Der eingebildete Amtsvogt
Grafenrheinfeld, das im Gegensatz zu Bergrheinfeld eigentlich Grabenrheinfeld heißen müsste, war der Schauplatz einer Schnurre (Anm.: kurze, spaßige Erzählung), die sich auch heute noch mancherorts ereignen könnte.
Der Bischof von Würzburg, der die Grundherrschaft über Grafenrheinfeld ausübte, ließ dort nach Bedarf alljährlich bis zu vier Hochgerichte halten. Dazu sandte das Domkapitel einen eigenen Domherrn oder auch nur einen in Gerichtssachen erfahrenen Amtsvogt. Das jetzige Gasthaus "Zum Hirschen" war das frühere Vogteigebäude. Der Amtsvogt musste alle Frevel und Vergehen untersuchen und rügen und die Rügstrafen über die Übeltäter verhängen. Rüggerichte waren am Montag nach Dreikönig, am Montag nach Ostern und am Montag nach St. Johanni. Am Montag nach St. Michaelis war dann das Eidgericht, wo Lügner den Eid ablegen mussten und strengere Vergehen als einfache Feldfrevel und Schlägereien verhandelt wurden.
Nun wird erzählt, ein Amtsvogt des Dorf- und Feldgerichts sei einmal recht eingebildet gewesen. Er hatte von dem Schneider Scholl gehört, dass er ein tüchtiger Handwerker sei, der geschickt mit Nadel und Faden umzugehen wisse und außer Roch und Anzug sogar modische Kopfbedeckungen und Hüte zu schneidern verstehe. Der Amtsvogt ließ den Schneider Scholl deshalb zu sich kommen und bestellte für sich einen neuen Hut, so einen schicken Dreispitz, wie man ihn zu jener Zeit gerne trug.
Der Schneider verwandte alle Kunst auf diesen Auftrag und hoffte damit auch Ehre einzulegen. Beim nächsten Amtstag brachte er den Hut und verlangte dafür einen Taler. Der Vogt nahm das
Kunstwerk gar nicht in die Hand und erklärte hoffärtig: "Wie wird denn ein Herr einen Hut tragen, der nur einen Taler kostet!" und schickte den Schneider fort. Der Schneider nahm den Hut, ging
heim und drehte einfach das Band herum. Dann kam er wieder und verlangte nun drei Taler. Da sagte der Amtsvogt: "Das ist ein Hut! Der ist recht!" So waren auf einmal alle beide
zufrieden.