Die Geschichte der Schweinfurter SPD
von Kurt Petzold, Ehrenbürger der Stadt Schweinfurt
Vortrag aus dem Jahre 2010
Im Jahr 1988 ist die SPD 125 Jahre alt.
Ein Jahr später, 1989. Mit einer Reihe von Veranstaltungen und Aktionen feiert die Schweinfurter SPD ihren runden Geburtstag. Man reibt sich die Augen und fragt sich: Wieso erst den hundertsten? Haben die im roten Schweinfurt, in der Arbeiterstadt damals geschlafen? Lebten sie hinter dem Mond?
Nun, das wohl nicht. Schweinfurt sah 1863, als Ferdinand Lasalle den Allgemeinen Deutschen Arbeiter Verein gründete, längst nicht mehr aus wie auf diesem rund zweihundert Jahre früher entstandenen Stich. Die industrielle Entwicklung hatte begonnen. Aber sie steckte in den Kinderschuhen. Die atemberaubende Entwicklung unserer Metall verarbeitenden Industrie setzte erst viel später ein.
Am Anfang standen kleine Betriebe der chemischen und der Lebensmittelindustrie – Farbfabriken, Zuckerfabriken oder, wie hier, die Gelatinefabrik, die bis zu ihrer Zerstörung 1943 produzierte. Allen gemeinsam waren nach heutigen Maßstäben schier unfassbare hygienische, soziale und wirtschaftliche Zustände – frühkapitalistische Ausbeutung reinsten Wassers, der die dort arbeitenden Frauen und Männer, ja sogar Kinder, hilflos ausgeliefert waren.
Sehr bald schon gab es aber auch europaweit ein Aufbegehren hiergegen. Die Forderungen der Französischen Revolution, also Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, sollten auch für die Ärmsten der Armen gelten. Auch an Schweinfurt gingen solche Ideen nicht spurlos vorüber.
1849, so steht es in den Annalen, gründete sich ein März- und Arbeiterverein, der sich bald darauf in Arbeiterbildungsverein umbenannte. Die Initiative ging ausgerechnet von der Bischofsstadt Würzburg aus, damals eine Zentrale der Bewegung in ganz Bayern. Der Verein war heftigen Schikanen und Verfolgungen seitens der bayerischen Regierung ausgesetzt und wurde bereits 1850 verboten.
Zwanzig Jahre, bis 1870 also sollte es dauern, bis ein neuer energischer Anlauf unternommen wurde. Von auswärts kommende Anhänger Lasalles riefen zu einer Versammlung auf – und siehe da, dreihundert bis vierhundert Schweinfurter kamen in den Goldenen Löwen, sechzig von ihnen traten spontan dem "Socialdemokratischen Arbeiterverein" bei.
Diesem erging es jedoch nicht besser als seinem Vorgänger. Der mit dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 einher gehende Hurra-Patriotismus erfasste auch Schweinfurt. Bespitzelung, staatliche Schikane, die Einberufung vieler Mitglieder zum Wehrdienst taten ein Übriges. Zu der übernächsten Mitgliederversammlung kamen noch ganze acht Mann. Der Verein zerbröckelte.
Idealistisch gesinnte Schweinfurter ließen sich aber nicht entmutigen. Sie setzten auf die segensreiche Wirkung besserer Volksbildung und gründeten einen „Arbeiter-Fortbildungsverein“. Das war 1872. Dazu entstanden fachgewerkschaftliche Zusammenschlüsse. Auf Reichsebene schlossen sich der von Lasalle gegründete Allgemeine Deutsche Arbeiter Verein und die Social-demokratische Arbeiterpartei, die von August Bebel und Wilhelm Liebknecht angeführt wurde, 1875 in Gotha zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands zusammen. 1878 wurden kurz hintereinander zwei Attentate auf Kaiser Wilhelm verübt.
Obwohl Sozialdemokraten nichts damit zu tun hatten, war das für den Reichskanzler Bismarck ein willkommener Anlass, jegliche Betätigung sozialdemokratischer Vereine zu verbieten. Das so genannte Sozialistengesetz galt zwölf Jahre lang. Nur an Wahlen durften sich die Sozialdemokraten noch beteiligen. Unsere Ergebnisse damals in der Stadt: 1878 zwölf Stimmen, 1881 fünfzehn Stimmen, 1884 immerhin schon einhundertundvier Stimmen.
Einen neuen organisatorischen Anlauf gab es dann – und jetzt sind wir beim eigentlichen Anlass des heutigen Abends – erst wieder 1889 . Am 27. Juli fand da im Goldenen Stern in der Oberen Straße eine Volksversammlung stattfand. Sie war gut besucht. Auch der Redner aus Nürnberg kam gut an. Man bildete einen Ausschuss - das kommt uns doch bekannt vor - der die Gründung eines Wahlvereins vorbereiten sollte. Immer noch galt ja das Sozialistengesetz, das jede andere sozialdemokratische Aktivität verbot. Schon am 1. August zeigte der provisorische Vorstand dem Stadtmagistrat die Gründung des Vereins an. Die Antwort fiel eher wohlwollend aus. Das Rathaus machte darauf aufmerksam, dass das Vereinsgesetz zu beachten sei. Die Verantwortlichen mit Josef Rätzer an der Spitze hatten den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden. Sie schrieben dem „Wahlverein zur Erzielung volksthümlicher Wahlen für Reichstag, Landtag und Gemeinden für den Reichstagswahlkreis Schweinfurt Hassfurt Ebern“ wie der vollständige Name lautete, folgendes in die Satzung: „Der Verein hat seinen Sitz in Schweinfurt und stellt sich zur Aufgabe, Mitglieder zu gewinnen, die dahin mitwirken, bei Reichstags-, Landtags- sowie bei Gemeindewahlen Männer“ (jawohl, Männer, das Frauenwahlrecht war noch in weiter Ferne) „in die betreffenden gesetzgebenden und Vertretungskörper zu wählen, welche Sparsamkeit bei dem Haushaltsetat zu erzielen suchen, sowie das Wohl des gesamten Volkes im Auge behalten und dem gedrückten, hilfesuchenden Arbeiter-, Handwerker- und Bauernstand kräftig zur Seite zu stehen.“
Schon ein Jahr später standen Reichstagwahlen an. Trotz der vermeintlich gesetzeskonformen Formulierungen in der Satzung wurde gleich schon einmal eine Wahlkreiskonferenz verboten. Man beredete Strategie und Taktik dann halt bei einem gemeinsamen Spaziergang. Organisatorische Probleme gab es in Hülle und Fülle. Vor allem fehlte es hinten und vorne an Geld. Trotzdem stellte man einen eigenen Wahlkreiskandidaten auf. Der erhielt im Wahlkreis 1770 Stimmen. 338 davon kamen aus der Stadt. Das waren immerhin mehr als das stramm konservative Zentrum erhielt. Schweinfurt wählte damals liberal.
