Geschichte der Reformation in Schweinfurt Teil 2
Zweyter Abschnitt
Hindernisse, die sich gegen die zu Schweinfurt beginnende Reformation erheben, und Folgen daher.
Erstes Kapitel
Lokal-Schwierigkeiten. Absichtlich gemachte Hindernisse.
So vortrefflich denn auch die Grundlage zur Schweinfurtischen Reformation war; so ging es doch mit der wirklichen Einführung derselben lange nicht so geschwind, wie in
manchen Städten Teutschlands, wo das Volk bey dem ersten Aufgange des besseren Lichtes sogleich zusammen trat, um sich gemeinschaftlich für die Lehre Luthers zu erklären; und wo der Rath sich
eben so bald bereitwillig finden ließ, dem Begehren seiner Bürger und Einwohner zu willfahren. Magdeburg mag statt aller zum Beyspiel dienen. In unserer Vaterstadt fanden sich mehrere
Schwierigkeiten ein; und sie waren unstreitig bedeutender, als in irgend einer andern Fränkischen Reichsstadt. Schon an und für sich selbst konnte die Sache hier keinen so behenden Gang nehmen;
denn es ergibt sich aus allen Umständen, daß die Schweinfurtischen Bürger auch nach dem in ihrem Wohnorte gehaltenen Convente, und nachdem sie die Vorträge Spalatins gehöret
hatten, keine Hauptveränderung und gänzliche Verbesserung des bisherigen Kirchenwesens verlangten; sie wollten nur dieß und jenes anders, wollten nur bessere Predigten hören, nur das Abendmahl
unter beyderley Gestalt empfangen und statt der unverständlichen Gesänge bey der Messe teutsche Lieder bey dem Gottesdienste eingeführet wissen; und auch darüber hatte man nicht einmahl einen
Wunsch und eine Stimme, indem noch Viele der alten Lehre getreu blieben. Wenigstens war das, was vorging, Anfangs mehr Volksangelegenheit, an welcher der hießige Rath keinen Antheil nahm: weil er
es um politischer Rücksichten willen räthlich fand, sich lieber noch einige Zeit zurück zu ziehen und den müssigen Zuschauer zu machen. Würde er sogleich zugefahren seyn, und auf der Stelle
Anstalten gemacht haben, die Wünsche seines Publikums ihrer Erfüllung entgegen zu führen: so würde das in der Nachbarschaft weit mehr Aufsehen gemacht, auch wohl ein desto stärkeres
Entgegenwirken veranlasset haben. Ueberhaupt waren die damahligen Conjunkturen von der Art, daß es weislicher gehandelt war, die hiesige Religions-Veränderung mehr der Zeit zu überlassen, als
sogleich damit loszubrechen; denn der Punkt wegen neuer Mitglieder der protestantischen Partey war nicht einmahl so ganz in dem zu Nürnberg geschlossenen Religions-Frieden begriffen, und fand
auch nach diesem Frieden außerordentlich vielen Widerspruch, besonders 1539 auf dem Convente zu Frankfurt: ja schon vorher hatte der Kanzler Held zu Schmalkalden bey einem daselbst gehaltenen
Convente förmlich erkläret: es wäre die Meinung des Kaisers, daß alle diejenigen Stände, die nicht nahmentlich im Nürnberger Frieden begriffen seyen, in Absicht auf die Religion durch die frühern
Reichsschlüsse gebunden bleiben müßten; man durfte also nur Miene machen, öffentlich beytreten zu wollen; so war dieß das sichere Signal zu manchen Verdrießlichkeiten, die in einer Reichsstadt
mehr als irgendwo befürchtet werden mußten.
Dazu fehlte es in Schweinfurt an den Männern, die eigentlich die Hauptrolle bey der ganzen sache hätten spielen können und sollen. In anderen Städten und Oertern, z.B. in Wittenberg und Frankfurt traten Volkslehrer auf, die, durch bessere Ueberzeugungen für die Wahrheit gewonnen, die Reformation begünstigten, vertheidigten und durch Vorträge oder auf andern Wegen zu befördern suchten; aber hier war nicht ein Einziger, der der guten Sache Vorschub zu thun gesucht hätte; selbst derjenige Kaplan, bey dem es einiger Maßen dämmerte, und dessen Vorträge noch so ziemlich gerne gehöret wurden, war 1532 gestorben. Unter solchen Umständen wollte Niemand vorangehen; Niemand die Einleitung machen.
Außer dem aber wurden der werdenden Reformation unserer Vaterstadt absichtlich Hindernisse in den Weg gelegt, die der Geist des Zeitalters, vielleicht auch die besondere Lage der Dinge, die für äußerst gefährlich angesehen ward, so mit sich brachten. Da nähmlich Schweinfurt schon seit längern Zeiten zur Diöcese des stifts Wirzburg gehörte: so konnte auch der Fürst-Bischof bey den Reformations-Bewegungen in der seiner geistlichen Jurisdiktion unterworfenen Stadt nicht gleichgültig bleiben, und um so weniger gleichgültig bleiben: weil, wenn die neue Lehre wirklich Platz daselbst nahm, seine Diöces Abbruch gelitten haben, wenigstens das ihm untergeordnete Stift Haug, welches bisher ein gewisses Patronat-Recht über die hiesige Hauptkirche sich angemaßt hatte, um seine vermeintlichen Rechte gekommen seyn würde. Er machte also von der Zeit an, da durch den gehaltenen Convent und durch die Vorträge Spalatins eine solche Gährung der Gemüther verursacht worden war, manche Versuche, Schweinfurt im Schooße der katholischen Kirche zu erhalten.
