Die Schweinfurter Stadtmauer - Ihre Türme zwischen Obertor und Spitaltor
Von Dr. Erich Schneider
Herr Dr. Schneider hat diesen Rohentwurf einer Abhandlung zu den Türmen zwischen Obertor und Spitaltor dem Schweinfurtfuehrer zur Verfügung gestellt. Er ist
dankbar für jede Ergänzung und Korrektur, die ihn unter erich.schneider@schweinfurt.de erreicht.
Ab dem einstigen Obertor verläuft die heute vielfach noch bestehende, aber meist von später errichteten Häusern überbaute Mauer entlang der Neuen Gasse erst in südwestlicher Richtung, um an der Einmündung in die 1885 belegbare Neutorstraße in südlicher Richtung bis zum einstigen Spitaltor zu gehen. Folgt man der Darstellung bei Merian, dann war die Mauer in diesem Bereich zweigleisig mit einer niedrigeren äußeren und einer mit Wehrgang besetzten höheren inneren Mauer. Die Türme standen im Wechsel außen und innen. Diese Unterscheidung trifft die ältere, um 1600 zu datierende Ansicht jedoch nicht. (Schweinfurt, Stadtarchiv. Bis 2012 Schweinfurt, Museen und Galerien, Inv. Nr. M-1352 (alt)).
An das Obertor schlossen sich Anton Oeller zufolge nach Südwesten zwei namenlose Türme an.
(Oeller, Befestigungen In: SHB, 8/1960, Nr. 14 u. 15. Trillhaas, Stichart und Bräutigam, Adreßbuch, 1856, S. 143f., 145f. und 148 verzeichnen in der Neuen Gasse und den Nrn. 720B und 720G (neue Nrn. 781 u. 786), 747A. und 747K. (neue Nrn. 817A und 824) und 785F. (neue Nr. 866B.) insgesamt fünf bewohnte Türme).
Einer steht noch bei dem Haus Neue Gasse Nr. 61.
(Bayerisches Landesamt f. Denkmalpflege, Regierungsbezirk Unterfranken, Kreisfreie Stadt Schweinfurt, Auszug aus der Denkmalliste - Baudnkmäler, Stand 12.11.2008, S. 13)
In der Stadtansicht aus der Zeit um 1600 erkennt man zunächst westlich des Obertors einen niedrigeren Rundturm mit Kegeldach. Danach zog die Mauer weiter nach Südwesten und es folgte ein
hochragender, vierseitiger Turm mit Fachwerkobergeschoss und Pyramidenhelm. (Quelle siehe oben).
Merian bestätigt den Befund 1648 lediglich dahingehend, dass dem Obertor zunächst ein niedriger und anschließend ein höherer Turm folgten. Bei Tauber ist der letztgenannte im ausklingenden
18. Jahrhundert als runder (?) Turm mit kuppeliger Haube eingetragen. (siehe nachstehende Abbildung)
Da der erhaltene Turm über rundem Grundriss erbaut wurde, ist der über viereckigem Grundriss verloren. Als Spekulation sei der gedanke erlaubt, dass er dort gestanden haben könnte, wo sich heute zwischen den Häusern 51 und 53 ein Durchgang zum Fichtelsgarten befindet.
Es folgt der „Flurersturm“. (Oeller, Befestigungen In: SHB 8/1960, Nr. 13)
Dabei könnte es sich um jenen Turm handeln, der sich als ruinöses Fragment im Bereich des Anwesens Neue Gasse Nr. 45 erhalten hat. (vgl. Bayerisches Landesamt f. Denkmalpflege, Regierungsbezirk Unterfranken, Kreisfreie Stadt Schweinfurt, Auszug aus der Denkmalliste – Baudenkmäler, Stand: 12.11.2008, S.13)
Im Urkataster von 1834 ist er unter der Hausnummer 834 eingetragen. Die Stadtansicht um 1600 (Quelle: siehe oben) sowie Merian 1648 stimmen darin überein, dass es sich damals um ein kleines, eher unscheinbares Türmchen gehandelt hat.
Nach dem Flurersturm kam im Westen der "Hergetsturm, auch Heidenturm oder Schröderturm genannt" (Oeller, Befestigungen in SHB, 8/1960, Nr.13).
Er findet sich heute im Urkataster noch unter der Nummer 817 (heute zwischen den Hausnummern 27 und 29), fiel jedoch offensichtlich dem Bau der Straße "An den Schanzen" als Verbindung zur
"Neuen Gasse" zum Opfer (Saffert zufolge ist ist der Straßenname "auf dem Stadtplan von 1903 erstmals verzeichnet", siehe Erich Saffert, An den Schanzen, in SHKW, 1962, Nr.66).