1894 - das Sozialistengesetz war jetzt außer Kraft - gab es in Schweinfurt einen unterfränkischen Parteitag. Organisatorisch und finanziell war die Basis immer noch recht schwach. Es erscheint wie ein kleines Wunder und zeugt von guter Arbeit, dass die Partei jedenfalls bei Reichstagswahlen ständig besser abschnitt. 1912 wurden die Sozialdemokraten mit 35 Prozent der Stimmen und 27 Prozent der Sitze erstmals die stärkste Fraktion im Reichstag. In Schweinfurt fuhren sie die Hälfte aller Stimmen ein – ein Rekordergebnis.
Schwieriger war es bei den Landtagswahlen. Hier galt noch das Dreiklassenwahlrecht – wer mehr Steuern zahlte, dessen Stimme hatte mehr Gewicht. 1893 entsandten die Sozialdemokraten gerade einmal fünf Abgeordnete in den Landtag. Davon kamen vier aus Nürnberg. Der fünfte war der Landesvorsitzende Georg von Vollmar aus München.
Am schwersten aber war es, bei den Stadtratswahlen Erfolge zu erzielen. Wählen durfte hier nur, wer das Bürgerrecht hatte. Und das zu erwerben kostete unter anderem Geld. So dauerte es bis 1908, bis erstmals drei Sozialdemokraten in das Schweinfurter Rathaus einzogen.
1906 stand Schweinfurt für kurze Zeit im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit – die Genossen hatten die Ehre, den Landesparteitag auszurichten. Der Saalbau an den Schanzen, dort wo heute das Theater steht, sonst Schauplatz von Konzerten und Bällen des bürgerlichen Establishments, bildete dafür einen würdigen Rahmen. In seinem Grußwort nannte der Ortsvereinsvorsitzende Adam Lang Schweinfurt eine Insel im schwarzen Meer - eine Charakterisierung, die noch für lange Zeit Gültigkeit behalten sollte.
Unverdrossen diskutierten, organisierten und agitierten die Aktivisten. Nach wie vor herrschten auch und besonders in Schweinfurt ausbeuterische Arbeits- und Lebensbedingungen. Aber die Betroffenen ließen sich nicht mehr alles gefallen. Streiks waren keine Seltenheit, sei es in der Großindustrie, so etwa 1897 in der Gußstahlkugelfabrik Fries und Höpflinger, 1899 in einer mittelständischen Brauerei, deren Inhaber daraufhin Konkurs anmelden musste, oder 1910 im Baugewerbe. Ende des neunzehnten Jahrhunderts waren in Schweinfurt dreizehn Gewerkschaften aktiv. Sie schlossen sich zu einem Kartell zusammen, um die Mitglieder der Einzelgewerkschaften wirkungsvoller beraten und unterstützen zu können. Meist waren hier die gleichen Männer aktiv wie auf dem politischen Kampfplatz. Immer mehr Arbeiter begriffen, dass sie sich politisch organisieren mussten, um ihr Los zu verbessern. Und trotz vieler Rückschläge gewannen Gewerkschaftler und Sozialdemokraten an Einfluss - im Reich, aber auch in Schweinfurt. Hier hatten sich die Dinge auch organisatorisch so verfestigt, dass 1912 die Gewerkschaften ein Arbeitersekretariat und 1913 die Sozialdemokraten ein Parteisekretariat einrichten und besetzen konnten. Den Parteimitgliedern war dies eine Erhöhung des Beitrags von dreißig auf vierzig Pfennig im Monat wert.
Und dann war plötzlich über Nacht alles anders.
Schon seit langem standen sich die europäischen Mächte in übersteigertem Nationalismus unversöhnlich gegenüber. Es kam das verhängnisvolle Jahr 1914. In maßloser Selbstüberschätzung erklärte Deutschland Russland und Frankreich den Krieg. Deutsche Truppen marschierten in Belgien ein. Der Erste Weltkrieg hatte begonnen.
Die Partei traf dies hart. Nicht nur musste in Schweinfurt die geplante Jubiläumsfeier zum fünfundzwanzig- jährigen Bestehen ausfallen. Nicht nur war bald schon mehr als die Hälfte der Genossen eingezogen und zahlte keinen Beitrag mehr. Schlimmer waren die politischen Folgen für die SPD. Wohl hatte der Fränkische Volksfreund, das in Würzburg erscheinende Parteiblatt, noch am Tag der Mobilmachung geschrieben: „Unser Herz … ist erfüllt mit tiefem Abscheu vor dem Krieg.“ Aber die Realität war eine andere. Unter den Massen, die auch in Schweinfurt auf dem Marktplatz patriotische Lieder sangen und die in den Krieg ziehenden Truppen voller Begeisterung zum Bahnhof begleiteten, waren nicht wenige Sozialdemokraten. Und die SPD glaubte an das Märchen vom Verteidigungskrieg. Das sozialistische Ideal der Völker-verständigung musste hinter vermeintlichen nationalen Interessen zurückstehen. Die Reichstagsfraktion stimmte der Bewilligung der Kriegskredite zu und schloss einen politischen Burgfrieden mit dem bürgerlichen Lager.