Gewaltsame Mittel wurden zwar nicht angewandt; denn dazu war der Bischof Conrad III. von Thüngen zu weise und zu mäßig: schon sein Zeitalter erklärte ihn für einen Mann von vorzüglicher Gelehrsamkeit, besonderer Mäßigung und der schärfsten Beurtheilungskraft; und selbst der Einsichtsvolle Erasmus zählt ihn (ich glaube aber kaum, daß er ihm ein bloßes Compliment habe machen wollen) unter die durch Frömmigkeit, gründliche Gelehrsamkeit und kluge Mäßigung vorzüglich glücklichen Bischöfe der damahligen Zeit. Aufgeklärt mußte allerdings ein Bischof denken, an welchen Erasmus so freymüthig schreiben konnte, wie es in dem unten angeführten Briefe geschah; aber er hatte auch durch sein ausgegangenes Mandat gegen die ausgearteten Religiosen seines Bisthums hinlängliche Beweise davon aufgestellt. Auch sein Nachfolger Conrad IV. von Bibra, der von 1540 bis 1544, also während der Schweinfurtischen Reformation regierte, war, wenn seiner Grabschrift zu trauen ist, von großmüthiger, milder und Friedliebender Gemüthsart; folglich eben so wenig dazu gestimmt, der mindermächtigen Reichsstadt durch kühne Gegenanstalten Noth zu machen. Doch auch ohne diese vorzüglichen Geistes- und Herzenseigenschaften der Fürst-Bischöfe von Thüngen und von Bibra erlaubten es kaum die damahligen Zeitumstände mit voller Macht und Gewalt der Kirchen-Verbesserung in Schweinfurt entgegen zu arbeiten und sie sogleich bey ihrem Entstehen zu unterdrücken. Einmahl war doch zu Nürnberg ein Religions-Friede geschlossen; und daß es ernstlich damit gemeint war, davon zeugen eigene Briefe, die der Kaiser noch 1534 an den Churfürsten zu Sachsen und die Reichsstädte schrieb, und worinn er versicherte, daß der Friede gehalten werden sollte. Nun ward ausdrücklich darinn festgesetzt, daß alle thätigen Feindseligkeiten zwischen beyden Parteyen bis zu einem allgemeinen Concilio aufgehoben seyn sollten; wenn also das Bisthum Wirzburg gegen Schweinfurt losbrach, so war dieß Verletzung jenes geschlossenen Friedens, und konnte leicht mancherley Unannehmlichkeiten, auch wohl gar den Unwillen des Kaisers nach sich ziehen, dem jetzt nichts mehr am Herzen lag, als daß im Reiche Ruhe erhalten werden möchte. Außer dem machten ja Protestanten bereits eine mächtige Partey aus, die, wenn Schweinfurt der Religion wegen ins Gedränge gekommen wäre, gewiß nicht müßig geblieben seyn, sondern sogleich thätige Hülfe geleistet haben würde: dieß war besonders von dem benachbarten Landgrafen von Hessen zu befürchten, dessen unternehmenden Geist man schon von 1528 her, wo er mit einem fürchterlichen Kriege gedrohet hatte, sehr gut kannte, und wegen dessen schon auf dem Reichstag zu Augspurg 1530 den Fränkischen Bischöfen nicht wohl zu Muthe war.
Selbst im Bisthume Wirzburg sah es nicht so ganz ruhig aus. Wenn auch jener durch die Bauern erregte Volksaufruhr längst gestillet war, und alle Unterthanen sich verpflichtet hatten, nie wieder eine Empörung zu Schulden zu bringen: so erhalten sich doch Gährungen von der Art immer noch einige Zeit fort, und brechen nicht selten bey irgend einer Veranlassung , wie ein unter der Asche loderndes Feuer, wieder hervor; alles mußte also vermieden werden, wodurch neue Unzufriedenheit hätte erreget werden können, und selbst thätige Vorschritte gegen die immer mehr Beyfall findende Lehre Luthers mußten eingestellet bleiben, da sich unter den Unterthanen des Bisthums so viele Anhänger des Wittenbergischen Reformators befanden. Daher der Fingerzeig, den Gropp, der Sammler der Wirzburgischen Geschichtschreiber, so zurückhaltend er auch übrigens in diesem Falle ist, nicht vorenthalten kann: daß Conrad III. durch den Aufruhr der Unterthanen und durch den von Hessen dem Vaterlande gedroheten Krieg verhindert worden sey, ernstlichere Maaßregeln zur Entfernung der Lutherischen Ketzerey von seiner Heerde zu ergreiffen. Die natürlichste Folge, die daher abgeleitet werden kann, ist wohl diese, daß man unter andern Zeitumständen auch anders verfahren seyn würde. Aber vermuthen läßt sich kaum, daß man bey dem Anfange der so betitelten Ketzerey in Schweinfurt von Seiten Wirzburgs ganz ruhig geblieben sey. Den müßigen Zuschauer durfte Conrad von Thüngen schon um deßwillen nicht machen, weil er bey Uebernahme der Bischöflichen Würde dem Papste eidlich angelobet hatte, die Ketzer und Schismatiker nach allen Kräften zu verfolgen; aber er hatte es auch schon bey andern Gelegenheiten gezeigt, daß er nicht meineidig in diesem Falle werden wollte; und dem ersten Kreisausschreibenden Fürsten des Främkischen Kreises die beweise davon dadurch gegeben, daß er 1524 den Kapitularen des Stifts zu Anspach durchaus verboth, irgend einen Rathschlag über die bekannten 23 Artikel auszustellen; daß er 1525 dem Propste und den Conventualen des Klosters zu Langenzenn die abgelegten Ordenskleider mit Bedrohung des Banns und 200 Gulden Strafe wieder anzulegen befahl, und daß er 1527 an den Markgrafen das Ansinnen gelangen ließ, die neue eingeführte Kirchenordnung wieder aufzuheben.
