss den Auftrag örtliche und betriebliche Gewerk-schaften zu Landesgewerkschaften zu entwickeln.
Im Juli 46 gründet sich die „Industriegewerkschaft Metall Schweinfurt“ als
stärkster örtlicher Verband.
Sein Vorstand wird von folgenden Kollegen getragen:
Erster Vorsitzender Mauer Richard BR- Vors. VKF
Stellvertreter, Kassier Linsner Georg Sekretär
Beisitzer:
Benkert Otto BR-Vorsitzender FAG, Wieser Josef BR VKF, Imhof Hans VKF, Sauer Hans BR FAG, Ziegler Adolf BR Star, Nusser Hans BR F&S, Hümpfner Heinrich BR F&S, Hoffmann Karl BR, Brehm Pankratz BR.
Im Oktober 1946 werden weitere Einzelgewerkschaften gegründet und zwar:
IG Druck und Papier
IG Baugewerksbund
ÖTV
IG Textil und Bekleidung
IG Chemie und Leder
IG Nahrungs- und Genussmittel
Gewerkschaft geistig und kulturell Schaffender
IG Holz.
Interessant ist es auch einiges über die Verhältnisse im Gewerkschaftsbüro zu erfahren:
„Die ersten Arbeiten des Schweinfurter Metallarbeiterverbandes wurden in der Gaststätte
„Zum Wilden Mann“ vollzogen.
Umzug in das Arbeitsamt Schweinfurt, Cramer-Straße. Hier waren unwürdige Verhältnisse, wenn es regnete, musste man Wasser schöpfen. Umzug im November 1946 in die Städtische Berufsschule, Zimmer
44. Nachteilig war, dass hier keine Heizung ging. Wir erhielten von der Militärregierung einen alten Ofen, unheimliche Rauchentwicklung.
Tausende von Aufnahmescheinen warteten auf ihre Erledigung. Kollegin Käthe Goppert und ich leisteten sehr viele Überstunden, auch samstags und sonntags, um die Arbeit zu bewältigen, vor allem aber, dass Geld in die Kasse kam.
Erwin Essl belohnte uns insofern, dass er uns, damit wir uns erwärmen und auch tüchtig schreiben konnten, heißen Kaffee und Kuchen brachte.“
1948 wird der Gewerkschaft durch Stadtratsbeschluss das teilzerstörte HJ-Heim zugesprochen als Ersatz für das von den Nazis geraubte Vermögen. Dann Umzug in das künftige Gewerkschaftshaus.
Zum Aufbau des Bayerischen Gewerkschaftsbundes werden Bezirkskonferenzen durchgeführt eine davon im August 46 in Würzburg.
Zu diesem Zeitpunkt waren 12 Untergruppen (8 Industrie, 5 Gewerkschafts-Unterabteilungen) von der Militärregierung genehmigt. Die Anerkennung als Landesgewerkschaften sollte bis Ende September 46 geschehen.
Es existierten drei verschiedene Organisationsbestrebungen:
1) Der überwiegende Teil vertritt die Zusammenfassung in Einheitsgewerkschaften aller Beschäftigten
2) in manchen Orten entstanden selbständige Berufsgruppen als Organisationsmodell
3) vereinzelte Bildung von Betriebsgruppen die sich als Gewerkschaften verstehen
Welche Aufgaben stellten sich den neuen Verbänden?
> Es galt die alten Mitglieder aus der Zeit vor 33 wieder zu sammeln und zu aktivieren. Es galt neue Mitglieder zu gewinnen, die in den 12 Jahren der Diktatur keine gewerkschaftliche Erfahrung erwerben konnten.
> Engagement, dass aktive Nazis sich verantworten mussten und nicht mehr in alte Funktionen gelangten. Es wurde versucht die Recherchen über Nazis-Anhänger zur unterstützten und auch in den Betrieben auf anstehende Spruchkammer-Fälle hinzuweisen. Die Überwindung der faschistischen Ideologie und die Durchführung der Entnazifizierung wurden als Voraussetzung für einen demokratischen Neuaufbau angesehen.