Bald aber bekam Deutschland, bekam die Arbeiterschaft und bekam die SPD die Folgen des Krieges auf schreckliche Weise zu spüren. An der Front verreckten Hunderttausende, ja Millionen in den Schützengräben. In den Fabriken wurden alle sozialen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte über Bord geworfen; Arbeitszeiten von zwölf und mehr Stunden waren in der Schweinfurter Kugellagerindustrie an der Tagesordnung.
Die Bevölkerung in den Städten litt bittere Not; alleine im
„Kohlrübenwinter“ 1916/1917 starben in Deutschland 750 000 Menschen an Unterernährung. Und: Der Krieg spaltete die SPD. Zwanzig ihrer Reichstagsabgeordneten weigerten sich 1916, mit der Mehrheit der Fraktion weiteren Kriegskrediten und damit einer Verlängerung des Krieges zuzustimmen. Sie bildeten eine eigene Fraktion. Im April 1916 gründete die Parteiopposition die USPD, die Unabhängige Sozial-demokratische Partei Deutschlands.
In Schweinfurt bemühten sich die Sozialdemokraten zunächst noch um Geschlossenheit.. Aber bald wurde die Partei auch vor Ort vom Spaltpilz befallen. Als erster führender Sozialdemokrat in Schweinfurt schloss sich der örtliche Vorsitzende des DGB – pardon, damals des Gewerkschafts-kartells – den Linken an – pardon, damals der USPD. Fritz Soldmann war sein Name. Er sollte noch viel von sich reden machen, wurde
Landessekretär der USPD, zweimal in den Reichstag gewählt, von den Nazis schikaniert und wiederholt eingesperrt. 1945 starb er, erst siebenundsechzigjährig, kurz nach seiner Befreiung aus dem KZ Buchenwald.
Aber zurück ins Jahr 1918. Da überstürzten sich die politischen Ereignisse. Deutschland und seine Verbündeten erlitten eine militärische Niederlage nach der anderen. Zu Hause herrschten Not, Hunger und Elend. Im Januar 1918 kam es zu umfangreichen Streiks in Berlin. Im November 1918 meuterten in Kiel deutsche Matrosen. Plötzlich war Revolution. An vielen Stellen bildeten sich Arbeiter- und Soldatenräte und versuchten, die Macht zu übernehmen. Am 9. November – bekanntlich der Schicksalstag der deutschen Geschichte – dankte Kaiser Wilhelm ab; Friedrich Ebert wurde Reichskanzler, Philipp Scheidemann rief vom Balkon des Reichstags die Republik aus. Beide gehörten der SPD an. Sozialdemokraten waren es also, die in schwersten Zeiten antraten, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen.
Das setzte sich fort, als am 6. Februar 1919 in Weimar - daher die Bezeichnung Weimarer Republik - die Nationalversammlung zusammen trat. Die abgespaltene USPD ging in die Opposition. Die SPD bildete mit den gemäßigten bürgerlichen Parteien eine Koalition. Philipp Scheidemann wurde Reichskanzler, Friedrich Ebert wenige Tage später Reichspräsident.
In Bayern kam die Wende noch schneller und noch dramatischer. Schon am 7. November 1918 rief Kurt Eisner auf einer Großkundgebung in München den Freien Volksstaat Bayern aus und erklärte den König für
abgesetzt. Der brachte sich sang- und klanglos in Österreich in Sicherheit. Kurt Eisner wurde kurz darauf ermordet. Im April 1919 bildete sich ein Arbeiter- und Soldatenrat, der die Räterepublik Bayern ausrief. Die legitime Regierung unter dem sozialdemokratischen Minister-präsidenten Hoffmann wich nach Bamberg aus. In München kam es zu kriegsähnlichen Kämpfen, die rund tausend Todesopfer forderten.
Und was war in Schweinfurt los?
Auch hier hatte sich am Abend des 8. Novembers 1918 ein fünfunddreißig Mann starker Arbeiter- und Soldatenrat formiert. Sein Anführer war Fritz Soldmann. Schon am nächsten Tag, wieder einmal der 9. November, ließ er sich von einer Volksversammlung auf dem Rossmarkt bestätigen. Wie es Schweinfurter Art ist, wurde die Sache nicht so heiß gegessen wie gekocht. Der Rat stürmte nicht mit Waffengewalt das Rathaus. Das drohte er erstmal nur an. Er machte vielmehr dem Stadtmagistrat ein Angebot zur Zusammenarbeit. Dieser protestierte zwar, willigte aber am gleichen Tag ein – wohl in der Hoffnung, dass der Spuk bald vorüber sein werde. Und so kam es denn auch. Zwar rief auch der Schweinfurter Arbeiter- und Soldatenrat die Räterepublik aus. Drei Wochen später aber schickte die Regierung Hoffmann Soldaten nach Schweinfurt. Es gab zwei Tote und mehrere Verletzte. Der Arbeiter- und Soldatenrat löste sich auf.
Der Sozialdemokrat Hoffmann und seine Minister hatten in Bayern die Dreckarbeit gemacht. Jetzt durften sie gehen. Bei der anschließenden Landtagswahl 1920 erzielten die drei Linksparteien – inzwischen war die KPD dazu gekommen – zwar die Mehrheit in Schweinfurt. In ganz Bayern aber mussten sie die Macht den Rechten überlassen.
Die Schweinfurter SPD hatte zuvor noch ebenso geschickt wie entschlossen die Gunst der Stunde genutzt, um ein lange schwelendes Problem im Sinne der Stadt und der Vernunft zu lösen.
Im bayerischen Landtag vertrat damals Josef Säckler die Region Schweinfurt, und das schon seit 1907. Auch dies ist einer der großen Namen der Schweinfurter SPD. Schon bei der Gründung 1889 war er aktiv dabei. 1912 verfehlte er nur knapp den Einzug in den Reichstag. Den städtischen Gremien gehörte er fast fünfundzwanzig Jahre lang an. Gütig und kämpfend, liebenswürdig, uneigennützig und hilfsbereit - so charakterisierte ihn Oberbürgermeister Merkle 1932 in seiner Traueransprache.
