Firma „Gritto-Werke GmbH“, zuvor "Fränkische Weinessig und Konservenfabrik GmbH"
Firma Gritto
Firma Fränkische Weinessig- und
Konservenfabrik
Essig, Konserven und Likörfabrik
Inhaltsverzeichnis
Firmendaten
Firmengeschichte
Facetten der Firmengeschichte
Zeitzeugenbericht Ernst Neugebauer
Firmendokumente
(SWF_036_Gritto_Entwurf)
Firmendaten
Firma „Fränkische Weinessig- und Konservenfabriken GmbH“
Entstehung der Firma
Die Firma „Fränkische Weinessig- und Konservenfabriken GmbH“ entstand 1936 mit der Enteignung und Übertragung des Besitzes der Fa. Hirsch.
Standorte der Firma
Der Standort war die Ernst-Sachs-Straße in Schweinfurt, mit eigenem Schienenanschluss. Filialen bestanden in Köln, Hamm, Düsseldorf und Leipzig. Die Filiale in Leipzig bestand bis 1945.
Firma „Gritto-Werke GmbH“
Umfirmierung / Neue Besitzverhältnisse
1955 erfolgte die Umfirmierung in Gritto-Werke GmbH.
Filialen bestanden in Köln, Hamm, Frankfurt am Main, Weil am Rhein, Burghausen. Über Chemische Fabriken erfolgte der Einstieg in die Herstellung von biologischem Essig. Die Besitzverhältnisse änderten sich.
Übernahme durch Fa. Carl Kühne KG
Zum 01.05.1962 erfolgte die Übernahme der Fa. Gritto durch die Fa. Carl Kühne KG. Das Areal in Sennfeld umfasste ca. 7.000 m²
Firmengeschichte
Herr Ernst Neugebauer hat eine eigene Historie mit älteren Kollegen / Mitarbeitern der Firma Gritto und Kühne abgefasst. Bei Veröffentlichungen der Firma Kühne sind lediglich allgemeine Angaben und keine Angaben zu den Zukäufen und zur Entwicklung der Niederlassungen etc. zu finden.
1936
Enteignung der Fa. Hirsch („Arisierung“).
Umfirmierung in „Weinessig- und Konservenfabriken GmbH“, Schweinfurt, Ernst-Sachs-Str., mit Filialen in Köln, Hamm, Düsseldorf und Leipzig (Leipzig bis 1945).
1955
Umfirmierung in Gritto-Werke GmbH und Änderung der Besitzverhältnisse.
Filialen in Köln, Hamm, Frankfurt am Main, Weil am Rhein, Burghausen.
1957
Errichtung des Betriebes in Sennfeld durch Grundstückstausch mit der Firma SKF.
Ab 07/1957
Produktionsbeginn in Sennfeld.
01.05.1962
Übernahme der Fa. Gritto durch Fa. Kühne. Areal in Sennfeld ca. 7.000 m².
Facetten der Firmengeschichte
Waren Mitarbeiter der Firma „Fränkische Weinessig- und Konservenfabrik“ Zwangsarbeiter oder Freiwillig Beschäftigte?
Nach der Zwangsenteignung der Firma Hirsch und die Übertragung der Vermögenswerte entstand die Firma „Fränkische Weinessig und Konservenfabrik“ im Jahr 1936 mit Sitz in der Ernst-Sachs-Straße.
Seit 1939 waren die Männer im Krieg. Frauen wurden zwangsverpflichtet. Teilweise auch Männer und Frauen aus der Ukraine.
In Oberndorf befanden sich gegenüber Fichtel &Sachs die Zwangsarbeitersiedlungen, u.a. der VKF. Dies lag in der Nähe der Firma „Fränkische Weinessig- und Konservenfabrik“, die sich in der Ernst-Sachs-Straße befand.
Im Tresor der Firma Hirsch befanden sich Lohnlisten aus dem Jahre 1942. Die dort namentlich aufgeführten Arbeiter und Arbeiterinnen kommen nahezu alle aus der ukrainischen Stadt Winniza, Schitomir.
Die Stadt befindet sich auf der ukrainischen Platte. Dort gibt es sehr gute Böden für Gemüse und Getreide und erprobtes Personal für landwirtschaftliche Tätigkeiten. Ob ein Zusammenhang zwischen der Beschäftigung bei der Firma und der Stadt in der Ukraine besteht, ist fraglich. Handelte es sich um Freiwillige?
Klaus Hofmann, Geldersheim („Initiative gegen das Vergessen“ / ehemaliger Stellvertreter Betriebsratsvorsitzender bei FAG) kannte die Unterlagen. Er ging davon aus, dass es sich um Kriegsgefangene oder Freiwillige handelt. Wahrscheinlich größtenteils Freiwillige! Es handelte sich ausschließlich um Ukrainische Staatsbürger und nur einen Belgier!
Anmerkungen zur Firma „Gritto-Werke GmbH“
Gritto kommt aus dem arabischen und bedeutet soviel wie „Kräuter“
In einem zugekauften Betrieb in Langenargen / Bodensee wurde auch Wein mitverkauft! Später wurde dann dort zuerst eine Filiale übernommen, später erfolgte ein Neubau in Tettnang.
Weitere Filialen wurden in den 60/70er Jahren gegründet.
Im Gegensatz zur Firma Kühne hat die Firma Gritto immer nur freie Handelsvertreter beschäftigt.
Geschäftsbeziehungen zur Firma C. F. Pohl in Schweinfurt
Die Fa. C. F. Pohl befand sich in der Zehntstraße (Buchhandlung / jetzt Juwelier Belschner). Dann Standort in der Apostelgasse bis zur Schließung.
Die Firma C. F. Pohl haben ab den 1960er Jahren nach Rezepturen den Likör „Pohls Magenwohl“ in Sennfeld herstellen lassen und als „Pohls Magenwohl“ etikettiert.
Dies gilt auch für verschiedene Essige (bekannte Marken). Diese Produkte wurden auch von der Fa. Gritto bezogen.
Herr Werner Schirmer und sein Cousin Robert Schirmer (Eigentümer der Fa. C. F. Pohl) hat die Firma (die Spirituosenkunden) später an die Firma Kühne verkauft. Er hat bis ins hohe Alter (80-jährig) Likör selbst vertrieben. Werner Schirmer wurde 100 Jahre alt. Er war ein Kaufmann „aus echtem hartem Holz geschnitzt“.
Zeitzeugenbericht Ernst Neugebauer
Herr Neugebauer beginnt am 01.08.1961 seine Lehrlingsausbildung bei der Firma Gritto in Sennfeld. Zum damaligen Zeitpunkt besteht die Firma Gritto in Sennfeld bereits vier Jahre.
Der Umzug der Firma Gritto von Schweinfurt, Ernst-Sachs-Straße nach Sennfeld erfolgte im Juni 1957 / Produktionsbeginn Juli 1957.
Am 01.05.1962 wird die Firma Gritto durch die Firma Kühne übernommen.
Neuer Firmenname am Standort Sennfeld nach Übernahme: Die Gritto-Werke GmbH werden zur Carl Kühne KG, Niederlassung Sennfeld bei Schweinfurt.
Wie ist die Firma Gritto entstanden?
Ursprünglich handelt es sich um die Firma L. Hirsch & Co. Die jüdische Familie Hirsch flüchtete 1936 ins Ausland. Das Vermögen wurde enteignet und die Firma in „Fränkische Weinessig- und Konservenfabrik“ umbenannt.
1955 erfolgte die Umbenennung in Firma Gritto. Die Firma Gritto bestand bis zum 30.04.1962.
Wie waren die Inhaberverhältnisse bei der Firma Gritto?
Nach Aussage von Herrn Neugebauer setzten sich die Inhaber wie folgt zusammen:
- Degussabank, Frankfurt am Main
- Wacker-Chemie, Burghausen
- Lonzawerke, Weil am Rhein
- Knappschaft, Griesheim / Frankfurt am Main
Die jeweiligen Anteile an der Firma Gritto sind Herrn Neugebauer nicht bekannt.
Die Zusammensetzung der Inhaber steht wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Enteignung und Übertragung des Besitzes unter der NAZI-Herrschaft.
Wo lagen die Standorte der Firmen?
Firma Hirsch
Der Standort der Firma Hirsch war zunächst die Bauerngasse 16/18 und dann die Neutorstraße. Die Gebäude in der Neutorstraße wurden im Krieg zerstört. Die Firma befand sich auf dem Grundstück der ehemaligen Knüpferklinik, heute: Palliativstation des Krankenhauses Sankt Josef.
Ferner verfügte die Firma Hirsch noch über Werke in Düsseldorf und Leipzig.
Firma „Fränkische Weinessig- und Konservenfabrik“ und „Gritto“
- Ernst-Sachs-Straße 9/11 (bis 30.06.1957)
- Hauptstraße 92 in Sennfeld (seit 01.07.1957)
Firma Kühne, Niederlassung Sennfeld bei Schweinfurt
- Hauptstraße 92 in Sennfeld
Weshalb kam es zum Umzug nach Sennfeld?
Die SKF benötigte das Grundstück der Firma Gritto in der Ernst-Sachs-Straße. Die Firma Gritto führte mit SKF einen Grundstückstausch durch. Zum 01.07.1957 siedelte die Firma Gritto von der Ernst-Sachs-Straße nach Sennfeld, Hauptstraße 92, um. Das Fabrikgebäude wurde von SKF im Rahmen des Grundstückstausches errichtet und der Firma Gritto kostenfrei zur Verfügung gestellt. Man erkennt heute (2021) noch, dass das Werk 2 von SKF und die Gritto-Fabrikgebäude mit den gleichen Mauersteinen, von der gleichen Baufirma, errichtet wurden.