Freylich hatte Casimir sich standhaft darauf erkläret, auch besonders bey dem zweyten Vorschritte dem Propste zu Langenzenn die Weisung gegeben: "Wir gestehen nicht, daß der Bischof zu Wirzburg euch, auch andern unsrer Zugehörigen, dergestalt, und sonderlich bey Geldpönen, zu gebieten hab. Wir halten auch gar nicht dafür, daß ihr pflichtig oder schuldig seyd, nach des Bischofs Gefallen Küttel anzulegen, oder abzunehmen, noch andere dergleichen Dinge, daran eines Christen-Menschen Seligkeit nicht gelgen ist, von seines Gebots wegen zu thun oder zu lassen, sondern ihr seyd uns, als euer von Gott verordneten Obrigkeit in dem und andern dergleichen mehr zu gehorsamen schuldig, denn dem Bischof zu Wirzburg . Es hat auch sein Excommuniciren in diesem Fall nicht statt, darum ihr euch dieses sein unziemliches mandieren nicht anfechten lassen sollt." Aber dieß machte den Bischof nicht muthlos; noch mehr ward er dadurch vermocht, das, was ihm bey einem mächtigen Stande des Reichs und des Fränkischen Kreises mißlungen war, wenigstens bey der mindermächtigen Reichsstadt durchzusetzen: dieß schien hier um so nöthiger zu seyn; weil Schweinfurt ganz von dem Wirzburgischen Gebiethe umgeben ist, und die Lehre Luthers, wenn sie einmahl festen Fuß gefaßt hatte, von da aus leicht in die umliegenden Ortschaften verbreitet werden konnte. Dahin bezogen sich schon die allgemeineren Mittel, der er zur Unterdrückung der neuen Sekte in dem kirchlichen Distrikte zu Schweinfurt, so wie in seinem Bisthum überhaupt, anwandte, und welche darinn bestanden: daß er beynahe alle damahligen Reichstage in eigener Person besuchte, um auf denselben seine Bischöflichen Rechte zu sichern und der entgegengesetzten Partey entgegen zu arbeiten; daß er in einem ausgegangenen Mandate selbst reformiren zu wollen vorspiegelte, sogar manche ausschweifende Religiosen bestrafte, und bey jeder Gelegenheit gegen die Emissarien Luthers eiferte; außer dem aber that er auch manches, was auf unsre Vaterstadt besonders Bezug hatte: er verbath sich ein für allemahl bey dem hiesigen Rathe jede Religions-Veränderung, die er als Eingriff in seine Diöcesan-Rechte betrachten müsse, und ertheilte den hiesigen Geistlichen gemessene und ernstliche Weisungen, im Gottesdienste alles so wie bisher zu halten und nicht die geringste Neuerung vorzunehmen, oder sich aufbürden zu lassen: daher erklärt sichs, warum sie die Reichung des Abendmahls in beyderley Gestalt geradezu verweigerten, und keine teutschen Psalmen in der Hauptkirche singen ließen, ohnerachtet dieß der hiesige Rath selbst wünschte und eingeführet wissen wollte.
Zwey Umstände verdienen indessen vorzüglich angemerkt zu werden, welche in die hier herrschende Dunkelheit einige Helle bringen. D. Valentin Engelhard, Canonikus zu Wirzburg und Cöln hatte in seinem Testamente 60 Gulden an Gold zu einer eigenen Predigerstelle nach Schweinfurt vermacht in der seinem Verstande und Herzen gleich stark zur Ehre gereichenden Absicht, dem daselbst so sehr verfallenen öffentlichen Religions-Unterrichte wieder aufzuhelfen, und zugleich ein Denkmahl seiner Erkenntlichkeit für so manche daselbst genossene Wohlthaten zu errichten. Keine Stiftung hätte so erwünscht seyn können, wie damahls, wo die Einwohner Schweinfurts auch in ihrer vaterländischen Kirche öffentliche Belehrungen über die Religion zu hören wünschten, und wo es doch Gewissensangelegenheit war, diese Wünsche nicht ganz unerfüllt zu lassen. Der hiesige Magistrat machte also, was bisher noch nicht geschehen war, Gebrauch davon, und war schon im Begriffe, einen eigenen Prediger anzustellen; allein die Einwilligung hiezu, um die bey dem Fürst-Bischof Conrad von Thüngen wiederholter nachgesucht wurde, konnte auf keinem Wege erlangt werden. Wahrscheinlich glaubte man in Wirzburg, daß es damit auf einen protestantischen Volkslehrer abgesehen wäre, der nun die Stelle des so lieb gewonnenen Spalatins ersetzen solle; und das war Grund genug, daß man nicht die geringste Entschließung hierüber gab. Noch merkwürdiger ist der andere hieher gehörige Vorfall, von dem, aus dem gänzlichen Abgang der chronologischen Bestimmung nicht entschieden werden kann, ob er entweder etwas früher, oder um dieselbige Zeit, oder auch etwas später sich ereignet habe. Verschiedene gutherzige Einwohner hatten den Rektor der Schule, M. Johann Lindemann, der auch nach dem Abgang des M. Johann Sutellius 1547 Superintendent in unserer Vaterstadt wurde, dringend gebethen, er möchte ihre Kinder den teutschen Katechismus Luthers auswendig lernen lassen, damit sie ihn auch zu Hause verstehen und die Ihrigen darnach unterrichten könnten; aber kaum hatte der gegen die Wünsche seiner Mitbürger sehr gefällige Mann den Anfang damit gemacht, als schon die katholischen Geistlichen an der Hauptkirche zu Wirzburg Lärm darüber bließen. Sogleich ließ der Fürst-Bischof Conrad 200 Mann gegen Schweinfurt anrücken, um den Lutherischen Rektor aufheben und gefangen nach Wirzburg führen zu lassen; nur der hiezu befehlichte Hauptmann handelte noch so gevatterlich gegen ihn, daß er seine Flucht aus der Wirzburgischen in den Thüringer Wald durch einen vetrauten Diener schleunigst beförderte. Wenn auch weiter nichts als dieß geschehen wäre, so würde schon daraus erhellen, daß der Fürst-Bischof nichts vorbeyließ, um unsere Vaterstadt von dem Ziele der Reformation zurück zu halten.
Zweytes Kapitel
Folgen daher: Weises Benehmen des hiesigen Raths. Nur noch größerer Durst der hiesigen Einwohner nach evangelischer Wahrheit. Sendschrift Spalatins an sie.
