Artur Korn erzählt aus seinem Leben in Schweinfurt

verstorben am 1.Oktober 2016

Da jetzt auch die Schweinfurter auf mich aufmerksam wurden und noch mehr von mir und unserer Heimatstadt wissen wollen, werde ich mal alles was mir noch so einfällt, erzählen.
Das Schweinfurt vor dem Krieg war ein intimes Kleinod. Fast jeder kannte noch jeden, man wusste wo gibt es die besten Stölli, wo die besten Hörnli und wo die beste Koblauchwörscht. Am Sonntag, im Sommer, ging der Ausflug zum Biergarten der Gaststätte " Vier Quellen ", am Marienbach gelegen.
Der Wirt hat im Biergarten einen Freisitz auf einem Baum gezimmert, den er mit einer Puppe bestieg, denn er war Bauchredner. Wenn der Laden voll besetzt war ging ' s los.
Die Strecke von der Altstadt bis zu dieser Wirtschaft hatte gerade die richtige Länge für einen Spaziergang.

 

Es gab auch einige Schweinfurter Originale es " Echele" - hatte rote Haare wie ein Eichhörnchen = Echele.
Wenn wir Kinder ihn zu Gesicht bekamen, erschallte sofort der gemeinsame Ruf : "Echele Echele Pfannekuchedieb"

Idyllisch waren auch noch die tief gesetzten Fenster der alten Häuser. Man konnte dem Herausblickenden im Vorbeigehen direkt ins Gesicht sehen. Auf so einem Fensterbrett hatte eine Oma ihre Pfannenkuchen abgestellt und des Echele hat das gesehen und hat danach diesen Schimpfruf für sein ganzes Leben erhalten.
Oder der Napoleon, mit quergesetztem Dreieckshut, breitem Gürtel, Stiefel und vielen Orden, saß er auf dem Rad, das mit drei Lampen, zwei Klingeln und zwei Hupen bestückt war. Beim Fahren machte er einen Höllenlärm, nach dem Absteigen wurde der Dreizack gezogen und ein Obolus gefordert.
Dann kann ich mich noch an den "Hupfauf" erinnern. Den Kopf tief eingezogen, mit Katzenbuckel, die Arme angewinkelt, die Hände nach unten hängend, lief er durch die Gegend. Haben Kinder ihn erspäht erschall : Hupfauf hupf- Hupfauf hupf", bekam er ein paar Pfennige, sprang er mit großen Sprüngen umher. Etwas Mystisches umgab ihn dabei, da auch immer Katzen ihn begleiteten und mit ihm hüpften. Es war bekannt, dass er sich für die Pfennige in der Apotheke Baldrian besorgt hat. Er roch auch immer danach. - Daher die Katzen???
Als dann der Krieg kam, war’s mit dem heimischen Behagen vorbei. Des Echele wurde von einem Panzer auf der Mainbrücke totgefahren und von den anderen war auch nichts mehr zu sehen. Unwertes Leben und so ? man weiß es nicht.
Uns Kindern ging es schlecht, nicht nur, dass jeder dich verhauen durfte und auch hat, nahmen sie uns das bisschen Freiheit auch noch. Wenn wir keine Schule hatten, mussten wir antreten. Einmal Alteisen und Papier sammeln, dann wieder Kartoffelkäfer suchen, die feindliche Flugzeuge abgeworfen haben. Einfach hirnverbrannt, gab’s doch in ganz Europa vorher keine Kartoffelkäfer. Oder wir mussten in Uniform in der "Wehr" Krieg spielen und uns gegenseitig verhauen. Mir war das mit meinen 13/14 Jahren schon so zuwider, dass ich mich mit meiner Jugendschaft versteckte und wir dann Witze erzählten, während die anderen die immer schwerer zu beschaffende Kleidung zerrissen. Auch in der Schule konnte ich nicht mit ansehen, wenn gerauft wurde. Ich machte immer darauf aufmerksam, dass es daheim wegen beschädigter Hemden und Hosen wieder eine Abreibung gibt.
Meine Schulkameraden sagten deshalb das hart ausgesprochene " Vatter " statt Vater zu mir.

