Hinze-Hänsele
In einem gewissen Hause auf dem Marktplatz zu
Schweinfurt wohnte vor mehr als hundert Jahren ein
reicher Kaufmann, der einen Ladendiener hatte, welchen
man nur den Hinze -Hänsele nannte; er war sehr alt
und galt alles im Hause und bei seinem Herren.
Eine eigentümliche Tracht und Gestalt machten ihn
kennbar bei Alt und Jung. Als Hinze-Hänsele
gestorben war, verbreitete sich bald das Gerücht, dass er
spuke, und zwar gräulich, sowohl im Haus und Laden,
als vorzüglich im Wehrwäldchen, dem schönsten Spaziergang,
der dem Maine entlang gelegen ist.
Viele wollten ihn dort in seiner Perücke und seinem rot-
braunen breitschößigen Röcklein gesehen haben, die sich
des magern und schmächtigen grauen Männleins noch
gar wohl erinnerten. Doch trotz seiner Magerkeit
machte er sich denen, welchen er sich aufhockte, was eine
sehr unangenehme Liebhaberei des Geistes war, so schwer,
daß sie ihn kaum schleppen konnten. Alles fürchtete
sich vor diesem Gespenst, und, so wie die Dämmerung
eintrat, ergriff vorzüglich die spielenden Kinder ein
Schauer vor dem Hinze-Hänsele und sie verließen eiligst
das Wäldchen.
Jenes Haus wurde wegen dieser Spukgeschichte später
sehr billig verkauft. Es ist, dasselbe, in welchem, wie die Sage
geht, vor mehreren hundert Jahren drei Könige an einer Tafel
speisten, dem zum Gedächtnis in der Wand eine Schrifttafel
eingelassen wurde.
An einem schönen Sonntagnachmittag ging ein Musikant an
das Seeloch am Wehrwäldchen und angelte.
Gegen Abend auf dem Heimweg gesellten sich noch einige
junge Leute, seine Freunde, zu ihm, und die Rede kam
auf Hinze-Hänsele und seine Neckereien. Der Musikant
dünkte sich viel klüger und aufgeklärter als seine Begleiter
und rief: "Schweigt mir doch vom Hinze-Hänsele,
dem dummen Kerl" und sofort hing auf seinem Rücken
etwas Schweres, wie ein Mehlsack; er rüttelte sich und
schüttelte sich, um es abzuwerfen, und rieb sich an den
Bäumen und schämte sich zu schreien, und auf ihm
blieb's, wie Blei, bis er an die Pfitz kam; da sprang's
von ihm, unversehens, wie es gekommen war, und der
Musikant wischte sich aufatmend den Angstschweiß von
der Stirn, und schimpfte nie wieder auf Hinze-Hänsele,
der die Verhöhnung an ihm gerächt hatte.