Die Stadtansicht um 1600 und Merian 1648 charakterisieren den Hergertsturm als hochragenden Turm über viereckigem Grundriss mit Pyramidendach. Auch der Tauber-Plan kennt ihn unter diesem
Namen und hat ihn mit der Nr. "18" verzeichnet (Schweinfurt, Stadtarchiv)
Der nächste hieß "Wart- oder Henkersturm" (Oeller, Befestigungen Nr.11). Der niedrige Rundturm hat sich als Fragment bei der Adresse Neue Gasse 11 beziehungsweise 9 erhalten (Bayerisches
Landesamt f. Denkmalpflege, Reg.Bez. Ufr., Kr.freie Stadt Schweinfurt, Auszug Denkmalliste-Baudenkmäler, Stand 12.11.2008 S.16; Gerd Landgraf, Die Türmer u. ihr "Klein-Italien". Werkstatt u.
Allzweckraum im Turm und Stadtmauer in STB, 11.04.2012; Die Nachrichten zu diesem Turm sind widersprüchlich: In einem anderen Beleg heißt es, dass der Turm "1823 abgetragen und an dessen Stelle
das Haus Neue Gasse 55 erbaut" worden sein (Stein, Chronik, 1901 S. 32; Erich Saffert und Hubert Schöffel, Galgen. In: SHKW, 1966, Nr.192) Während der schwedischen Belagerung von 1647 spielten
sich hier dramatische Szenen ab, von denen die Bausch-Chronik berichtet: "Und weil die hiesige auß dem thurn hinter des henckers hauß mitt doppelhacken feuer hinauß gaben, wurd mitt stücken
gewaltig uff denselben geschossen, und giengen die kugel, so abfuhren, mehrertheils in die häuser in der spitalgaßen und durchlöcherten sie. Der thurn aber wird also durchlöchert, daß man ihn
nicht mehr brauchen kont" (Müller, Bericht. In: ML, 3/2009, S. 16-24, insbesondere S.21)
Im Anschluss daran weist die Stadtansicht um 1600 einen weiteren niedrigen Rundturm auf, der bei Merian 1648 fehlt und auch sonst in der Literatur nicht erwähnt wird.
Danach reihte sich der "Neutorturm" an (Oeller, Befestigungen, In SHB, 8/1960, Nr.10). Dieser lässt sich spätestens 1564 nachweisen und fiel 1870 dem Durchbruch der Neutorstraße im Bereich
der Schads-Schanze zum Opfer (Schöffel, heimat 1999, S.22f. Mit Abb. 17-19). Die Ansicht um 1600 und Merian 1648 zeigen ihn als hohen Rundturm mit Kegeldach. Auch Tauber bildet ihn so ab.
Tatsächlich dürfte es sich wieder um einen Schalenturm gehandelt haben, der außen halbrund und innen flach war, wie eine Zeichnung im Stadtarchiv präzisiert (Schweinfurt, Stadtarchiv,
Hauptregistratur, VR III, VII-A-10-154). Fenster lassen den Schluss zu, dass sich unter dem Dach eine Wohnung befand. Das Urkataster verzeichnet diesen Turm unter der Hausnummer 781 und eine von
hier über den Graben führende Brücke lässt darauf schließen, dass sich im 19. Jahrhundert ein Durchgang dort befunden hat. Im Jahre 1961 wurde die Neutorstraße im Bereich des im Zweiten
Weltkriegs zerstörten Lebküchnerhauses verbreitert und dazu ein weiteres Stück der Stadtmauer nach Westen hin abgebrochen (N.N., Ein Stück Stadtmauer fällt. In: STB, 23.11.1961)
Es folgen nach Süden in Richtung Spitaltor vier Türme, die in den Quellen keine Namen tragen (Oeller, Befestigungen In: SHB 8/1960, Nr. 6, 7,8,9.)
Die um 1600 zu datierende Stadtansicht weist bis zum Spitaltor lediglich drei Türme auf. Sie ist jedoch mit dem Plan von Merian aus dem Jahr 1648 einig, dass die Stadtmauer im Süden keine
durchgehende Vormauer aufgewiesen hat. Laut Urkataster handelte es sich um außen halbrunde Schalentürme.
Etwa in halber Höhe des Lebüchnerschen Gartens und nach außen auf die später so benannte Schadsschanze (heute Theater) ausgerichtet stand ein niedriger, die Stadtmauer kaum mit seinem Dach überragender Turm. Er reichte auf der Außenseite bis zur Sohle des vorgelagerten Grabens. Zur Stadt war die Mauer am Ende des Dreißigjährigen Krieges mit einem Erdwall verstärkt worden, dem sogenannten "Höpperle" (Gutermann, Alt-Schweinfurt, 1979, S.10). Vermutlich ab 1887 führte durch das Erdgeschoss dieses Turms ein Weg hindurch, der über eine Brücke hinweg zum Saalbau auf der vorgelagerten Schanze führte (Helferich, Chronik, 1951, S.58). Im Zweiten Weltkrieg zerstört, stehen von diesem Turm nur noch die Mauerkanten in der Art von Stützpfeilern (Oeller, Befestigungen. In: SHB, 8/1960, Nr.9; Hannes Helferich, Höpperles-Turm wieder aufbauen? Peter Hofmann setzt sich für ein Stück Alt-Schweinfurt ein. In: STB, 20.02.2012)
Nach Süden stand ein weiterer Turm ohne Namen. Außen halbrund war vor dem Turm auf der Innenseite der Mauer nur ein kleines viereckiges, schlecht gemauertes Häuschen zu sehen gewesen. Er stand vermutlich an der Stelle, wo heute die Stadtmauer von einer Offnung durchbrochen ist (Oeller, Befestigungen. In SHB, 8/1960, Nr.8) Obwohl spurlos verschwunden, verzeichnet ihn das aktuelle Katasterblatt unter der Flurnummer 1094.