Noch nach vielen Jahren, ich hatte schon Frau und Kind kehrte ich bei einem Ausflug in eine Gaststätte ein, wo plötzlich ein alter Schulkamerad mit dem Aufschrei : "mei Vatter" auf mich zustürzte. - Ich war gerührt.
Wir hatten auch keine offiziellen Lehrer mehr. Schon in Pension stehende Lehrer mussten wieder ran. Wir bekamen den heute bekannten und verehrten Hubert Gutermann, nach dem auch die Promenade benannt ist, als Lehrer.

Gelernt haben wir da nicht allzu viel, Gedichte von seinem Lieblingsdichter gab’s zu hauf. Gottfried Keller war der auserwählte. Als sein Gedicht " es wallt das Korn weit in die Runde " zum Vortrag kam, hat er mich angeschaut und auf mich gezeigt.
Sein anderes Hobby waren die Singvögel. Jede Woche ging`s in die Wehranlagen und er benannte jeden Vogel, der zu hören war. Da kam mir meine Musikalität zu Hilfe. Nach kurzer Zeit erkannte auch ich die Vogelschar. Das hat ihn sehr erfreut und ich musste immer neben ihm stehen.
Noch nach vielen Jahren, wenn ich ihn zufällig auf der Mainbrücke begegnete rief er :" es wallt das Korn"
Irgendwie rührend, ich hab`s nicht vergessen können.
Mutter besorgte einen Bezugsschein für Schuhe für mich, die alten waren zu klein geworden. Es gab nur welche aus weißem Leinen, der Absatz war aus Holz und auch die Sohle hat statt Leder drei Holzleisten. Es war beschämend damit in die Stadt zu gehen, denn man glaubte es kommt ein Pferd daher. Wir haben dann Stücke von alten Fahrradmänteln auf die Holzleisten geklebt und damit die Schritte gedämpft.

 

Was dann sonst noch alles mit uns angestellt wurde hält heute keiner mehr für möglich.
Wie mussten die Nazibonzen in Panik gewesen sein, um solche menschenverachtende Ideen durchführen zu lassen.
Die Alliierten beherrschten den Luftraum, jeden Tag waren die Tiefflieger da, schossen auf alles, was sich bewegte. Sie veranstalteten regelrechte Treibjagden auf einzelne Personen und bei diesen Gegebenheiten steckten die einfach tausend vierzehnjährige Schulkinder in einen Zug, in der Mitte ein Wagen mit einer vierläufigen Flugzeugabwehrkanone, einer FLAK und transportieren uns in Richtung Saarland. Sie haben uns direkt für einen Abschuss präsentiert !. Und so kam es auch, wie es kommen musste. Wir fahren durch eine weite Ebene, nur Felder, Wiesen und blauer Himmel. Plötzlich zwei Flieger, Jagdflugzeuge mit zwei Rümpfen,- hatte nur der „Feind“.
Unser Zug hält an. Da es keine Bahnsteige gab, mussten wir hoch hinunter springen und ergossen uns wie eine Welle über die weite Wiese. Sie umkreisten uns und wir konnten ihre Köpfe sehen. Ich lief auf ein einsam stehendes Haus zu, um Schutz zu suchen. Eine ältere Frau winkt mich zu sich und nahm mich in den Arm : " ach Bub bleib doch da" waren ihre Worte.
Unsere Schutzengel, so empfindet man in solchen Situationen, haben dafür gesorgt, dass sie den Zug anhielten, denn wären sie weiter gefahren, hätten sie uns bestimmt beschossen. Da die Flak nicht auf die Flieger schoss und da wir aus dem Zug flüchteten,   erkannten die Piloten, dass wir noch Kinder waren und flogen weg. Es hätte ganz leicht ein Blutbad geben können.
Das Leben haben wir gerettet, dem Elend konnten wir nicht entrinnen.
Untergebracht wurden wir in einer Schule in Völklingen. Die Schulbänke lagen auf dem Hof, in den Klassenzimmer lag Stroh und darauf Decken. Nach acht Tagen lagen wir nur noch mit einem Gebrösel auf dem blanken Boden. Gewaschen wurde an einigen Wasserhähnen im Schulhof. Abwechselnd wurden Pickel und Schaufeln verteilt.
Dann ging es hinaus auf einen Berg, die eine Hälfte hob einen Panzergraben aus, die andere Hälfte einen Schützengraben. Dann kamen die Tiefflieger. Die im Panzergraben waren am gefährdetsten, denn sie hatten nur ein paar Betonplatten zum Unterstellen. Ich im Schützengraben, der ja im Zickzack angelegt war, hatte die Möglichkeit der Schussrichtung auszuweichen. Nach oben hatten wir keinen Schutz und deshalb gab es Streit um die Schaufeln.