Allerdings ward dadurch die Kirchen-Verbesserung in unserer Vaterstadt lange gehemmt und aufgehalten: es verstrich von dem bekannten Convente an noch ein ganzes Jahrzehend, bis man mit Ernst
daran ging. Am meisten wirkten die absichtlich gemachten Hindernisse auf den hiesigen Rath, der sich von jetzt an, so viel es nur möglich war, mehr leidend verhielt, wenigstens bis laut gewordene
Wünsche seiner Bürger und Einwohner nicht thätig zu befördern suchte; aber, wie ich glaube, auf eine ungemein kluge Art, die ihm noch jetzt recht viel Ehre macht. Die Einsichtsvollen Männer,
deren das damahlige Raths-Kollegium mehrere in sich schloß, kannten das Verhältnis zu gut, in welchem sich die mindermächtige Reichsstadt gegen das ansehnliche Bisthum Wirzburg befand, als daß
sie unter so kritischen Zeitumständen nicht vorzügliche Rücksicht darauf hätte nehmen sollen; sie wußten eben so gut, daß, je geschwinder sie die neue Lehre Luthers einführten, der schon
unzufriedene Fürst-Bischof Conrad nur desto mehr gereizt werden würde, unangenehme Maaßregeln gegen sie zu ergreifen und sie manchen Druck fühlen zu lassen; sie bewiesen also eine weise
Zurückhaltung, und hofften, daß das, as bey der ersten schnellen Ueberraschung zu auffallend gewesen seyn würde, durch die Zeit ein etwas milderes Ansehen erhalten möchte. Sie machten um
deswillen dem Pfarrer an der Hauptkirche nicht die geringsten Vorschriften zur Abänderung dieser und jener gottesdienstlichen Gebräuche; wünschten nur, daß nach der jedesmahligen Predigt teutsche
Lieder gesungen werden möchten, ohne mit Gewalt darauf zu dringen; beruhigten sich sogar dabey, da nicht die geringste Entschließung wegen einer zu errichtenden Predigerstelle von Würzburg
erfolgte; ließen das zur Aufhebung des Rektors Lindemann beorderte Wirzburgische Commando ruhig anrücken, und gaben eben so wenig Gelegenheit, die Religions-Gährung unter den Bürgern und
Einwohnern noch mehr zu befördern. Wenn auch einige derselben einen getreuen Unterricht von Spalatin sich ausbathen, so thaten dieß doch nicht alle, zum deutlichen Erweise, daß es mehr
Privat-Sache war; und etwas mußte denn doch geschehen, wenn sie sich nicht manchen Vorwürfen aussetzen, und ihren Mitbürgern nur einiger Maßen den Beweis liefern wollten, daß sie für ihr Bestes
besorgt seyen.
Aber die hiesigen Einwohner wurden durch alle jene Versuche, sie bey dem alten Glauben zu erhalten, so wenig abgeschreckt, daß sie vielmehr noch stärker für die einmahl gekostete Wahrheit eingenommen wurden; denn Hindernisse, die irgend einer liebgewonnenen Sache entgegen gesetzt werden, feuern öfters die Gemüther an, anstatt sie niederzuschlagen und zu dämpfen. Die katholischen Pfarrer hatten sich geweigert, ihnen das heilige Abendmahl unter beyderley Gestalt zu reichen, und den teutschen Gesang in der Hauptkirche untersagt; sie wurden also ihren bisherigen Lehrern nur noch abgeneigter, kamen größten Theils nicht mehr zur Kirche, hörten keine Messe mehr, und fingen überhaupt an, die bisher gewohnte kirchliche Gemeinschaft aufzuheben. Sie hatten gehöret, daß der Fürt-Bischof keine Predigerstelle errichten lassen wolle; sie gingen also in das eine Stunde von hier gelegene und damahls Hennebergische Maynberg, stellten an den Sonntagen ordentliche Wallfahrten dahin an, um ihren Durst nach evangelischer Wahrheit zu stillen und sich das Abensmahl unter beyderley Gestalt reichen zu lassen: der Pfarrer ihres Orts und seine Kapläne mochten auch noch so scheel dazu seyen, und noch so sehr gegen die neuen Ketzer eifern. Zu dieser unerschütterlichen Anhänglichkeit an die Lehre Luthers trug denn aber unstreitig sehr viel der gedruckte Unterricht bey, den sie um diese Zeit von Spalatin erhielten, und welcher hier eine nähere Anzeige verdient. Die Veranlassung dazu hatte eigentlich ein Brief gegeben, den der hiesige Stadtschreiber Erasmus Haug 1532 und zwar gegen das Ende dieses Jahrs an ihn geschrieben hatte. Aeußerst traurig war die Beschreibung, die darinn von der Lage der Schweinfurtischen Bürger gemacht wird: "Es sind, heißt es daselbst, der Zeit here, als ir von uns geschieden, ob den fünfhundert menschen alt und jung gestorben, und sterben noch teglich ein tag drey oder vier person, und wo es in ein haus kompt, reumt es gar aus. - Und begeren vil kranker von unserm pfarrer das heylig hochwirdig Sacrament Ine in beider gestalt zu raichen, Ine aber solches versaget worden, und ehe sie eine gestalt alleine nemen, lassen sie es ansteen, und befehlen sich Gott unserm Herrn. Auch hat das folck alhie noch bßhero die teutsche Psalmen an den feiertagen, so man im Closter je zu zeiten predigt, vor der predigt zu singen hart angehalten, unangesehen daß der Provincial, der einsmals oder zwey also gewesen, hat verpieten lassen: Und nach der Predigt wird allweg: Eine feste Burg gesungen. Es singen auch die kindlein die psalm nachts uff der gassen, lassen meine herrn solchs alles gescheen, weren des niemants, hetten es auch in der pfarrkirchen fürgenommen, aber der pfarrer wolt solchs in keinen Weg gedulden. Haben aber einen newen Pfarrer, nemlich den roten pfaffen, der zu der Zeit, als Eur Erwirde alhie was, das Caplan-Amt verwesen, und ist der ein caplan, der zu der Zeit je bißweylen predigt, denn Eur Erwirde gehört, der auch dem volk annemlich, todts halben verschieden. Und sind jetzt in disen jetzt in disen großen Nötten mit predigern ubel und bößlich versorgt."
Um so mehr bath denn auch der Stadtschreiber Haug in seinem und etlicher Rathsherren Nahmen, daß er allen Schweinfurtern eine Trostschrift wegen des Sacraments, und wie sich ein Mensch zum Sterben schicken und in Todesnöthen halten solle, zuschicken möge; dann das würde ihm zu großen Gedächtniß und Lobsagung gereichen.
Mit Freuden ergriff Spalatin diese Gelegenheit, da, wo er eine so bereitwillige Aufnahme gefunden hatte, Gutes zu wirken; und bald im Anfange des folgenden Jahrs erfüllte er die an ihn ergangene Bitte; aber ohne sich bloß darauf einzuschränken, wie sich ein Christ des Abendmahls wegen zu verhalten habe und zum Tode vorbereiten müsse, verbreitete er sich vielmehr in seinem übersandten Unterrichte über die hauptsächlichen Religions-Punkte, die ich schon oben anzuführen Gelegenheit hatte. Hier kommt es vorzüglich auf den Geist dieser Schrift an. Sie enthält ganz diejenigen Vorstellungen, die man damahls von den Lehren der Religion hatte, aber ohne scholastische Bestimmungen, die, wie es auf jeder Seite sichtbar wird, mit aller nur möglichen Sorgfalt vermieden sind; selbst die damahligen Streitpunkte sind entweder nur aus der Ferne oder nur leise berühret; oder die Erklärungen darüber mit einer damahls nicht gewöhnlichen, wenigstens mit einer, nur Männern, wie Melanchthon, eigenen Mäßigung gegeben, wobey selbst eine weise Rücksicht auf das damahlige Lokale von Schweinfurt unverkennbar ist. Uebrigens herrscht ein ungemein populärer Ton darinn, und der Geist des Christenthums schimmert hie und da sichtbar genug durch. Einige Auszüge daraus werden hier nicht am unrechten Ort stehen, zumahl da der Unterricht selbst sich von den Händen der meisten nicht mehr befindet.
Am ausführlichsten hat sich Spalatin darinn über die beyden Sakramente erkläret; und zwar aus leicht zu errathenden Gründen: denn auf der einen Seite sollten die Schweinfurtischen Bürger vor Wiedertäuferischen Grundsätzen, die auch in Franken sehr in Umlauf gekommen waren, verwahret, und auf der anderen Seite die hiesigen katholischen Geistlichen ihres Irrthums in der Lehre vom Abendmahl überführet werden. Mit vielen Gründen, worunter freylich manche sehr seicht und unstatthaft sind, sucht er deßhalb zu erweisen, daß auch kleine Kinder getauft werden müssen: "der heilige Cyprian, sagt er, schreibe ausdrücklich an den Fidus: sie hätten sich auf einem Concilio dahin verglichen, daß Niemand, am wenigsten die neugebohrenen, kleinen und unmündigen Kinder an der Taufe gehindert werden sollten; freylich sage man: kleine Kinder hätten ihre Vernunft noch nicht; allein nach dem Urtheile des heiligen Ambrosius könne auch da der Glaube Statt finden, wo es an Vernunft gebreche; (das wäre wohl ein sehr unvernünftiger Glaube!)auch im Schlafe gebrauche man ja seine Vernunft nicht, und dennoch mangele da der Glaube nicht; (eine unglücklich gewählte und dazu ganz unrichtige Instanz!) auch habe Gott keinen größern und ärgern Feind, denn die menschliche Vernunft; (an der reinen Vernunft zuverlässig nicht!) Jeremias und der Täufer Johannes seyen schon im Mutterleibe geheiligt worden; (bestimmt zu vorzüglichen Männern, und weiter nichts!) Im Ps. 72 lese man: daß die Juden bey der Aufopferung ihrer Söhne und Töchter unschuldig Blut vergossen hätten, diese Söhne und Töchter müßten also reine und heilige Kinder, folglich auch nicht ohne Gottes Geist und den Glauben gewesen seyn: so auch die unschuldigen Kinder, die Herodes habe tödten lassen; (ein bißchen weit hergeholt!) Johannes schreibe ausdrücklich 1 Ep 2: Leben Kindlein (nichts anders nach seiner Ausdrucksweise als: lieben Christen!) die Sünden sind euch vergeben; an dem Reiche Gottes hätten nach Mark. 10 und Matth. 19. auch Kinder Theil; folglich müßten sie auch den Glauben haben, ohne welchen man ohnmöglich ins Reich Gottes kommen könne (nur die Folge abgesondert!) die Taufe sey eben das bey den Christen, was die Beschneidung bey den Juden gewesen sey; (einer der besten Gründe, auf welchen in der nachfolgenden Zeit nicht so oft Rücksicht genommen wurde!) unter den 3000, welche nach Apostelg. 2 Christen geworden wären, seyen gewiß auch kinder gewesen, und nach I. Cor. I. sey sie Stephana mit ihrem ganzen Hause getauft worden." - Eben so weitläufig, aber mit weit bessern Gründen, bemüht er sich darzuthun, daß das heilige Abendmahl unter beyderley Gestalt empfangen werden müsse: "denn da stehen die hellen, klaren und dürren Worte Christi Matth. am 26: Trinket alle daraus, und auch Markus schreibt im Kap. 14: sie haben alles daraus getrunken. Freylich gehen die Feinde des Reichs Christi für: Christus habe den Kelch nur seinen Jüngern gegeben, un diese seyen lauter Priester gewesen; allein Anfangs hießen alle Christen Jünger, und erst zu Antiochien erhielten sie den Namen der Christen, Apostg. 15; dann waren ja auch die Korinthier, denen Paullus beyde Gestalt darreichte, nicht lauter Priester; vielmehr ist von jeher den Layen der Kelch gereichet worden, wie aus dem 4ten Buch Sententarium , aus dem heiligen Cyprian im Buche von den Gefallenen, aus dem heiligen Ambrosius im 9ten Buch im 19ten Cap. der dreyfachen Historien (die Stellen werden wörtlich darauf angeführt) zu ersehen ist; noch jetzt wird in der morgenländischen Kirche das Abendmahl nicht anders, denn unter beyderley Gestalt genommen; kein Concilium hat den Kelch verbothen, und selbst der Papst Innocentius, der dieß zuerst verbothen haben soll, befiehlt, daß den Lithauern, wenn sie getauft wären, das Sacrament des Leibes und des Blutes Christi an Festen und in Todesnöthen gereichet werden solle; auch sind in mehrern Klöstern silberne Röhrchen gefunden worden, dadurch man das Blut Christi empfangen hat; dazu habe ich selbst ehemahls in dem Jungfrauen-Kloster zu Neuendorf bey Altstedt unter verschiedenen alten Documenten einen Brief vom Abbt zu Reinstorf mit dem Datum gefunden: Gegeben am Abend des Leybs und Bluts Christi im Jar nach Christi Geburth, Tausend dreyhundert und im siben und zwenzigsten; bloß das Concilium zu Costnitz hat 1415 beyde Gestalt den Layen verbothen und verdammt: und doch hat das Concilium zu Basel 18 Jahre hernach, nähmlich 1433 den Böhmen und Mähren beyderley Gestalt zugestanden, und Brief und Siegel darüber gegeben."