Welche Produkte hat die Firma Gritto hergestellt?
Die Firma stellte Essige, verschiedene Sorten her (Weinessig, Kräuteressig, Branntweinessig etc).
Die Firma stellte insbesondere auch Sauerkonserven und Obstkonserven her.
Die Sauerkonserven umfassten Spargel in Dosen, Gurken, Sellerie, Rote Bete, Karotten, Paprika.
Als Obstkonserven wurden Erdbeeren, „Dunst-Sauerkirschen“ (für Konditoren und Eishersteller), Renekloden (Ringlos) und Pflaumen vermarktet.
Es wurden auch Spirituosen hergestellt und als Marke „Rouette“ vertrieben.
Nach dem Krieg bevorzugte man Liköre. Das Angebot an Spirituosen umfasste folgende Liköre:
- Kirschlikör mit Whisky, Rum und Wodka
- (Danziger) Goldwasser (mit echten Goldfäden)
- Kroatzbeere (aus Brombeeren hergestellt)
- Cassis (aus schwarzer Johannisbeere hergestellt).
Auch eine Art Jägermeister bzw. Sechsämtertropfen besonderer Qualität wurde als „Gourmet“ vertrieben.
Verschiedene Weinbrände (weiß und rot), sowie Zwetschgenwasser, Himbergeist und Kirschwasser waren ebenfalls im Sortiment.
Das Produktspektrum umfasste ferner Wermutweine rot und weiß (einfache Weine mit Kräutern versetzt).
Firmendokumente
Mitgliedsbuch bzw. Arbeitsbuch „Die Deutsche Arbeitsfront“
Dieses scheint einem Beschäftigten der Firma Fränkische Weinessig- und Konservenfabrik zu gehören.
Eingetragen sind auf Seite 3:
Storz, Robert, Schlosser, geb. am 29. Juli 1911, übergetreten 1. Sept. 34
in Gau Mainfranken, Verwaltungsstelle Schweinfurt.
Die Beitragszahlung beginnt in diesem Buch mit der 23. Beitragswoche des Jahres 1935. Die Beitragsmarken sind bis April 1942 vollständig eingeklebt.
Die Vorschriften über das Arbeitsbuch, Juni 1938
In das 35seitige Vorschriften-Büchlein sind außerdem mehrere Merkblätter lose eingelegt.
Lohnabrechnungen einzelner ausländischer Mitarbeiter
Die Lohnabrechnungen betreffen alle das Jahr 1942.
Vermerkt ist im Kopfteil der Lohnabrechnung:
Personalien aus Unterlagen vom Arbeitsamt - (links)
Name (und Vorname, Staatsangehörigkeit), Religion (nie ausgefüllt) Wohnung (Heimatort / VKF-Lager), Geburtsdatum, Geburtsort (nicht immer ausgefüllt), Familienstand – (Mitte)
Karte Nr., Jahr – (rechts), teilweise ist Kartennummer abgerissen.
Die Karten sind nummeriert von 1 bis 33 / gezählt liegen 35 Karten und damit 35 Personen vor!
Herr Neugebauer vermutet, dass die Russen und Ukrainer auf freiwilliger Basis arbeiteten. Viele Ukrainer kommen aus der gleichen Region: aus dem Kreis Winniza / Schitomir.
Sie waren alle in Baracken in der Erst-Sachs-Straße untergebracht. Sie mussten Ostarbeitsabgabe und Verpflegungsgeld entrichten. Das Geburtsjahr liegt in der Bandbreite von 1921 bis 1926. Die Ostarbeitsabgabe war eine Art Kriegssteuer. Die Ukraine war die Europäische Kornkammer. Es gab dort landwirtschaftlich erprobtes Personal für die Konservenproduktion.
Gurken-Anbauvertrag A für Salzgurken (Reichseinheitsvertrag)
Die Firma Fränkische Weinessig- und Konservenfabrik schloss Verträge mit Bauern. Dabei ging es nur um Salzgurken. Später trugen die Gurken die Bezeichnung „Hirschgurke“. Es handelte sich um Gurken in „Essigaufguß süß-sauer“ eingelegt.
Abschließend noch der Hinweis, dass die Firma Hirsch (Vorgängerfirma) als Erfinder der Essiggurke gilt. Näheres hierzu wäre noch zu eruieren.
© 2021/Gerhard Fiedler – Ernst Neugebauer / 036-Gritto
Schweinfurt, den 31.03.2018 (letzte Änderung: 08.05.2021)
Gerhard Fiedler
weiter mit Fa. Kühne