Es war so: wenn die Tiefflieger kamen, schoss die Flak, die Granaten explodierten in Höhe der Flieger, die Splitter kamen herunter. Das hört sich an wie ein Schwarm Maikäfer. Das kam daher, weil die Splitter zackig und lang waren und rotierten. Deshalb auch der Streit. Jeder wollte eine Schaufel haben, um sie über den Kopf halten zu können. Was wir da für ein Glück hatten! Mir ist nicht bekannt, dass wir einen Todesfall hatten. Erlebt habe ich aber schon wie ein großer Splitter haarscharf neben dem „Gliemans-Ött“ einschlug und er kreideweiß erstarrt ist.
Wir waren mit der Zeit abgebrüht. Waren wir mal in der Stadt und die Tiefflieger kamen wie jeden Tag und schossen, gingen wir einfach um ein Hauseck und warteten die Schussgarbe ab um dann unbekümmert unseren Lauf fortzusetzen.

Schließen wir hiermit dieses Kapitel ab, aber, um noch mal über das uns angetane nachzudenken und vor allem zu fragen. warum die tausend Eltern nichts dagegen unternommen haben. Die Erklärung wird sein: Väter gab's schon mal nicht, waren alle Soldaten und die Mütter? Die waren zum Parieren erzogen.
Die Kinder bis ungefähr 13 Jahre wurden aus den bombardierten Städten einfach den Eltern weggenommen und aufs Land evakuiert. Meinen elfjährigen Bruder verfrachteten sie nach Wetzhausen, das Schloß war zu einem, man kann schon sagen, einem Kindergefängnis umfunktioniert worden. Nach einem Monat fuhren Mutter und ich mit dem Rad zu ihm. Das was ich sah, rührt mich heute noch, da saß ein kleiner Junge mit angewinkelten Beinen die Arme verschränkt in einem zweistöckigen Bett ganz oben im Eck, bleich und ängstlich. Als die Mutter ihn ansprach machte er sich noch kleiner als er schon war. Er sprach nicht und ließ sich auch nicht anfassen. Es war ein seelisch gebrochenes Kind. Nach einem halben Jahr musste ich ihn heim holen mit dem Fahrrad, über zwanzig Kilometer weit, sein Koffer auf den Gepäckträger, er auf der Stange sitzend.

Der Schweinfurter Schuttberg liegt direkt zwischen Fritz-Drescher-Str. ( Stammwerk FAG Kugelfischer - heute Schaeffler) und der Ignaz-Schön-Straße. Direkt angrenzend liegt das Walther-Rathenau-Gymnasium.
Diesen Teil kenn ich noch ganz anders. Da war kein Berg, da war eine riesige Mulde mit einer Ansiedlung von ärmlichen Baracken. Hier wohnten die Ärmsten der Armen. Im sogenannten Dritten Reich hatte ich in der Hitlerjugend die Aufgabe die gleichaltrigen Pimpfen zu verständigen, wann sie anzutreten haben. Nur in Uniform war das möglich. Später wurden die „Baracker“, wie sie genannt wurden, ausgesiedelt und wurden zu Gartenstädter.
Da in der Senke, wo die Siedlung stand, wurde nun das alte Schweinfurt begraben. Als sie eben war, war Schweinfurt immer noch nicht ganz begraben, also wurde noch ein Schuttberg daraus.