Ueber die Nothwendigkeit der guten Werke druckt sich Spalatin bestimmter aus, als es Luther zu thun gewohnt war: "Die guten werk aber, damit man den nechsten dienet, wil Gott auch haben, im zu ehren, daß wir als seyne lieben Kinder auch einen feynen, eerlichen, züchtigen Wandel führen, wie Christus selbst davon redet Matth. 5. Also soll ewer Liecht leuchten vor den Leuten, daß sie ewre guten werk sehen, und ewern Vater im Himmel preysen. Nun sind eben das die rechten guten werk, die Got selbs gepoten hat. - Damit gehen zu Boden alle andere vermeinte gute Werk, on allen Grund Gottes worts, Befehls und Gepots, zu Lesterung des tewren Verdiensts, Bluts und Todts Christi und Gottes Gnad und Barmherzigkeit, von menschen erdicht, erdacht erfunden und auffgeworffen, als nehmlich Vigilien, seelmessen, heyligen anrufen, Walfarten, Römisch Ablaß, Rosenkrentz, so vil Brüderschafft, geistliche orden, alle Klöster und Stifft, und was dergleichen mer ist, in der ganzen Welt." - Die Pristerehe findet auch hier eine starke Apologie: "Der liebe Ehestandt ist eben so wol auf die Priester, Münch und Nonnen, als auf andere Leut verordnet und gesetzt, denn S. Paul schreibt zum Timotheo in der ersten, des es Teuffels Lere dey, die Ehe zu verbieten. Item auch zum Timotheo und Tito, das ein yeder Bischoff oder Pfarher eynes Weibs man seyn soll. Das aber etlich Päbst den Geistlichen die Ehe verpoten, schleust sich gewalticklich, daß es teuffels lere sey." - Die Seelmessen werden folgender Maßen abgefertiget: "Von den todten haben wir in der H. Schrifft nichts gewisses und bestendiges, darumb sind wir billich damit zufriden, dann es spricht Jhesus Sprach im Buch Ecclesiastici am dritten also, Was dir Got befohlen hat, ds nym dich stäts an, dann es frommet dir nichts, das du gaffest nach dem, das dir nicht befohlen ist, und was deyns ampts nit ist, da laß dein Fürwitz, dann dir ist vor mehr befolhen, dann du kanst ausrichten. Solcher dünkel hat vil betrogen, und jre Vermessenheyt hat sie gestürzt, In Summa, die Lebendigen sind uns überal von Got trewlich und ernstlich befolhen, uns gegen jn eerlich, wol und Freundtlich zu halten. Von den todten hat uns Got nichts gepoten, uns aber ist eben recht geschehen, do wir der lebendigen vergaßen, lies Got ein todten mit dem andern umbgehen, biß die ganze welt vol todten-Fresser ist worden, und niemands der Lebendigen Heyligen gewar genummen hat."
Das Urtheil, welches vom Fasten gefället wird, stimmt ganz mit dem überein, was Luther hierüber zu sagen pflegte: "Es were ein herlich seyn Ding, umb die rechte Christliche Fasten, das ist, das man sich meßig und eyngezogen hielte, mit essen und trinken, man esse darnach fleysch oder Fisch, wie dann Christus selbs davon redet Luc. 21. Aber hütet euch, das ewre Herzen nicht beschweret werden mit Fressen und sauffen, und mit Sorgen der narung, aber auch nicht damit den Hymmel oder Gottes Gnad zu verdienen, dan das were des Herrn Christi Blut vil zu nahe, Sonder dester geschickter zu werden, Gottes wort zu hören, und nachzudenken, und seines standts, ampts und Diensts zu warten, und dem nechsten Got zu ehren zu dienen." Nicht minder stark wird über die Anrufung und Verehrung der Heiligen abgeurtheilet, doch mit einer Einlenkung, die jetzt selbst die aufgeklärten Theologen des katholischen Teutschlands machen: "Man findet nirgent in der heyl. Göttlichen Schrifft, das man die lieben Heyligen, Sondern allein Got anrufen soll, denn da stehen die klaren hellen sprüche Esaie am 55. Suchet den Herrn weyl Er zu finden ist, ruffet in an weyl er nahe ist, Hier stehet ye, ruffet den Herren an, nicht die Heyligen. Also auch sagt der Prophet Johel, am andern, wie es auch S. Peter in der heyl. Apostel Geschichten, auch am 2. Cap. einfüret, Ein yeglicher der do anrufft den nahmen des Herren, der wirt selig werden. Da stehet auch, das man des Herren, und nicht der Engel, nicht der Heyligen namen anruffen soll. Da sol auch Heyl und seeligkeit bey seyn, wenn man Hülff und trost bey Got selbs sucht, das ist ye klar genug. Desgleichen stehet Esaie am 64. bist du doch unser Vatter, dann Abraham weis von uns nicht und Israel kennet uns nicht: Item Ecclesiastes am Neundten steet frey, die todten wißen nichts, verdienen auch nichts mer. Worzu solt man dann die lieben Heyligen anruffen, weil der große Gottgeliebte Heylig- und Erz-Vatter Abraham nichts mehr weyß, un die andern verschiedenen lieben heyligen auch nicht, derhalben wir billich des gewissen spilen, nemlich das wir uns nach Gottes wort und Befelh richten. Dann man sind in der ganzen Heyl. Schrift, alleyn den eynigen lieben Mann Jhesum Christum, der uns zum Mittler und Gnadenstuhl fürgestellet ist, durch Got den Vatter, durch in ein freyen Zutritt zu Got dem Vatter zu haben, wie dann klerlich und dürr stehet zum Römern, Ephesern, Timotheo und Hebreern, wer durch den kumbt zu Got dem Vatter, dem soll weder Gnad trost noch Hülff versagt noch ageschlagen werden, sondern alles gewert seyn. Wer auch durch andere dann durch Christum zu Got dem Vater zu kummen sich unterstehet, der wirds nicht enden. Dann also spricht Christus selbs, Johannis am 14. Niemandts kumpt zum Vater denn durch mich. Item Johann 3. Niemans feret in Hymmel; dann der vom Hymmel herab gestiegen ist, nemlich des menschen Son, der im Hymmel ist. Das man aber die lieben Heyligen in Ehren halten, das ist Christlich und billich, dann es hats doch Sant Paul zum Römern allen Christen gepoten, einander ehrlich zu halten, dieselbig ehre stehet aber nicht darinn, inen zu ehren Lichtlein anstecken, iren Abend fasten, iren Tag feyren, Hülf bey inen suchen. Sonder das hies wol die lieben Heyligen recht geehrt, zum ersten, wenn wir Gott trewlich danckten, das er so genediglich mit inen gehandelt hat, dann sie sind eben so wol als andere Gottes Kinder und außerwelten, eytel gnaden und nicht verdienst leute und bilde, Gottes lauter Gnade, güte, gaben und Wohlthaten, und nicht ir eygene werk und Leyden zu preysen, zu dem andern, das wir uns zu Gott auch aller Gnaden versehen, vertrawen und vertrösten, und nicht zweyfeln, er werd gegen uns nicht mit weniger gnaden handeln, dann Er gegen allen lieben Heyligen gethan hat, So steht auch zu Hebreern am 13. Capitel Sehet ewer Vorgeher Ende an, und volget irem Glauben. Zu dem dritten, das wir auch gleych den lieben Heyligen, ein yeder in seynem Dienst, stand und ambt, seynem nechsten trewlich dienen, und nicht zweyfeln, wenn Got unß unser Creutz, auch zu Hauß und Hoff schickt, Er werde uns zu seyner Zeyt auch herlich erlösen und zu allen Ehren sezen. Das hieß und were die Heyligen recht und Christlich geehrt."
Außer dem mögen noch einige besondere Stellen dieses Unterrichts, die größten Theils ietzt noch Beherzigung verdienen, hier ihren schicklichen Platz finden: " Alle Concilium und alle Welt ist und sol seyn unter Gottes wort, dann Gottes Wort wirt Richter seyn, auch am jüngsten Gericht, wie Christus selbst saget, Johann. 12. Ja nit alleyn über alle Concilia und Reichstag, sonder über alle Engel und Teuffel dazu. - Die Beicht ist keyns wegs zu verachten, sonder hoch zu halten, allein das sie frey und ungezwungen sey. - Wir müssen weis seyn und vil mehr achtung auf Gottes wort, dann menschen Vernunfft haben, dann menschen Vernunfft mus in Gottes sachen still halten, sunst wirt nymmer mer nichts guts draus, daher sind auch alle Ketzereyen kummen, das mans mit menschlicher Wiz und klugheit hat wöllen ausrichten. - Sollen wir ewig erhalten werden, so müssen wir von Got haben solche Pfarher, Prediger und seelsorger, die nicht sich selbs noch eygne werk, sondern alleyn Christum unsern lieben Herren zum trewlichsten predigen, wie wir dann sehen, das S. Lucas in Apostel-Geschichten überal schreybet, das die sieben Apostel kein ander Predig gefüret haben, denn allein von Jhesu Christo, und yedermann von sich selbs und allen Creaturen, eynig auf Gottes Gnad durch Christum und erlangt und geschenkt, gewiesen und gefürt haben. Darum wenn du eyn prediger hörest, der dir von großen grumpen sagt, so sprich zu Im, das er dir vom Herrn Christo predige, das in dir Got der Vatter geschenkt, geeygent und gegeben habe, an in alleyn zu glauben, dann Christus ist der liebe Mann, auf des werk, leben, sterben und Heyligkeit wir uns alleyn verlaßen und wagen sollen in Lieb und Laid, im Leben und sterben, und das seyn Gerechtigkeit allein die sey, dadurch wir müssen ewig erhalten und selig werden. Darauf mus man sich allein verlassen, Das ists dann das Gott selbs saget, Esaie am 53. Cap. Durch sein Erkendtnis wird er mein Knecht, der gerechte, vil gerecht machen, dann er tregt ire Sünde. Das wirds auch thim, damit haben wir auch thim genug unser Lebenlang, das hohe Erkanntnuß Jhesu Christi zu lernen, denn Sant Paul nennets nicht umbsunst zum Philippern am dritten cap. das überschwencklich Erkänntniß Jhesu Christi, das man erkennt, was großer unaussprechlicher Schätze, güter und gaben, und durch Christum unsern lieben Herrn und Heiland geschenkt und gegeben sind."
