Fürstin Judith von der Peterstirn und die Markgrafen von Schweinfurt
Judith von der Peterstirn- Ist sie nur eine Legende, eine romantische Geschichte zu Weitererzählen? - Nein!
Herzlichen Dank an Dr. Erich Meidel, der mit seinen unermüdlichen Heimatforschungen sehr zur Erforschung der Geschichte beigetragen hat und seine Forschungsergebnisse und Artikel zur Veröffentlichung hier auf dieser Seite zur Verfügung gestellt hat!
Fürstin Judith und ihre Vorfahrinnen aus dem Schweinfurter Markgrafengeschlecht von Dr. Erich Meidel, 1991
Immer wieder zieht es die Schweinfurter zu Spaziergängen an die Mainleite, wo sich vor 1000 Jahren der Hof der Markgrafen von Schweinfurt befand. Sind von diesen auch keine Reste mehr vorhanden, so kann man sich doch vorstellen, welcher Blick sich damals von der Peterstirn über die wirtschaftlich bedeutende Furt an der heutigen Max-Ludwig-Brücke und über das breite Schweinfurter Becken bis hin zum Steigerwald bot.
Wie aber mögen die einstigen Burgherren, die Markgrafen von Schweinfurt, mit ihren Familien und ihrem Gesinde hier gelebt haben, wie sind sie zu Macht und Ansehen gekommen und welches Schicksal haben sie erlitten? Die Fragen bewegen uns auch im Hinblick auf einige bedeutende Frauen, die aus dem Schweinfurter Markgrafengeschlecht hervorgegangen sind.
Dr. Erich Saffert, der frühere Stadtarchivar, führt die Abstammung des mächtigen Geschlechts in weiblicher Linie auf Karl den Großen zurück.1)
Berthold, der erste Markgraf von Schweinfurt, hatte die Grafenämter über das Volksfeld und den Radenzgau von seinem Vater geerbt und leistete Otto I. im Kampf gegen die aufständischen Stammesherzöge wertvolle Waffenhilfe. Zum Dank dafür übertrug ihm der König nach dem Sturz des Bayernherzogs Eberhard 938 den Nordgau, in etwa die heute Oberpfalz.2)
Daneben oblag ihm die Verwaltung der königlichen Domänen, ganz besonders des Königsgutes zwischen Pegnitz, Regnitz und Vils. Berthold, dem die auf das Königsgut zurückgehende Burg in Schweinfurt gehörte, scheint nach dieser Übertragung sein Hofgut auf der Peterstirn ausgebaut zu haben.3)
Auch sein Sohn Hezilo, der nach dem Tode Bertholds 980 das Markgrafenamt übernahm, stand den sächsischen Königen nahe. Doch blieb ihm die angestrebte und zugesagte Herzogwürde von Bayern
versagt.
Eila, die Frau Bertholds
Im Jahre 941 hatte Kaiser Otto I. dem späteren Markgrafen Berthold auf der königlichen Präfektur in Bamberg den aufsässigen sächsischen Grafen Liuthar von Walbeck zur Gefangenschaft anvertraut.4)
Als dieser begnadigt wurde, heiratete Berthold dessen Tochter Eila und begründete damit die nahe Verwandtschaft mit dem Geschichtsschreiber und Bischof von Merseburg, einem Enkel seines früheren Gefangenen.
Nach der Erzählung dieses Chronisten hatte Kaiser Heinrich II. nach der Niederlage Hezilos den Bischof von Würzburg und den Abt von Fulda mit der Zerstörung der Stammburg in Schweinfurt beauftragt. Eila empfing und begrüßte die Herren ihrem Range entsprechend; als sie aber die königliche Weisung vernommen hatte, flüchtete sie in die Kirche und erklärte, sich eher lebendig verbrennen zu lassen, als ihren Fuß wieder vor die Türe zu setzen und der Verwüstung der Stadt zuzusehen.
Durch diesen kühnen Entschluß bewogen, stellten die Herren christliche Nächstenliebe über weltliche Bedenken und versprachen, das Leben der Bürger sowie die Kirche und andere Gebäude zu schonen. Nur die Mauern und Türme wurden niedergerissen und die Gräben eingeebnet. Sie versprachen sogar, diese wiederaufrichten zu lassen, sobald die Begnadigung des Aufrührers Hezilo durch den König dies erlaube.5)
Aus der Ehe mit Berthold waren drei Kinder hervorgegangen, nämlich Hezilo und Bucco, ferner eine Tochter, die als Äbtissin in der Niedernburg erscheint. 6) Später gründete Eila ein Kloster an
der Peterstirner Burg. Hier wurde sie nach ihrem Tod am 19. 08. 1015 von Bischof Eberhard von Bamberg beigesetzt.
Geberga, die Frau Hezilos
Bereits 1003 zog Heinrich II. gegen Hezilo und seine Verbündeten. Bald mußte Hezilos Bruder Bucco, der das Kommando über die Feste Creussen führte, kapitulieren.
Geberga war eine Tochter des Grafen Heribert von Kinziggau. Auf Bitten ihres Bruders, Otto Graf von Wetterau, wurde ihr und ihren Kindern freiwilliger Abzug bewilligt. Kronach wurde vom Markgrafen selbst in Brand gesteckt, doch schon 1004 mußte er sich dem Kaiser unterwerfen. Er wurde auf den Giebichenstein in Haft gebracht. Auf Bitte des Bischofs von Freising wurde er aber wieder freigelassen.7)
Bald erhielt er seinen Eigenbesitz und einen Teil der Lehen, darunter die Vogtei über das Reichsgut Schweinfurt, zurück. Auch griff er noch einmal bei dem Einfall der Mähren in Böhmen kriegerisch ein und vetrieb diese.8)
Schon kurze Zeit später erkrankte er schwer und verstarb nach langem Siechtum, 1017.
Aus der Ehe Gebergas mit Hezilo waren hervorgegangen: Otto, Eila und Judith. Die Tochter Eila war mit Herzog Bernhard von Sachsen verheiratet. Der Sohn Otto übernahm nach dem Tode Hezilos 1017 die diesem verbliebenen Lehen und den wieder an ihn zurückgegebenen großen Eigenbesitz.
Markgraf Otto von Schweinfurt, Herzog von Schwaben, starb am 27.09.1057 und wurde neben seinen Eltern Geberga ud Hezilo auf der heimatlichen Burg begraben. Obwohl sich seine Güter und Würden
mit den Größten des Reiches vergleichen ließen und und seine fünf Töchter die Titel von Markgräfinnen behielten, verfiel das Schweinfurter Haus in kurzer Zeit durch Zersplitterung.9)
Judith, Fürstin von Böhmen und Mähren
Einen schweren Lebensweg hatte Ottos Schwester Judith, die spätere Fürstin von Böhmen und Mähren. Sie stand in ihrem Mut ihren Vorfahren, insbesondere ihrer Großmutter Eila, nicht nach.
Ihr Weg führte sie von Schweinfurt über Böhmen und Mähren bis nach Ungarn.Er begann der Sage nach mit dem Brautraub durch Bretislaw. Von dieser Entführung aus dem einstigen Kloster in der Nähe der Burg kündigt noch heute der steinerne Schuh an der Brunnenstube am Aufgang der Peterstirn, den sie dabei verloren haben soll. Sowohl der böhmische Geschichtsschreiber Kosmas als auch der sächsische Annalist berichten darüber.10)
Die Hochzeit Judiths und Bretislaws muß spätestens beim Regierungsantritt in Mähren im Jahre 1029 erfolgt sein.
Kosmas gibt als Gründe für die Brautwahl Bretislaws folgendes an: "Ein sehr mächtiger Herr in deutschen Landen von königlichem Geblüt hatte noch eine lebende Tochter, welche von einer solchen Schönheit gewesen, daß ihresgleichen damals unte der Sonne nicht zu finden war. Ihre guten Eltern haben sie in das Kloster Schinbrod oder Schweinfurt getan". Und im folgenden Text stellt er neben Schönheit, Tugend und Bildung nochmal die hohe Geschlechsabkunft Judiths heraus. Dadurch unterscheidet sich die Beschreibung sehr deutlich von seiner Darstellung der Mutter Bretislaws: "Udalrich hatte keine Leibeserben wegen der Unfruchtbarkeit seiner Gemahlin, aber von einer Frau Bozena erhielt er einen Sohn, welchen er Bratislaus nennen ließ. Bozena hatte einen wunderschönen Körper, war weißer als Schnee, geschmeidiger als ein Schwan, glänzender als alles Elfenbein, schöner als ein Saphir".11)
Hier und im übrigen Text ist mit keinem Wort die Rede von hoher Abstammung. Umso mehr bemühte sich sein Sohn Bretislaw, bzw. Bratislaus, um eine hochrangige Frau, als welche Judith galt.
Judith, Mutter von vielen Kindern
Judith schenkte Bretislaw zahlreiche Kinder, die Söhne Spitignew, Herzog von Böhmen, Vratislaw II., Herzog und später König von Böhmen, Konrad, Herzog von Znaim, Jaromir, Bischof von Prag und
deutscher Reichskanzler, und Otto, Herzog von Olmütz. Die übrigen Kinder starben sehr früh.
Durch die Herausforderung des deutschen Kaisers anläßlich eines Polenfeldzugs von Bretislaw wurde er gezwungen, dem Kaiser seinen Sohn Spitignew als Geisel zu überlassen. 1041 drang der Kaiser nach Prag vor. Bretislaw mußte sich in Regensburg unterwerfen, Geiseln stellen (darunter erneut sein Sohn Spitignew) und den Verzicht auf Polen feierlich geloben. Damit waren seine auf Selbständigkeit zielenden Pläne auf immer vereitelt, doch verblieben ihm sein Herzogtum unter Anerkennung der Oberherrschaft Deutschlands. Daran hielt er sich bis zu seinem Tod im Jahre 1055 und blieb ein treuer Anhänger des Kaisers.
Nach dem Tod ihres Mannes erwartete Judith ein schweres Schicksal. Sie wurde von dem eigenen Sohn Spitignew des Landes verwiesen und flüchtete zu König Peter nach Ungarn. Spitignew war von großem Hass auf die Deutschen erfüllt, wegen der ihm zugefügten Schmach der zweimaligen Geiselhaft. Ob Judith tatsächlich König Peter geheiratet hat, ist nicht nachweisbar. Nur in der CSFR hält man an dieser Überlieferung fest.
Wahrscheinlich zog sich Judith in ein Schloß im Fürstentum Znaim zurück, das von ihrem Lieblingssohn Konrad regiert wurde. Hier soll sie eine Kapelle gestiftet haben, und zwar an der Stelle,
an Chorherrenstift Klosterbruck gegründet wurde. Auch fand sie hier ihre erste Ruhestätte am 02.08.1058. Nach der Überführung aus Znaim wurde Judith an der Seite ihres Mannes Bretislaw in der
Rotunde des heiligen Veit (im heutigen Dom) beigesetzt. An seiner anderen Seite war schon der gemeinsame Sohn Spitignew begraben.
Wenn dieses auch nur eine knappe Darstellung des Lebensbildes Judiths sein konnte, so ist ihre Rolle im Glanz des herzoglichen Hofes in Prag deutlich zu erkennen. Das Schicksal forderte dafür hohen Tribut, große Enttäuschung und schweres Leid sind ihr nicht erspart geblieben. Gewiss bahnte sie die Ernennung ihres Sohnes Vratislaw zum König an und schuf damit die Grundlage zur Übertragung dieser hohen Würde auf alle ihre Nachkommen.
In Sagen und Legenden hat sich die Bedeutung dieser schönen und klugen Frau aus dem Geschlecht der Schweinfurter Markgrafen bis zum heutigen Tage lebendig erhalten, besonders in ihrer zweiten
Heimat, dem heutigen Tschechien.
Quellenangaben:
1) Dr. Erich Saffert: Vor 900 Jahren starb Judith von Schweinfurt - Schweinfurter Heimatblätter, Beilage zum Schweinfurter Tagblatt vom 16.08.1958
2) Rudolf Endres: Die Rolle der Grafen von Schweinfurt in der Besiedlung Nordostbayerns - Jahrbuch für fränkische Landesforschung 1972 Seite 7 und Dr. F. Stein: Das Markgräfliche Haus von Schweinfurt, Seite 27ff.
3) Endres 2) Seite 8 unten
4) Anders Kimpen, der davon ausgeht, dass sich Liuthar (Lothar von Walbeck) bei Berthold von Bayern in Haft befand; vgl. Dr. Erich Saffert: Tabula chronologica Suinfurtensis. In: Die Mainleite Schweinfurt 1954 Seite 132 und 262ff.
5) Prof. Otto Meyer: Von der Markgrafenburg zur Industriestadt; Schweinfurt 1980 Seite 16, Spalte 1
6) Endres 2) Seite 19: Bucco wurde 1035 Bischof von Halberstadt, Elika wird in einer jüngeren Grabschrift als amita (=Tante) König Heinrich des Heiligen bezeichnet.
7) Saffert 1), Stein 2) S. 35
8) M. Doeberl: Entwicklungsgeschichte Bayerns, 1. Band S. 124/125 und Dr. hans Hahn: Der Tausch Schweinfurt-Greding in Schweinfurter Heimatblätter 30.06.1962 Karte S. 27
9) Dr. Erich Freiherr von Guttenberg: Die Terretorienbildung am Obermain I und II Seite 72 und Dr. F. Stein: Der Verkauf von Schweinfurt an das Erzstift Magdeburg im Jahre 1100 in Neue Mitteilungen aus dem Gebiet historisch antiquarischer Forschungen, Halle 1887 Bd.13, S. 593-611
10) Saffert 1)
11) Cosmae Chronica Bohaemorum liber I. (Die Erzählungen sind zum Teil sehr phantasievoll und lehnen sich in vielen Passagen dem Stil römischer Schriftsteller an) und Dr. Friedrich Stein:
"Die Peterstirn bei Schweinfurt" - 1847 - S.7 Abs. 2