Neben der Straße lief ein Bahngleis zur damals Europas größten Gelatinefabrik, auf dem Gleis stand ein riesiges Eisenbahngeschütz . Mit einer normalen Flak konnte man die Bomber nicht mehr erreichen sie flogen zu hoch, mit diesem Giganten schon. Ich habe die Abschüsse miterlebt. Obwohl die Kanone mit allem was möglich abgeblockt war, wurde der ganze Zug um einen Meter zurückgestoßen. Mit einem wabernden Orgelton stieg das Geschoss in die Höhe. Es dauerte lange, bis die dumpfe Explosion nicht nur zu hören, sondern auch zu spüren war. Jetzt hieß es in Deckung gehen, die Splitter kommen....
In dieser Zeit musste ich, nur weil ich über 1,80 groß war, zur SS zur vormilitärischen Ausbildung nach Bad Ems.
Dort überflog uns die Vergeltungsrakete V2 auf ihren Flug, fast täglich, nach London. Das Geräusch, das sie erzeugte, hab ich mir gut merken können.
Eines Nachts, wieder in Schweinfurt, es war wieder Fliegeralarm, ich hörte die Luftlage- Meldungen, feindliche Anflüge waren keine gemeldet, hörte ich auf einmal dieses Geräusch, das ich mir so gut gemerkt hatte, dieses eigenartige Gurgeln, Orgeln, auf mich zu kommen, die Lautstärke schwoll an, es muss knapp übers Dach geflogen sein. Dann wieder leiser werdend, um mit einem dumpfen Schlag zu enden, der das Haus erzittern ließ. Ich wohnte in der Niederwerrner Straße 40, im Dachgeschoß, heute befindet sich das Café Cortina darin. Das Viertel, das der Sonnenstaße gegenüber liegt, wurde getroffen mit der gleichen Auswirkung, die die V2 verursachte. Die Toten hatten keine äußeren Verletzungen, ihre Lungen waren zerrissen. Eine typische Luftmine. Für mich war das eine fehlgeleitete V2. Doch überall, wo ich das berichtet habe, hat man mir nicht geglaubt. Sie wüssten den Vorgang besser und es soll eine feindliche Luftmine gewesen sein. Ich vertraute meinem Ohr nach wie vor, das Radio hat ja auch nichts von einem feindlichen Flieger gewusst. Wenn ich mir vorstelle, dass diese Mine, die ein ganzes Wohnviertel ausgelöscht hat, so knapp über mein Dach gedüst war, bekomme ich heute noch Gänsehaut.

Kommen wir zu Erfreulicherem zurück. Nach dem Krieg und nach der Währungsreform kam die Fresswelle. Der Dreh- und Angelpunkt war der "Haberkasten" in der Manggasse, "Rippli mit Kraut" von wegen Rippli, das waren Rippen die hingen über den großen Tellerrand, mein Freund verzehrte da gleich zwei auf einmal.