Die nächsten sich südlich anschließenden Türme gehen auf die Darstellung bei Merian und bei Tauber zurück, weitere bildliche Belege fehlen (Oeller, Befestigungen. In: SHB 1960, Nr. 6 u. 7) Es
folgte in großem Abstand südlich der "Fronfestenturm", der sich etwas oberhalb bei der heutigen Justizvollzugsanstalt erhob (Oeller, Befestigungen. In SHB, 8/1960, Nr.5). Der Turm fällt dadurch
auf, dasser unter anderem laut Grundriss von Wetzstein von 1868 als halbrunder Schalenturm innerhalb der Stadtmauer gestanden hat.
Daran anschließend erhob sich ein weiterer Turm, der vermutlich identisch ist mit dem 1852 bei Erbauung der Fronveste abgetragenen "Freund(s)turm" (N.N. Türme. In: AS, 5/1904, Nr.15).
Danach kam der "Hirtenturm" in der Hirtengasse (Oeller, Befestigungen. In: SHB, 8/1960, Nr.4; wohl identisch mit einem am Jägersbrunnen erwähnten Hirtenturm (vgl. N.N. Türme. In: AS, 5/1904,
Nr.18) Im Jahr 1865 bewohnte ein Hirte den Turm an der Stadtmauer gegenüber der Hirtengasse 6/8 (heute Parkhotel). Dabei handelt es sich möglicherweise um den bei Beck erwähnten Hirtenturm.
Dieser wurde 1883 für den Bau der Marktstallungen abgebrochen (Hirtengasse In: SKHW, 1977, Nr.377)
Das Adressbuch des Jahres 1856 erwähnt im Bereich des Jägersbrunnen vier Türme; einen als abgebrochen und drei als bewohnt (Trillhaas, Stichart und Bräutigam, Adreßbuch, 1856, S.136, Nr. 601 C und Nrn. 651 - 653). In der Tat zeigt das Urkataster in dem Bereich der Stadtmauer, der 1893 abgebrochen wurde (Erich Saffert, Jägersbrunnen. In SHKW, 1959, Nr.120), vier quadratische Grundrisse, die mit diesen Türmen identisch sein könnten. Der über hundert Jahre ältere Tauberplan weist an dieser Stelle aber nur zwei Türme auf, wenn man von dem kleinen Rundturm in dem dem "Bürger-Hof" am Jägersbrunnen westlich vorgelagerten Graben absieht (Schweinfurt, Stadtarchiv)
Ungeachtet anderslautender Festlegungen wurde der folgende Stadtturm am Kuglersgarten (Oeller, Befestigungen. In SHB, 8/1960, Nr.3; N.N. Türme, 1904, Nr.19) mit Resten der Stadtmauer und Graben Anfang 1964 (STB: 31.05.1963 und 22.01.1964) zugunsten des Neubaus des Kaufhauses Horten (heute Kaufhof) zerstört, "weil diese Bauten nicht unter Denkmalschutz" standen (Driesel, Zeitzeugen, o.J., S. 170f.; Lösch, Altstadt 2001, S. 116ff.)
Den bestens erhaltenen Turm hatte nach 1945 noch ein Bürstenmacher als Werkstätte genutzt. Während des Dritten Reiches hatte er dem katholischen Bund Neudeutschland als Heim gedient (Badel, NS-Zeit, 1985; Toposkript S. 102; Büchs, Erinnerungen, 1986, S. 96-97 und Abb. S.34), eine der wenigen Zellen des stillen Widerstands gegen die Nazidiktatur in Schweinfurt.
Nach Süden folgten der außen halbrunde Basteiturm und das erstmals für 1446 belegbare Spitaltor (Beyschlag, Entwicklung. In: AS, 5/1912, S.75; Oeller, Befestigungen. In: SHB, 8/1960, Nr.1 u.2; Erich Saffert: Spitaltor. In: SHB 8/1960, Nr.1 und 2; Erich Saffert: Spitaltor. In: SHKW, 1966, Nr.22). Dieses befand sich zwischen der heutigen Heilig-Geist-Kirche und dem Ämtergebäude in der Schultesstraße. Das im Jahr 1554 beschädigte Tor wurde im gleichen Jahr wieder passierbar gemacht, aber 1563/64 abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt. Dieser wurde 1614/15 erneut demoliert und wich einem von dem Ulmer Stadtbaumeister Gideon Bacher entworfenen Renaissancebau. Als "Bauherren" amtierten Martin Röder und Daniel Kornacher (Mühlich und Hahn, Chronik I, 1817, S. 351). Der reichsstädtische Rat erhob dazu von 1615 an eine auf fünf Jahre begrenzte außerordentliche Bausteuer (Saffert, Stadttore. In: ML, 1/1962, unpaginiert)