Jetzt, 1919, redete Josef Säckler in München ein Wort mit seinem Genossen Endres. Der stammte aus dem benachbarten Ebenhausen und war jetzt bayerischer Innenminister. Und siehe da: Er zögerte nicht lange, sondern setzte die seit Jahrzehnten überfällige Eingemeindung Oberndorfs durch.
Endlich gehörten der Hauptbahnhof und die großen Industriebetriebe zu Schweinfurt. Hätten wir nur Anfang der siebziger Jahre, als die letzte Gebietsreform in Bayern lief, auch so einen tatkräftigen Fürsprecher in München gehabt!
Zum 1. Dezember 1919 war der Zusammenschluss perfekt.
Höchste Zeit, denn München hatte extra wegen dieser Vorgänge die Gemeinderatswahl in Schweinfurt und in Oberndorf verschoben. Jetzt wurde sie nachgeholt, drei Tage vor Weihnachten. Das Ergebnis war eine schöne Bescherung: Fünfzehn Sitze entfielen auf die Bürgerliche Liste, genau die gleiche Zahl auf Mehrheitssozialdemokraten und USPD zusammen.
Gewählt wurden übrigens auch zwei Brüder: der Gastwirt Christoph Hoffmann für die SPD und der Kaufmann Georg Hoffmann für die USPD. Man sieht: Die Spaltung reichte auch damals schon bis in die Familien hinein. Georg musste raus, weil er der jüngere war. Für ihn zog der Maurer Michael Rummert in den Stadtrat ein.
Im Jahre 1919 durften Frauen das erste Mal für ein politisches Amt gewählt werden und auch das erste Mal wählen. Dies war von Frauenbewegungen hart erkämpft worden und es hatten sich sowohl aus der Bürgerschaft als auch aus der Arbeiterbewegung Frauenbewegungen zusammengeschlossen, obwohl bis zum Jahre 1908 das Vereinsrecht "Frauenpersonen, Geisteskranken, Schülern und Lehrlingen" (welch erstaunliche Kombination!) die Zugehörigkeit zu politischen Vereinen untersagte.
1902 gründete auch in Schweinfurt die SPD, die das Frauenwahlrecht seit 1891 auf ihr Programm geschrieben hatte, den "Verband für Frauenstimmrecht". Unterstützt wurde diese Bewegung von Anfang an durch Fritz Soldmann, der offen die Frauen aufforderte, sich am politischen Leben zu beteiligen.
In einem Aufruf zum Frauentag der organisierten Frauenbewegung in Schweinfurt vom 01. März 1914 stand geschrieben: "Die Frau wird heute von der Gesetzgebung bezüglich des Wahlrechtes noch behandelt wie die Unmündigen. Sie haben zwar alle Lasten zu tragen...., aber Rechte auf dem Gebiet des politischen Lebens räumt ihnen keine der politischen Parteien und auch die Regierungen nicht ein.... Rückhaltvoller, steter Kampf wird dieses Unrecht beseitigen..... Deshalb, Frauen, besucht die Versammlungen und wehrt euch um euer Recht!" 1918 erhielten mit dem Reichstagsgesetz vom 30. November die Frauen durch die Revolutionsregierung das aktive Wahlrecht ab dem 20. und das passive Wahlrecht ab dem 25. Lebensjahr.
Bei der ersten Stadtratswahl, die aufgrund der Eingemeindung Oberndorfs auf den 21. Dezember 1919 verlegt worden war, kandidierten fünf Frauen. Dies waren Anna weichsel, Dora Starz, Maria
Reichert (alle USPD), Therese Stadtmüller und Franziska Weigand (beide MSPD). Es war Anna Weichsel, der als einzige der Einzug in das Stadtparlament gelang.
Anna Weichsel war die erste gewählte Stadträtin in Schweinfurt. Sie war von 1919 bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten im Schweinfurter Stadrat aktiv. Ihre Tätigkeit galt dem
Bereich Familie, Jugend, Kinderreiche und Waisen.
Das Patt zwischen rechts und links machte natürlich die ebenfalls anstehende direkte Wahl des Oberbürgermeisters zusätzlich spannend. Beide Lager holten sich Kandidaten von auswärts. Die Genossen hatten Dr. Benno Merkle ausgeguckt. Der hatte Verwaltungserfahrung bei der Stadt München gesammelt. In den wirren Zeiten in München war er im Zentrum des Geschehens dabei – unter Kurt Eisner als Mittelsmann zu dem bestehenden Beamtenapparat in den Ministerien, unter Ministerpräsident Hoffmann als Arbeitskommissär, verantwortlich für Arbeitsbeschaffung, Notstandsmaßnahmen und die Betreuung der Arbeitslosen. Also der richtige Mann für das krisengeschüttelte Schweinfurt. Als ihm die Genossen die Kandidatur anboten, war Merkle alles andere als begeistert. Sein Ja kam buchstäblich in letzter Minute. Am 10. März 1920, einem Mittwoch, fuhr Merkle nach Schweinfurt. Am gleichen Abend schon stellte er sich in einer großen Wahlversammlung den Schweinfurtern vor. Und, man höre und staune: Die wählten ihn ganze fünf Tage später – mit der denkbar knappen Mehrheit von 87 Stimmen.
Was jetzt folgte, waren verdammt harte Zeiten. Die Irrungen und Wirrungen, die ungeheuren wirtschaftlichen und sozialen Probleme, die politischen Verwerfungen der Weimarer Zeit bis hin zur gewaltsamen Machtergreifung der Nationalsozialisten auch nur annähernd zu schildern, würde den Rahmen dieses Vortrags sprengen.