Interessant war auch diese Begebenheit. Da ich nebenbei mit meinem Arko-Quartett zum Tanz aufspielte, graute oft schon der Morgen beim Nachhauseweg. Da war es ein Labsal, dass es einen Bäcker in der Brückenstraße gab, der schon um 4 Uhr Brötchen buk und Kaffee kochte. Um bestimmt zu erfahren, ob er geöffnet hatte brauchte man nur vom Rathaus aus die Brückenstraße hinunter sehen und man sah Schuhspitzen aus der Häuserreihe hervor spitzen. Dann wussten wir: er steht mit seinen großen Füßen in der Tür und wartet auf seine Kundschaft.
Es herrschte großer Nachholbedarf. Wenn wir im Hofbräu in der Brückenstraße, war auch mal "Wiener Wald ", aufspielten, war der ganze Saal beschwipst. Besonders die Bierstiefel machten die Runde. Bei diesen musste man Bescheid wissen, wie sie zu halten sind. Hielt man den Fuß nach oben schwappte das Bier dir ins Gesicht und es gab viel Schadenfreude. Beliebt waren auch Russische Eier oder Umstandsbrote, welche mit allem möglichen belegt waren. Der erste Italiener zog gleich neben dem Union-Kino in der Willhelmstraße ein und machte erst nur die Spaghetti bekannt. Pizza kam erst später beim Italiener in der Niederwerrnerstraße nach Schweinfurt.
Das ganze Geld wurde nur für Essen und Trinken ausgegeben, kein Wunder nach so vielen Jahren Abstinenz.

Ganz was Tolles und ganz was Neues war damals der Gerber in der Wilhelmstraße. Rein kamst du nur, wenn du eine Krawatte anhattest, konntest dir aber auch eine leihen. Bestückt war der "Gerber" mit einem Kaffee, einem Tanzsaal, einer Tanzbar mit einer von unten beleuchteten Tanzfläche und drum herum Wasserbecken mit Springbrunnen. Am Samstag spielten drei Kapellen zur gleichen Zeit und auch die ersten Künstlertruppen traten auf. Es herrschte auch Weinzwang, denn die Weinflasche mit Luftballon stand schon auf dem Tisch. Da durfte auch der erste Oberkellner mit Schwalbenschwanz nicht fehlen.
Wir spielten mit unserem Arko-Quartett  samstags im Saal und freitags in der Bar, einmal herrschte große Aufregung, weil der Bruder von Bing Crosby erschien. Er war als Soldat in Schweinfurt stationiert.
Ganz stark waren die Amerikaner in der Stadt präsent. Sie hatten nicht nur ihre Clubs in den Kasernen, sondern auch in der Stadt. Im Saal vom Kugelfischer, darüber noch ein Saal, da haben die Schweinfurter sich niedergelassen. Oben also die armselige Biermolke, unten das Schlaraffenland. In Sichtweite der nächste „Amiclub“ im Sachs-Bad.
Ein großer Club war im Wallbräu am Nadelöhr und auch die „Schwarzen“ hatten ihren Club in einer Gaststätte gegenüber vom Hofbräu in der Brückenstraße.

Für populäre Musik war Schweinfurt nicht zuständig. Da gab es keine fähigen Musiker dafür, wenn da nicht Schweinfurt Garnison geworden wäre. In der Kaserne in der Niederwerrnerstraße gab's eine BigBand. Diese spielte am Tag der offenen Tür auf, das hat uns umgehauen. Die hatten sogar die "Negersaxophone" besetzt und ein umfangreiches beleuchtetes Schlagzeug. Ein Riesen-Gong stand auch noch daneben. Er wurde mit einem Klöppel, der eine große weiße Filzkugel hatte, angeschlagen, um Ruhe für eine Ansage zu fordern. Schlagzeuger war Rico van Haase, er und Trompeter Hopfinger, sowie Bassist Bölitz fanden ihre Frauen hier und blieben. Hopfinger und seine Kollegen gründeten nach dem Krieg gleich eine Band und spielten sogleich bei den „Amis“ im Wallbräu. Hopfinger bekommt auch das Privileg, Musiker für die amerikanischen Clubs zu engagieren und war damit der Herr über Freud oder Leid der Musiker, die alle bei den Amis spielen wollten.