Ueberhaupt hat diese Spalatinische Schrift die gute Seite, daß sie nicht bloße Dogmatik in sich faßt, ein Fehler, den beynahe alle damahligen Religions-Bücher haben; sondern zugleich, obschon dem geringern Theile nach, christliche Moral vorträgt und die Tugend des Evangeliums empfiehlt. Es wird darinn nicht nur der echtevangelische Grundsatz aufgestellt: "Weyl wir dann ein solchen gnedigen freundtlichen Got haben, das er nicht allein ein gewelb sonder ein ganzen Hymmel voller gnaden, Barmherzigkeit, güte und gaben über uns geschlossen hat, sollen wir durch die liebe heraus brechen und den glauben des Herzens beweysen, und unsern nechsten auch dienen, rathen und helffen, mit Worten und Werken, wie uns Christus geholffen hat, Und solches alles sollen wir auch umbsünst Gott zu ehren und dem nechsten zum dienst und gut thun"; sondern es wird auch durch eine kurze Auslegung der 10 Gebothe, worinn man damahls alle Christenpflichten zu finden glaubte, das Verhalten gegen Gott und den Nächsten em Geiste der neutestamatischen Sittenlehre gemäß vorgezeichnet. Meistens Moral enthält auch der ganze Abschnitt von der Obrigkeit, worinn sich Spalatin, zuverläßig mit Rücksicht auf die ehemaligen Mißhelligkeiten zwischen den Bürgern zu Schweinfurt und dem Rathe folgender Maßen ausdruckt: "Oberkeit mus man hier auf Erden haben, und derselben gehorsam und unterthan seyn, dann sie ist von Gott verordnet, die frummen zu schüzen, und die Bösen zu straffen, darum fürt sich auch das schwerd wie sant Paul zum Römern am 13. schreybt, Ja Got hat der Oberkeyt solche hohe ehre angelegt, das er sie im andern Buch Moisi, Götter nennet, das eyn yeder Unterthan in seyner Oberkeyt Got selbst findet, und eben so vil thut, wenn er seyn Oberkeyt ehrtet, ir gehorsam und unterthan ist, als ehret er Got, und were Got selbs unterthan und gehorsam. Nun hat ye Got sich im ersten Buch Samuelis herlich lassen hören, wer mich ehret, den will ich wieder ehren, wer mich unehret, der soll zu schanden werden, Ja Sanct Peter will auch haben, das man der ungeschlachten Oberkeit nit weniger soll gehorsam seyn, dann frummen und gütigen, So leeret auch Salomon im Buch seyner Sprüch am 24. Mein son, fürchte Got und den könig, und menge dich nicht unter die Aufrührischen, denn ir Verderben wird blözlich kumen. Es hat auch Gott allweg die Aufrührer, die sich wider ir Oberkeit gesetzt haben, mit großem Ernst gestrafft, also thet sich das Erdreich auf, wie man im vierten Buch Moisi lieset am 16. Cap. und verschlung lebendig den Datan, Abiran und Core sampt ihrem Anhang, die sich wider Moisen und Aaron sezten, so haben wir auch in der armen pauren Aufruhr gesehen, wie geschwind sie Got straffet, hats auch noch weyter im synn zuthun, und wenn wir von Röm. Kays. May. Fürsten, Herren und ander Oberkeiten kein andern Vorteyl und Wohlthat hetten, so künden wir doch Gott und inen nymmer darum genugsam dancken, das wir durch ir Regiment, in gutem Fried, schuz und gemach mit Weyb, kind und Gesind sizen, und auf und ab handtiren, handeln und wandeln, und mit Frid schlaffen, gehet doch im krieg, beyde Gotseligkeit und Erbarkeyt, Leyb und gut, zucht und Ehre zu Boden, es felet aber daran, das es niemands erkennt für eytel große herliche Gottes gaben und Wohlthaten, Got wird auch gewißlich der Welt solchen greulichen Undank grob wie sie höchlich verdient, bezalen, wiederum so haben alle Regenten, sie sind groß oder kleyn ein herrlichen trost, das Gott so gewaltig ob ihnen helt und halten will, wie undanckbar und ungehorsam die Unterthanen sich gegen inen erzeygen, sie warten nur ires Beruffs trewlich und fleysig, dann die welt muß doch Oberkeyt, Richter und ander Regenten haben zu unterhaltung Fridens, schutz und rechten, und das böse zu strafen, Es würd sunst eyner den andern fressen".
Man kann sich leicht vorstellen, mit welcher Begierde dieser Sendbrief des so geachteten Gottesmanns, so bald er nur ankam, gelesen und gleichsam verschlungen ward; es läßt sich aber auch eben so leicht vermuthen, daß dadurch die Anhänglichkeit an Luthers Lehre bey den Schweinfurtischen Bürgern unerschütterlich groß werden mußte. "Lieben Freunde, so hatte sie Spalatin noch zum Beschlusse angeredet, so wöllet ewer sachen mit allem ernst gewahr nemen, und Gottes wort suchen und hören, wo ir zuweylen eyn Christliche Predig künt erreychen, Got auch bitten, wie uns Christus gelert, und geheysen hat, Matthei am neundten Capitel uns auch frumme Christliche Pfarher und Seelsorger zugeben, do er sprach, der schnitt ist gros, aber wenig sind der Arbeyter, darumb bittet den HErrn des Schnitts daß Er Arbeyter in seinen Schnitt sende, und wartet Gottes Hülff und Erlösung in aller Geduldt. Weyl unß nun unser lieber HErr Christus selbs heyßt bitten, uns auch Erhörung zugesaget hat, so laßt und keck und endlich seyn, flucks und offt zu bitten, ungezweyfelt, es wirt ja und erhört im Hymmel seyn. Darzu helffe und allen Gott der frumme Vatter aller Gnaden und Barmherzigkeit mit gnaden umb seynes lieben Sons, unsers HErrn und Heylandes Jhesus Christus willen, Amen!"
Dieß griff tief in ihr Herz ein, und brachte eine Entschlossenheit ihres Geistes hervor, die auch durch nichts wankend gemacht wurde. An Vigilien, Seelmessen und Heiligen-Anrufung, Wallfahrten, Ablässen, Rosenkränzen und überhaupt an allen gebräuchen der katholischen Kirche, die als Menschenerfindung dargestellet worden waren; an Pfarrern, für welche sie, weil sie die Christuslehre nicht verkündigten, und ihnen den Kelch so unrechtmäßig entzogen, die Ohren zuthun und davon gehen sollten, konnten sie, was auch dagegen gesagt und gethan werden mochte, nun weiter keinen Geschmack mehr finden. Nur noch häufiger gingen sie von ietzt an nach Maynberg, und mit dem Anfange des 40er Jahrs bisweilen auch in das nur eine halbe Stunde entlegene Reichsdorf Sennfeld, wo um dieselbige Zeit die Reformation eingeführet worden war; *) ermunterten sich wohl auch wechselseitig nur desto mehr, der erkannten bessern Wahrheit getreu zu bleiben, bis Gott auch in ihre Ernte Arbeiter senden werde. Das war aber auch alles, was in einem Zeitraume von 10 Jahren geschah: hier kein einziger tumultuarischer Vorschritt, wie in manchen Städten Teutschlands; hier durchaus ein gewisser stiller Gang, der allmählig zum Ziele brachte.
*) Zu gleicher Zeit nähmlich im J. 1540 bekannten sich die beyden Reichsdörfer Gochsheim und Sennfeld zur Augspurgischen Confession. Der erste Lehrer derselben zu Gochsheim war Johann
Spangenberger. Aus Akten, die zwischen Wirzburg und der gemeinde zu Gochsheim wegen des Patronat-Rechtes verhandelt worden sind.
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