Schweinfurt blieb von alledem nicht verschont. Gleich noch 1920, Merkle war kaum in Amt und Würden, ging es richtig los mit einer Welle von Streiks und Aussperrungen, die sich über Monate hinzog. Pragmatiker, der er war, bemühte sich Merkle intensiv um Vermittlung. Auch in anderen Bereichen war Benno Merkle immer darauf bedacht, auszugleichen statt zu spalten, die Menschen zusammen zu führen statt sie zu trennen – eine Eigenschaft, die, wie ich meine, einen Oberbürgermeister auszeichnen sollte.
Sie war im übrigen auch Voraussetzung für seine Erfolge. Im Stadtrat nämlich war die SPD in den dreizehn Jahren seiner Amtszeit zwar immer
die stärkste Partei, verfügte aber nie über die absolute Mehrheit. Der Wille zur Zusammenarbeit kam unter anderem dadurch zum Ausdruck, dass die SPD neben Merkle immer den dritten Bürgermeister stellte, das Amt des zweiten Bürgermeisters aber stets dem bürgerlichen Lager überließ.
Merkles Tätigkeit in diesen schweren dreizehn Jahren kann man getrost eine Erfolgsstory nennen. Ein Schwerpunkt lag im sozialen Bereich, von Arbeitsbeschaffungs-
maßnahmen bis hin zu Wärmestuben und freiem Mittagessen für Bedürftige während der Weltwirtschaftskrise. Viertausend neue Wohnungen wurden gebaut. Neue Schulen – hier die Goetheschule, in der ich 1942 rechnen und schreiben lernte, hier die Berufsschule, bei ihrer Fertigstellung 1927 eine der fortschrittlichsten in ganz Bayern.
Das Krankenhaus, Straßen, Kanalisation – Schweinfurt blühte in schwerer Zeit. Erfolgreich bemüht war Benno Merkle um gute Kontakte zu Industrie und Banken. Er schaffte es, Betriebe in Schweinfurt zu halten, deren Schließung oder Verlagerung bereits beschlossene Sache war. Mit besonderem Stolz erwähnt er in seinen Erinnerungen, dass er es war, der 1931 den Geheimrat Sachs dazu brachte, das Ernst-Sachs-Bad zu bauen. Und wieder musste er viel Überredungskunst aufbringen, denn der Stadtrat wollte eigentlich den jetzigen Standort dafür nicht zur Verfügung stellen.
Und dann kam das fatale Jahr 1933. Vergebens hatten Sozialdemokraten und Gewerkschaften gegen die heraufziehende Nazidiktatur gekämpft, auch in Schweinfurt. Die Eiserne Front trat dem Terror auf der Straße entgegen. Ihr Wahrzeichen: Die drei Pfeile. Diese Fahne kam fünfzig Jahre später aus ihrem Versteck in einem Schuppen in der Deutschhöfer Straße ans Tageslicht – ein bewegendes Ereignis.
Wenn wir heute in einer Woche gegen die neuen Nazis demonstrieren, werden zwar nicht die drei Pfeile dabei sein - oder doch? - dafür aber wird hoffentlich halb Schweinfurt auf den Beinen sein und mit mehr Erfolg als damals.
Nach der Reichstagswahl von 1933 wurden sämtliche Landes- und Kommunalparlamente „gleichgeschaltet“, wie man das nannte. Die Nazis erhöhten sich einfach per Gesetz die Zahl ihrer Stadträte in Schweinfurt von zwei auf neun. Fünf der dreizehn SPD-Stadträte wurden einfach aus dem Rathaus geworfen. Von den verbliebenen war die Hälfte bereits in Schutzhaft – welch wunderschön zynischer Ausdruck – als Valentin Kupfer in der Sitzung vom 27. April 1933 für die Fraktion deren Bereitschaft zur Mitarbeit auch unter dem neuen Regime erklärte. Es half alles nichts. Schon zwei Monate später gab der vom Stadtrat neu gewählte Nazi-OB Pösl bekannt, dass sieben SPD-Stadträte ihren Austritt erklärt hätten – nicht aus ihrer Partei sondern aus dem Stadtrat.
Einfügung des Verfassers dieser Website:
Im Jahre 2013 wurde überraschend im Ebay die Fahnenspitze zu obig genannter Fahne der "Eisernen Front" angeboten. Diese war nach der Machtergreifung der Nazis vergraben worden, um sie zu schützen. Bis zum Jahre 2009 blieb sie im Besitz des Schweinfurters, der sie vor der Vernichtung gerettet hatte. Der Verfasser dieser Website, Peter Hofmann, erwarb diese und konnte sie somit als historisches Objekt Schweinfurts für diese Stadt bewahren.
Ende der Einfügung
Man kann sich unschwer vorstellen, wie es dazu gekommen war. Dem achten, Georg Groha, konnte man die vorgefertigte Verzichtserklärung nicht mehr zustellen – er war aus gutem Grund untergetaucht und flüchtete nach Frankreich, wo er 1941 starb. Oberbürgermeister Merkle wurde am 10. März 1933 verhaftet und ein Jahr später von der bayerischen Regierung aus seinem Amt entlassen.
Vom Schweinfurter Rathaus wehte die Hakenkreuzfahne.
Wer Hitler wählt, wählt den Krieg.
Auch diese Warnung der Sozialdemokraten konnte das Unheil nicht mehr abwenden. Für Schweinfurt wurde sie in besonders schrecklicher Weise Wirklichkeit.
Sofort nach dem Krieg krempelten auch in Schweinfurt Sozialdemokraten - zusammen mit anderen - wieder einmal die Ärmel hoch. Die SPD wurde in unserer Stadt als erste Partei wieder zugelassen. Das war am 26. November 1945. Schon im Jahr darauf hatte die Partei über achthundert Mitglieder. In späteren Spitzenzeiten brachte sie es auf das Doppelte.
Dem ersten Stadtrat gehörten 31 Frauen und Männer an. Davon stellte die SPD fünfzehn. Man ging aufeinander zu: Der Rat wählte Ignaz Schön von der SPD zum Ersten und Ludwig Krug von der CSU zum Zweiten Bürgermeister. Beide erhielten dreißig Stimmen.