Ich war damals auch in einer Kapelle, die Bezeichnung Band hätte da auch nicht gepasst. Wir waren alle Dilettanten, jeder spielte nur die Melodie, ich war der einzige, der mit der Klarinette versuchte, die Zwischenräume zu füllen. Hopfinger bekam Streit mit dem Club- Chef und flog raus, wir zogen ein, nach dem ersten Stück, flogen wir wieder raus, gnadenlos ausgepfiffen. Draußen stand Hopfinger mit seinen Mannen, wir mussten beschämt an ihm vorbei, getröstet hat er mich! Er legte seine Hand auf meine Schulter und sagte :"um dich tut's mir leid". Die Clubgäste tobten so lange bis der Club Chef den Hopfinger wieder spielen ließ. Dass das so gekommen ist , hat Hopfinger schon geahnt und konnte gleich wieder mit seinem Trompeten Blues loslegen. Er holte mich später in seine Band. Viele Jahre danach sah ich ihn im Fernsehen bei Staatsempfängen, er dirigierte die Militärkapelle.

Vor der Währungsreform war die größte Hungersnot. Es gab die Lebensmittelkarten nur, wenn du gearbeitet hast. Ich habe am Obertor mit einigen Schulrektoren Straßenarbeiten verrichtet. Da hat sich die Gelegenheit ergeben bei den „Amis“ zu spielen. Ein Arzt, der ein guter Pianist war und gut englisch sprach, hat seine Praxis stillgelegt, um nur noch im Offiziersclub zu spielen, er suchte einen Saxofonisten.
Den ersten Tag des Monats ging ich zur Arbeit und holte mir meine Lebensmittelkarte, dann hatte ich vier Wochen Zeit um die gängigsten Songs zu studieren. Dann ging`s aber gleich zu den „Amis“, um die gültige Währung nämlich Zigaretten, zu bekommen. Eines Tages, unser Doktor konnte nicht, kam als Ersatz ein Pianist aus Bad Kissingen. Wir hatten Bedenken und fragten was wir spielen sollen. Das ist mir egal war die Antwort. Wir nannten einen Titel und fragten welche Tonart. Das ist mir egal war die Antwort. Als dann endlich der Titel feststand, begann er mit einer Einleitung so gewaltig und kompliziert, dass wir den Einstieg nicht fanden. Den ganzen Abend standen die Herrn Offiziere nur noch um den Flügel herum und nur der Rhythmussatz durfte noch mitmachen. Der Pianist hieß Lutz Dietmar. 

Lutz Dietmar und sein Funkswingtett — mit Artur Korn.
Lutz Dietmar und sein Funkswingtett — mit Artur Korn.

Rico van Haase spielte mit Lutz und kam mich im Club besuchen. Er war über meine Fortschritte erstaunt, und weil sie dringend einen Saxofonisten suchten, kam er auf die Idee, es mit mir zu versuchen. Soll aber nicht sagen, dass ich bei seinem Auftreten dabei war. Er kam, nahm mein Akkordeon zauberte eine noch nie gehörte Begleitung, die mich zu meiner Höchstleistung inspirierte. Er war zufrieden, und ich in seiner Band. „Lutz Dietmar und sein Funkswingtett“ hat er sich genannt. Er hatte das absolute Gehör. Wir spielten einmal neben einer Kirche, als auf einmal alle Glocken läuten, geht er ans Klavier und trifft auf Anhieb alle Töne der Glocken. Er hat auch seine Arrangements nachts im Bett ohne ein Instrument geschrieben. Wir spielten auch einen Monat in Schweinfurt im Stadtpark in der Wehr, das   mir die Popularität bescherte, die ich brauchte, um mein Arko Quartett zu gründen und 20 Jahre von 1950-1970 zu behalten. Aus Lutz Dietmar wurde am Ende Max Greger.
All das ist vergangen und vergessen, nur ich trage es noch mit mir herum und bevor es ganz mit mir vergeht, habe ich's aufgeschrieben nach dem Motto : vergangen schon, aber wert, nicht vergessen zu werden.

Artur Korn