Der entrückte Mühlknappe
Wie wunderlich einem geschehen kann, darüber berichtet uns eine alte geschriebene Schweinfurter Chronik.
Es war am 3. September anno 1648 und das war nach dem ewigen Kalender, wie jeder nachrechnen kann, just an einem Donnerstag. Da ging allhier der Beckenknecht Michael Stepf in die Stadtmühle neben den Brückentoren, um für seinen Meister etwas Mehl zu mahlen. Er wusste noch nichts davon, dass nach dreißig langen und schweren Jahren in kurzem endlich Frieden sein sollte; denn noch vor zwei Wochen hatte man auf Befehl der schwedischen Besatzung begonnen, das Brückentor noch stärker zu befestigen.
Wie der Michael in die Mühle ging, wurde es ihm allda aus ganz unerklärlichen Gründen ziemlich bange, dass ihm der Schweiß über das Gesicht lief. Um etwas frische Luft zu schöpfen, ging er darum aus der Mühle und zum Brückentor hinaus bis zum äußeren Main. Und tatsächlich ging es ihm nach kurzer Zeit wieder besser. Deshalb kehrte er in die Mühle zurück, um zu mahlen. Jedoch war er kaum dort, wurde ihm erneut übel. Er konnte sich nicht anders helfen als erneut zu dem Ort an der äußeren Mainbrücke zu laufen. Dort nahm er eine Hand voll Wasser und erfrischte sich, worauf hin es ihm wieder besser ging.
Als er abermals zum Brückentor hereingehen wollte, geschah im das Wunder. Es brauste von oben ein Wind daher, hob ihn, und trug ihn hoch durch die Luft über den Main - und so gut fünf
Meilen nach Mainbernheim in sein Vaterland, wo er vor Jahren hergekommen. Der Beckenknecht wusste zunächst gar nicht, wie ihm geschah. Er hörte und sah nichts mehr auf seiner Reise durch die
Luft, und als er wieder zu sich kam, war bereits der kommende Morgen angebrochen. Er wusste nicht, wo er war. Alles kam ihm absonderlich vor. Er lag außerhalb der Stadt auf dem Gottesacker
zwischen zwei neuen Gräbern und mit Weiden war er an Händen und Füßen an ein dabei gestandenes Kreus gebunden. Gleichzeitig hörte er den Türmer früh blasen und wurde auf einmal inne, dass er in
dem Mainbernheimer Gottesacker lag. Ein Mann, der zufällig vorüberging, hörte dort ein Winseln, schaute über die Kirchhofmauer und sah ihn dort angebunden liegen. Erschrocken meldete er es sofort
der Obrigkeit. Die kam sogleich und befreite ihn endlich. Von Einwohnern wurde er als der Michel erkannt und in die Stadt zu seinen Eltern gebracht. Denen erzählte er von dem ganzen Vorfall und
sagte, es sei ihm in der Nacht so vorgekommen, als ginge Vieh um ihn herum und fresse Gras. Auch wie er losgerissen worden sei, habe er eine Stimme vernommen, die gesagt habe: "Gehe hin und reiße
ein ander Mal mehr aus!" Er habe dabei aber niemanden gesehen und habe so auch nicht fragen können, was dies bedeuten solle. Und so eine Reise durch die Luft mit dem wilden Heer, das es
sicherlich gewesen sei, habe er nie mehr machen wollen in seinem ganzen Leben.