Vordringlich ging es jetzt darum, den Schutt aufzuräumen, die Not zu verwalten und Schweinfurt überhaupt wieder bewohnbar zu machen. Entschlossen und bürgernah gingen die Genossinnen und Genossen an die Arbeit - und sie gewannen das Vertrauen der Menschen. Bei allen Wahlen bis 1996, also genau ein halbes Jahrhundert lang stellten wir die stärkste Fraktion im Stadtrat, meist sogar die absolute Mehrheit.
Entsprechend stellte die SPD jeweils den vom Stadtrat gewählten stellvertretenden Bürgermeister. Nacheinander waren dies
Georg Wichtermann,
Heinz Frenkel,
Kurt Petzold und
Herbert Müller, volksnah und beliebt, der das Amt von 1974 bis 1996 inne hatte.
Weniger im Rampenlicht, aber nicht minder einflussreich agierten die Vorsitzenden der Stadtratsfraktion, nämlich
Christian Neuschwanger,
Paul Rummert , der das Amt über zwanzig Jahre lang inne hatte, nämlich von 1956 bis zu seinem plötzlichen Tod im Jahre 1979,
Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion
1946 - 1956 Christian Neuschwanger
1956 - 1979 Paul Rummert
1979 - 1982 Adolf Ley
1982 - 1984 Arthur Reeg
1984 - 1992 Karl Rosentritt
1992 - 1996 Dr. Herbert Wiener
1996 - 1998 Herbert Müller
1998 - 2002 Gerhard Schurz
2002 - 2008 Werner Bonengel
2008 - 2015 Joachim Schmidl
ab 2016 Ralf Hofmann
Die große Politik beeinflusste das Leben der Partei in Schweinfurt. Themen wie Wiederbewaffnung, Notstandsgesetze oder Hartz IV führten zu heftigen Diskussionen, Verwerfungen und Parteiaustritten.
1978 änderten wir unsere Organisationsstruktur. Die bisherigen Stadtbezirke wurden zahlenmäßig verringert und zu Ortsvereinen aufgewertet. Der Kreisverband Stadt, bis dahin einheitlicher Ortsverein, war jetzt nur noch das organisatorische Dach. Ob dies unter den heutigen Umständen noch zweckmäßig ist? Dickes Fragezeichen.
Die Vorreiterrolle der Schweinfurter SPD führte dazu, dass sie überdurchschnittlich viele Abgeordnete stellen konnte. Diese waren
im Bayerischen Landtag:
Franz op den Orth,
Walter Langebeck, hier zusammen mit Willi Brand:
Oskar Soldmann, hier zusammen mit seiner Marianne und dem Kreisvorsitzenden Herbert Wiener:
und Werner Hollwich:
im Deutschen Bundestag:
Franz op den Orth
Walter Langebeck
und
Rudolf Müller
Sechsundvierzig Jahre lang, von 1946 bis 1992, stellte die SPD den Oberbürgermeister. Als sich Ignaz Schön 1956 aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen musste, kam Georg Wichtermanns Stunde.
Volksnah und erfolgreich, beliebt und anerkannt, so regierte er achtzehn Jahre lang und wurde zum Markenzeichen für den Aufstieg Schweinfurts. Als er altersbedingt 1974 nicht mehr antreten durfte, war die Partei vorbereitet. Sie hatte rechtzeitig den gebürtigen Schweinfurter Kurt Petzold ins Rathaus geholt und ihm zunächst als Finanzreferent und dann noch zusätzlich als Bürgermeister Verantwortung übertragen.
Wichtermann und Petzold hatten Werdegänge durchlaufen wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Hier der gelernte Handwerker, Mann aus der Industrie und Gewerkschaftler, dort der gelernte Verwaltungsjurist mit praktischen Erfahrungen auf allen Ebenen der inneren Staatsverwaltung. Eines aber hatten sie gemeinsam: Beide kamen aus der Arbeiterbewegung.
Die Sozialdemokratische Partei war ja vor 1933 und auch nach 1945 nur eine von drei Säulen dessen, was sich in seiner Gesamtheit als Arbeiterbewegung verstand.
Die anderen beiden waren
zum einen die Gewerkschaften mit ihrem klar definierten Auftrag
und zum anderen zahlreiche Vereine und Verbände mit den verschiedensten Zielsetzungen im sportlichen, kulturellen, weltanschaulichen und sozialen Bereich.
In Schweinfurt war dieser Sektor ganz besonders stark und aktiv. In den zwanziger Jahren gab es weit über zwanzig Vereine, die sich der Arbeiterbewegung zugehörig fühlten. Sie hatten sich auch formell zu einem Kartell zusammengeschlossen, wie man das damals nannte - hinter Nürnberg war es das zweitstärkste in ganz Nordbayern.
Sinn und Erfolg dieser Arbeit waren wiederum dreifacher Natur.
Zum einen entstanden Solidarität und Stallgeruch. Man gehörte dazu, wenn man beim "richtigen" Verein mitmachte. Es war eben ein Unterschied, ob man den Bauchaufschwung bei der "bürgerlichen" Turngemeinde (auch sie hatte einmal revolutionär begonnen) oder bei den "freien" Turnern übte.
Zweitens waren die Vereine mit ihrer oft starken Anziehungskraft auf junge Menschen ein natürliches Reservoir für die Gewinnung neuer Parteimitglieder, aber auch ein Ort vielseitiger Wechselbeziehungen zwischen Partei und Bürgerschaft.
Und drittens stand dahinter und über allem das Ideengut des Sozialismus: Die Arbeiterschaft sollte wachgerüttelt werden, heraus geführt aus ihrer dumpfen und stumpfen Knechtschaft, sollte teilhaben am gesellschaftlichen und kulturellen Fortschritt, sollte auf diese Weise reif gemacht werden zur Übernahme der Macht im Staate.
Was geblieben ist von alledem, was überleben kann, was gar neu zum Leben erweckt werden kann - das möge jeder für sich selbst beurteilen.
