Die Inschrift am Eingang des alten Rathauses (heute Sparkasse)

Eine kleine Abhandlung der Geschichte des Oberndorfer Rathauses

von Bernd Köppel

Foto: Helene Köppel
Foto: Helene Köppel

  "Wissen Sie … was "M.K.S.I.G.F.B." heißt? Nein, dann geht es Ihnen wie dem Verfasser dieser Chronik. Jeder, der das Oberndorfer Rathaus betritt, läuft unter diesen geheimnisvollen Buchstaben hindurch. Sie befinden sich im Türstein über dem Eingang zur Filiale der Städt. Sparkasse, die im ehemaligen Sitzungssaal des Oberndorfer Gemeinderats seit nunmehr 60 Jahren (Anmerkung HK: das galt 1981!) ihren Platz hat (mit einigen Unterbrechungen) …

Der Chronist gab sich die größte Mühe, das Rätsel dieser Buchstaben zu lösen und wälzte tagelang alte bis uralte Akten im Stadtarchiv, doch außer einer Staublunge war dort für eine Chronik über das Oberndorfer Rathaus fast nichts zu holen.

Doch ganz umsonst war die Mühe nicht, wenn auch die Chronik nicht so umfassend wie geplant, wurde:

Wir wissen, dass das Rathaus 1755 erbaut wurde, das beweist die Jahreszahl unter den ominösen Buchstaben auf dem bereits erwähnten Türstein. Nach mündlichen Überlieferungen soll es sich um die Anfangsbuchstaben derjenigen Bürger handeln, die das Rathaus erbauten. Aber dies ist nicht amtlich.  Nach den Unterlagen des städtischen Archivs befand sich im Erdgeschoß der Sitzungssaal des Gemeinderats, sowie die Polizeistation der drei Oberndorfer Ortsschutzleute. Die Station bestand aus der Wachtmeisterstube, dem Bereitschaftsraum und der Arrestzelle.

 

Über die Freitreppe, die noch heute gut erhalten ist, gelangte man in die Amtsräume des Gemeindesekretärs. Oberndorf zählte 1919 - im Jahr der Eingemeindung - immerhin 3886 Einwohner. Man kann sich gut vorstellen, dass der Gemeindesekretär kaum über mangelnde Arbeit klagte. Chef der Gemeinde war der Bürgermeister. Seine Amtsstube lag neben der des Gemeindesekretärs. Ferner befanden sich im oberen Stockwerk noch die Registratur und ein weiteres Amtszimmer.

 

Wie vielseitig das Rathaus verwendet wurde, zeigt eine Annonce im Schweinfurter Tagblatt vom 12.11.1919: "Öffentliche Versteigerung von Heeresbeständen im Rathaussaal" heißt es da. Mit großem Ernst und Verantwortungsbewusstsein übte der Gemeinderat seine ehrenamtliche Funktion aus. Der umfangreiche Akt über den Neubau eines "Katholischen Schulhauses" im Jahr 1908, oder der Beschluss über "Absolute Sonntagsruhe in den Kontoren der Oberndorfer Fabriken und Handelsgeschäfte" vom 30. Mai 1913, zeugen von den vielseitigen Aufgaben der Ratsherren. Vielleicht ist dies auch der Grund, weshalb bereits ab 1900 unter Bürgermeister Knauf die ersten Eingemeindungsverhandlungen mit dem "Hochlöblichen Magistrat der Stadt Schweinfurt" geführt wurden.

Der Oberndorfer Gemeindeverwaltung wuchs scheinbar die immer größer werdende Gemeinde, mit ihrer aufstrebenden Industrie (Fichtel & Sachs, Kugelfischer, VKF, UFRA, Malzfabrik usw.) über den Kopf. Über 45 % der Schweinfurter Werkstätigen arbeiteten 1919 in Oberndorfer Betrieben!

 

Unter Bürgermeister Knauf konnte mit den Schweinfurtern noch keine Einigung erzielt werden. Dieser "Erfolg" (?) blieb seinem Nachfolger im Amt, Heinrich Lauer, vorbehalten. Zusammen mit den Gemeindebevollmächtigten Karl Schemmrich, Valentin Wohlfahrt, Franz Weinkarte, Heinrich Schirmer, Konrad Sollmann und Andreas Hutter führte Bürgermeister Lauer langjährige Verhandlungen mit dem Schweinfurter Magistrat, die mit dem Eingemeindungsvertrag vom 1.12.1919 ihren Abschluss fanden.

Mit diesem Tag wurde Oberndorf ein Stadtteil von Schweinfurt, aus Oberndorfer wurden Schweinfurter.

Im Schweinfurter Tagblatt war damals zu lesen:

 

"Wir begrüßen die aufstrebende Gemeinde in unserem Verbände und rufen unseren neuen Mitbürgern ein herzliches "Glück auf!" zu.

 

Der Eingemeindungsvertrag gestand den Oberndorfern einige Privilegien zu. Doch diese standen - wie man im Archiv nachlesen kann - in einem Vertrag, der bis zum heutigen Tag nicht rechtsgültig wurde.

 

Heinrich Lauer wurde "Kommissar" der Stadt Schweinfurt, Der Gemeindesekretär, die drei Dorfpolizisten und die übrigen Angestellten der Gemeinde Oberndorf wurden Beamte der Stadt. Nach und nach gingen die Privilegien Oberndorfs verloren. Am längsten hielt sich das im Rathaus befindliche Standesamt und die Polizeistation. Noch bis Ende der zwanziger Jahre wurden im Oberndorfer Rathaus Paare standesamtlich getraut. Mit dem Dritten Reich wurden auch diese Privilegien abgeschafft.  Die Polizeistation blieb. Noch in jüngster Vergangenheit (Achtung 1981!) benutzten Schweinfurter Verkehrspolizisten die alten Amtsräume, bevor sie ihren Dienst am Oberndorfer Weiher antraten und dort den Verkehr regelten. Nach und nach verblasste das Interesse der Stadt am Oberndorfer Rathaus. Vor einigen Jahren spielte man sogar mit dem Gedanken, es ganz abzureißen, doch glücklicherweise besann man sich eines Besseren.

Heute, nach einer zugegeben teuren Renovierung, ist das Oberndorfer Rathaus schöner denn je und hat mit der Städt. Sparkasse einen Mieter, der sicherlich darauf achten wird, dass es so schön bleibt.  "