> Es musste der Ernährungszustand der Bevölkerung gesichert werden und damit
auch der Erhalt der Leistungsfähigkeit.
Nachdem Loherhöhungen nicht geduldet wurden versuchte man der ständigen Erhöhung der Waren-preise entgegen zu treten. Man ging gegen Preiswucher vor und versuchte Einfluss auf die Erfassung
und Verteilung von Lebensmittel zu erlangen. Man arbeitete in Waren- und Schwarzmarkt-Kontroll–Ausschüssen mit, führte Hofbegehungen durch um versteckte Lebensmittel zu finden.
Im Dez. 47 durchsuchte die Polizei nach Hinweisen einen Keller am Albrecht Dürer Platz wo bergeweise Waren gefunden wurden die dringend gebraucht aber versteckt worden waren.
Weitere intensive Bemühungen um Schuhe, Reifen, Ersatzteile für Motor- und Fahrräder zu besorgen damit die Beschäftigten ihre Arbeitsplätze erreichen konnten. Es gelang auch – trotz Verbots der Militärregierung die Arbeitszeiten von 45 – 48 Std. zu reduzieren und eine Mehrproduktionszulage für 600.000 Kollegen zu erreichen.
Obwohl viele kleine Erfolge errungen wurden war es doch nur die Verwaltung des herrschenden Mangels.
1948 wurde bayernweit ein 24-stündiger Proteststreik durchgeführt weil die täglichen Brot-Rationen von 357 g auf 267 g gesenkt wurden. Dieser erfuhr auch in Schweinfurt eine große Zustimmung. Die gemeinsame Kraft reichte aus um die Rücknahme der Maßnahme zu erzwingen.
> Gerade in Schweinfurt war der Kampf gegen die Demontage bei Kugelfischer ein wichtiger Bestandteil. Kontakte mit amerikanischen und britischen Gewerk-schaften und ständige Bemühungen gegen die Total-demontage kosteten viel Zeit und Kraft und halfen mit, diesen Prozess zu stoppen.
> Auch die kulturelle Weiterentwicklung und Erbauung war im Fokus. 1946 gehörten die Gewerkschaften zu den Gründungsmitgliedern der Volkshochschule Schweinfurt und stellte auch Referenten.
Zum Abschluss möchte ich kurz darauf eingehen wie der Aufbau des Bayerischen Gewerkschafts Bundes auf Landesebene weiterging.
Im März 1947 wird der erste Bundestag des Bayerischen Gewerkschaftsbundes abgehalten. Dort wird der Zusammenschluss der bay. Einzelgewerk-schaften im Dachverband Bayerischer
Gewerkschafts Bund beschlossen.
Konkrete organisatorische Maßnahmen standen im Mittelpunkt. Es wird eine Satzung verabschiedet und der Vorstand gewählt.
Die programmatischen Forderungen sind: Betriebliche Mitbestimmung, Demokratisierung der Wirtschaft und Wirtschaftsplanung, Vergesellschaftung von Schlüssel-industrien.
Im November 1947 wurde der Gewerkschaftsrat der vereinigten West-Zonen gebildet und Hans Böckler zu seinem Vorsitzenden gemacht.
In der Währungsreform am 20. Juni 1948 stehen die Beschäftigten mit 60 DM Umtausch 1:1 da. Einem Arbeiter blieben von sauer ersparten 100 RM gerade noch 6,50 DM übrig. Die Unternehmer und die besitzenden Klassen hatten mit Anteilscheinen und Aktien eine gute Basis für den Wiederaufstieg.
Im Juni 1948 findet der Zweite Bundestag des BGB statt.
Was war das besondere am BGB?
Der Kollege Georg Reuters beschriebt das auf dem Bundestag so „In jeder Stadt soll ein Gewerkschaftsbüro entstehen, das für alle Fragen da ist, und in jeder Kreisstadt sollen die Fäden zusammenlaufen. Es ist nicht mehr notwendig, wie 1933, dass 129 eigene Berufs-, Fach- und Industrieverbände bestehen.
Wir können es uns auch nicht mehr leisten, für jeden Verband einen Vorstand zu stellen. In Zukunft, ausgehend von den amerikanischen gemeinsamen Industriegewerkschaften, wollen wir einen Landesvorstand als Bund der bayerischen Gewerkschaften“. Dem Bund wurde die einheitliche Führung aller den Gewerkschaften dienenden Statistiken zur Pflicht gemacht. Er hatte die Ortsausschüsse zu einheitlichem Handeln zusammenzufassen. Gleichartige und einheitliche Unterstützungsleistungen der Gewerkschaften an ihre Mitglieder waren auf der Satzung beruhende Realität. Das Solidaritätsbewusstsein aller Gewerkschaftsmit-glieder ist durch diese einheitlichen Leistungen zweifel-los gestärkt worden. Die gemeinsame Kassen- und Geschäftsführung war eine der auffälligsten Besonderheiten des BGB. Sie sicherte einen hohen Grad von Koordination aller gewerkschaftlichen Aktionen durch den Bund und seine regionalen und lokalen Organe, wenn sie auch den einzelnen Verbänden prinzipiell die Finanzhoheit beließ. Zweifellos war die Stellung der Bundesorgane in Theorie und Praxis stärker als beim Gewerkschaftsbund der britischen Zone, dessen Organisationsmodell bei der Gründung des DGB 1949 übernommen wurde.
14 Landesgewerkschaften waren in allen Fragen autonom. Sie vertraten ihre Mitglieder in wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Fragen. Sie schlossen Tarifverträge ab und warben neue Mitlieder. Die Zuständigkeitsbereiche wurden in Verhandlungen voreinander abgegrenzt.
An diesem Aufbau gab es aber auch in Bayern Kritik, so z.B. von Erwin Essl aus
Schweinfurt, dem späteren 1. Vorsitzenden der IG Metall in Bayern:
Er argumentierte: Dass dem einzelnen die Verantwortung genommen und damit von der Basis weg an eine Führungsspitze delegiert würde. Die Möglichkeit einer starken Industriegewerkschaft für
schwächere Organisationen solidarisch eintreten zu können, wurde nicht sehr positiv eingeschätzt. Diese Haltung überwog bei den „starken“ Einzel-Gewerk-schaften.
Am 23. Mai 1949 wird das Grundgesetz verkündet und damit die Teilung Deutschlands manifest. Im August wird der Bundestag gewählt und im September die erste Regierung unter Adenauer gebildet.
Damit standen auch die Gewerkschaften vor neuen Fragen
wie sie ihren weiteren Aufbau gestalten sollten.
Im September 1949 auf dem dritten Bundestag des BGB wurden die Planungen des
Gewerkschaftsrats in Frankfurt diskutiert. 16 Einzelgewerkschaften sollten sich über die Bundesrepublik erstrecken. Die Einzelge-werkschaften bekamen weitgehende Autonomie.
Auch eine gesamtdeutsche Gewerkschaftsbewegung war nicht mehr zu realisieren.
Damit war ein wichtiger Baustein des Bayerischen Gewerkschaftsbundes nicht mehr durchsetzungs-
fähig. Aufgrund der politischen Entwicklungen, der Mehrheitsmeinung der anderen Länder-Gewerkschafts-organisationen und der Notwendigkeit einer einheit-lichen Gewerkschaftsbewegung beschloss man den BGB mit 800.000 Mitgliedern zum Ende des Jahres 1949 aufzulösen und in den DGB zu überführen.
Am 1.10.1949 wird der Deutsche Gewerkschafts Bund in München gegründet.
Ein Delegierter beschrieb melancholisch die Stimmung nach dem Auflösungsbeschluss:
„Wir haben eine Weile gemault, schade sei´s schon um den schönen Bayerischen Gewerkschafts-Bund. Eine zeitlang hat das schon sehr gewurmt. Aber ernsthaft hat niemand daran gedacht, an der Neuorganisation zu rütteln. Sonst wäre es ja auf dem Gründungskongress zu großen Schwierigkeiten gekommen.“