Kein Zweifel - einige der Arbeitervereine, von den Nazis zerschlagen und nach 45 wieder auferstanden, haben das Bild unserer Stadt und unserer Partei mit geprägt. Dieses Haus, dieser Saal und diese Ausstellung zeigen es überdeutlich
Und gewiss werden Erinnerungen wach, wenn wir, wie es so schön heißt, "die alten Lieder singen". Aber es sind, jedenfalls bei mir, gemischte Gefühle, die dabei hoch kommen. Seit an Seit schreiten - das tun wir doch gerade nicht. Vielmehr setzen wir uns nach der Versammlung in unsere Autos. Und wann lassen wir schon die Wälder widerklingen? Wenn etwas klingt, dann auch bei uns Handy und iPod - an die Frage, wie das "letzte Gefecht" der Internationale aussehen soll, will ich im Zeitalter der Globalisierung gar nicht erst denken.
Trotzdem und gerade deswegen: lassen wir einfach ein paar Bilder aus der Schweinfurter Arbeiterbewegung an uns vorüber ziehen: ( bitte durch Anklicken vergrößern!)
Schweinfurt, die "rote Insel im schwarzen Meer", durfte im Laufe der Jahrzehnte zahlreiche Parteigrößen als Gäste willkommen heißen. Hier eine kleine Auswahl:
Berührungsängste mit dem politischen Gegnern hatten wir nicht. Hier Theo Waigel, Bundesfinanzminister, bei der Namensgebung für eine Brücke in Oberndorf - und hier der damalige OB mit einer Gruppe Schweinfurter Radfahrer bei Bundespräsident Carstens, damals noch auf der Terrasse der Villa Hammerschmidt in Bonn:
Wir alle waren innerlich berührt, als 1989 die Mauer fiel. Die Stadt bemühte sich um praktische Hilfe für unsere Thüringer Nachbarn Hildburghausen und Meiningen. Zu einer Feierstunde im Theater am 3. Oktober 1990, von da an dem Tag der Deutschen Einheit, kam auch der neue Meininger Bürgermeister Horst Strohbusch.
Aber zurück zur praktischen Kommunalpolitik. Ich denke, was in Schweinfurt unter der Führung von Sozialdemokraten geschaffen wurde, das kann sich sehen lassen, und zwar auf allen Feldern der kommunalen Daseinsfürsorge, um diesen angeblich veralteten Begriff zu verwenden. Lassen Sie mich einen kleinen Querschnitt bringen, der bei weitem nicht vollständig ist.
Im Wohnungsbau ging es zunächst einmal darum, allen Schweinfurtern und denen, die es werden wollten, eine angenehme und bezahlbare Bleibe zu schaffen. Dazu entstanden komplette neue Stadtviertel, so
Bergl
Hochfeld
Steinberg
Haardt
Später ging es außerdem darum, insbesondere jungen Familien eine Alternative zum Abwandern in das Umland anzubieten.
Es entstand der Stadtteil Deutschhof.
In den achtziger Jahren war Schweinfurt führend in Unterfranken bei der Modernisierung und Sanierung des Wohnungsbestandes.
Am 29. März 1959 fasste der Stadtrat den ersten Beschluss, mit dem der legendäre Sprung über den Main eingeleitet wurde. Die Sicherung der vorhandenen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze standen dabei im Vordergrund. Dort, wo vorher alljährlich der Main die Äcker überflutet hatte, entstanden 1963 die ersten Gewerbe- und Industriebauten.
Aber auch mit dem Leopoldina-Krankenhaus, bis heute wohl das größte und segensreichste Bauvorhaben in der Geschichte der Stadt, wurden nicht zuletzt hochwertige Arbeitsplätze geschaffen.
Nach wie vor sind Straßen und Brücken die Lebensadern einer Stadt am Fluss.
Ein weiterer ganz wichtiger Schwerpunkt waren auch jetzt wieder Bildung und Ausbildung. Schulen wurden im großen Stil restauriert und neu gebaut.
Kultur vor Ort soll allen zur Verfügung stehen. Sie ist tragendes Lebenselement einer Stadt. Nach diesem sozialdemokratischen Grundsatz haben wir stets gehandelt.
Seit eh und je standen Schutz und Verbesserung der Umwelt ganz oben in der Liste unserer Prioritäten.
Die Kläranlage nimmt das gesamte Abwasser aus Haushalten und Industrie auf, auch aus mehreren Umlandgemeinden, und führt es auf Trinkwasserqualität gereinigt wieder dem natürlichen Kreislauf zu. Sie wurde wiederholt auf den neuesten umwelttechnischen Stand gebracht.
Bei der Planung und beim Bau des Gemeinschaftskraftwerks gelang es, die drei Großbetriebe und (zunächst) zwei Landkreise zum Mitmachen zu bewegen. Hier die Gründerväter:
und hier der gelungene Bau der Hafenstraße:
Wenn es nach uns und der ganz großen Mehrheit der Bürger in Stadt und Land gegangen wäre, wäre das Atomkraftwerk in Grafenrheinfeld nie gebaut worden. Tun wir alles, damit diese schlimme Quelle potenziller Gefahren vor den Toren der Stadt möglichst bald der Vergangenheit angehört!
Wäre es nach einem großen Teil der CSU-Fraktion gegangen, hätten noch lange Zeit Blechlawinen die Innenstadt verstopft, etwa die Spitalstraße, den Markt oder wie hier noch 1989 die Rückertstraße:
Bäume statt Blech - der alte Postplatz - heute Georg-Wichtermann-Platz
Anmerkung des Verfassers dieser Website:
Der Vorsitzende der Schweinfurter Jungsozialisten brachte diese Entwicklung ins Rollen:
Ende der Anmerkung
Dabei haben unten jetzt mehr Autos Platz als früher oben drauf. Der Ring von Tiefgaragen und Parkhäusern, alle etwa zwischen 1970 und 1990 entstanden, erhöht die Attraktivität der Innenstadt gewaltig, ebnso wie der beispielgebend ausgebaute Stadtbusverkehr. Hier der zentrale Busbahnhof Rossmarkt, wie er im Laufe der Jahre immer "jünger" und schöner wurde -ganz gewiss nicht von selbst.
