Das Thalerholz
Wie das Thalerholz zu Schweinfurt kam, ist eine merkwürdige, aber lehrreiche Geschichte.
Das Thalerholz am östlichen Hang des Haardtberges neben der Zeller Straße an der Grenze der Gemarkung der Stadt Schweinfurt gehörte nämlich früher zu dem Dorf Zell. Im Dreißigjährigen Krieg aber war doe Ortschaft arg zusammen geschmolzen und nur wenige Bewohner fristeten dort noch ihr Dasein. Immer wieder hatten die Landsknechte das Dorf heimgesucht, das Vieh geschlachtet und die Häuser und Scheunen geplündert und zuletzt in Brand gesteckt. Sie nahmen mit, was nicht niet- und nagelfest war. Es half den Zellern wenig, dass sie sich mitsamt ihrer geringen Habe in den Wälder flüchteten und diese versteckten, sofern sie rechtzeitig die räuberischen Horden ausmachten. Die wenigen Einwohner hatten fast nichts mehr zu nagen und zu beißen, und die Not war gar groß!
Die Schweinfurter waren hingegen vor den einzelnen Räuberbanden viel sicherer. Wohl hatten auch sie unter dem langen und harten Krieg zu leiden, besonders als nacheinander die großen Heere der Schweden oder der Kaiserlichen durch unsere Gegend zogen. Danach aber bewachten sie die schützenden Mauern und Wälle ihrer Stadt und die Türmer hielten fleißig Ausschau und die Torwache ließ niemanden herein, der zu einem üblen Gesinde jener Zeit gehörte.
Als nun die wenigen Leute in Zell eines Tages ihr letztes Stücklein Brot gegessen hatten und die Hungersnot aufs Höchste gestiegen war, beschlossen sie in ihrer Bedrängnis , ein Stück Wald an die Stadt Schweinfurt zu verkaufen. Daswar ihnen immer noch lieber, als ihre Heimat ganz und gar zu verlassen. Die Ratsherren gingen auf diesen Handel ein. Man reichte den Leuten gleich einen Laib Brot. Geschenkt aber wollten beide nichts, und so gab man für den Wald einen silbernen Taler. Mehr hatten die Ratsherren auch nicht übrig, denn bei den wiederholten Durchzügen waren auch ihre Säckel geleert. Mit dem Taler konnten die Zeller gleich etwas Getreide kaufen und brauchten nicht vor Hunger zu sterben.
Bei diesem Handel sah ein kluges Bäuerlein, wie man gerade eine Geiß vorbeiführte. Da dachte er bei sich, wo man eine Geiß hält, da gibt es Milch, und wo es Milch gibt, da gibt bestimmt auch einen fetten Handkäse, und einen solchen hatte er schon lange nicht mehr gegessen. Der aber würde zu einem Stück Brot hervorragend schmecken. So wurde der Handel endlich abgeschlossen und das Holz um einen Laib Brot, einen silbernen Taler und einen Handkäse an die Stadt verkauft.
Das sollte die Zeller noch gewaltig reuen. Als der Krieg glücklich vorbei war, versuchten sie den voreiligen Verkauf rückgängig zu machen und den Handel vor Gericht anzufechten. Der
Richter aber sagte: "Verkauft ist verkauft! Wenn ihr an den Luxus eines Handkäses gedacht habt, kann die Not nicht so arg gewesen sein. wer in Not ist, muss sich bescheiden!" Und so blieb das
Thalerholz bei Schweinfurt.