Letztlich ging es uns immer um die Lebensqualität in unserer Stadt. Auch die in den frühen siebziger Jahren tatkräftig in Angriff genommene Altstadtsanierung hat dazu ganz enorm beigetragen. Schweinfurt war hier wieder einmal führend zumindest in Unterfranken.
So sah es zu Beginn der Sanierung in der Rosengasse aus:
und so dort, wo wir heute den Wohnhof am Schrotturm genießen können:
Der Schrotturm, Wahrzeichen der Altstadt, vorher:
und nachher. Immer geht es bei diesen Maßnahmen nicht nur um die bauliche Sanierung sondern auch um ein tragfähiges Konzept für die künftige Nutzung.
Auch der Stadtteil Zürch bietet nach der Sanierung wieder beste Wohnqualität:
Anmerkung des Verfassers dieser Website:
Auch die Erhaltung und Restaurierung der Walltürme am Unteren Wall ging auf eine SPD-Initiative zurück. Der frühere Schweinfurter Stadtrat Peter Hofmann, Verfasser dieser Website, brachte
bereits in den 1979 den Antrag in den Stadtrat ein, den Unteren Wall als Grünanlage zu erschließen und die Wallanlagen wieder herzustellen.
Ende der Anmerkung
Zur Lebensqualität einer Stadt gehören gute Möglichkeiten der Naherholung für die Menschen aus Stadt und Land. Was auf diesem Sektor geschaffen wurde, hat bis heute Bestand.
Das Sommerbad, als es noch nicht Silvana hieß:
Der Waldspielplatz, als er noch nicht Wildpark hieß:
Der Baggersee blieb Baggersee.....
Lebensqualität für alle, auch für Mitbürger mit Behinderungen. Hier nimmt eine Schweinfurter Delegation aus der Hand des Ministerpräsidenten einen Preis als behindertenfreundliche Stadt in Empfang:
Auch Frieden und Verständigung kommen nicht von selbst. In Anwesenheit von Vertretern aller drei Partnerstädte wird Schweinfurt mit der Europafahne des Europarates ausgezeichnet:
All dies und vieles mehr war nur zu schaffen auf dem tragfähigen Fundament der örtlichen Partei. Dank daher allen Mitgliedern, die Plakate klebten, Flugblätter verteilten, am Stammtisch und im Betrieb sozialdemokratische Positionen vertraten oder ganz einfach treu und brav ihren Beitrag zahlten. Dank auch den vielen Genossinnen und Genossen, die sich als Mitglieder der Stadtratsfraktion in die nicht immer ganz einfache Meinungs- und Willensbildung einbrachten, aber auch denjenigen, die sich dafür hergaben, auf aussichtslosen hinteren Plätzen für den Stadtrat zu kandidieren.
Ohne eine schlagkräftige Geschäftsstelle wäre das alles nicht möglich gewesen. Ihr erstes Domizil hatte die SPD nach dem Krieg in dem Haus Schrammstraße 10 - sinnvoller Weise in der Nähe der Fabriken und damit der Fabrikarbeiter. Schade, dass wir heute nicht mehr dort sind. Genau gegenüber befindet sich jetzt nämlich der Haupteingang zur Stadtgalerie. Besser könnten wir den Wandel von der Arbeiter- zur Einkaufsstadt gar nicht demonstrieren.
Eine Geschäftsstelle braucht einen Geschäftsführer. Bei uns heißt er Parteisekretär. Bei den gewählten Kreisvorsitzenden gab es häufigen Wechsel. Fast jeder aus der von mir schon erwähnten Parteiprominenz hatte auch dieses Amt einmal inne, dazu etwa Karl Weger, Armin Schulz und Gunther Pestel.
Ganz anders bei den Parteisekretären. Der erste war für ganz kurze Zeit Franz op den Orth. Und dann kam schon gleich der unvergessene
Heiner Firnschild.
1977 übernahm Werner Brüggemann, dem ich für die technische Aufbereitung der Bilder für diesen Vortrag danke. Zwei Parteisekretäre in über sechzig Jahren - eine unglaubliche Kontinuität. Scheint doch ein guter Job zu sein...
Und wie im richtigen Leben, so auch bei der Schweinfurter SPD: Männer waren die Chefs und Frauen machten die Arbeit. Das begann mit der Rummerts Martha, die schon 1948 das Protokoll der Nominierungs-versammlung zur Stadtratswahl schrieb.
Überhaupt tat sich die Schweinfurter SPD mit der Gleichberechtigung lange Zeit schwer. Zwar hatte schon zu Kaisers Zeiten mit Klara Zetkin eine Vorkämpferin der Emanzipation Schweinfurt besucht und für das Frauenstimmrecht geworben. Auch brachte es Gretel Baumbach
an ihrem achtzigsten Geburtstag zur Ehrenbürgerin - für ihr soziales Engagement.
Hier Gretl Baumbach dreißig Jahre früher, als "Frau der ersten Stunde im ersten Nachkriegsstadtrat:
Erst im 21. Jahrhundert kam schließlich der Durchbruch zur Frauenpower: Mit Kerstin Westphal hievten die Schweinfurter Sozialdemokraten eine der ihren in das Europaparlament und mit Kathi Petersen vertrauten sie gar einer Genossin das höchste örtliche Parteiamt an.
Ein ruhiges Alter für die mehr als 120-jährige Schweinfurter SPD?
Das wünschen wir ihr nicht, auch wenn dann, glaubt man diesem Bild, eindeutig die Frauen überwiegen würden. Sondern: Dass aus der Liste 2 bald wieder der Platz 1 wird, erst einmal hier in Schweinfurt. Dafür lasst uns mit aller Kraft eintreten. Das sind wir unserer Geschichte schuldig - aber auch künftigen Generationen.
Verschiedene Dokumente: