Der Seelenvater
An der Straße nach Maibach, dort, wo die Heeresstraße unter ihr durchgeführt wird, ist von Schweinfurt eine Rechtskurve von 90 °. Links in der Kurve stehen 2 große Lindenbäume und ein Baumstumpf und eine Bank auf diesem kleinen Hügel. Einen Baum hat man neu gepflanzt, denn einst waren es dort vier. Dies ist der Seelenvater.
Der Besucher hat von dort eine schöne Aussicht bis über den Main. Früher war dieses Panorama nicht von den Kernkraftwerkstürmen gestört...
Die Maibacher nannten diesen Platz früher "das Rad". Zurückzuführen ist dies auf die Bestrafungsmethode des Räderns.
Verbrecher wurden in früheren Zeiten an ein Rad geflochten und zur Warnung an gut sichtbaren Stellen aufgestellt. So geschah dies hier im Jahre 1633 mit drei auf dem Haardtberg Geräderten. Ihre Leichname wurden an den Straßen nach Maibach, Hesselbach und Würzburg "ausgestellt". Übrigens nennt sich auch die Flur rechts vom Kiliansbergweg in Schweinfurt zur "Eiche" ebenfalls "Rad".
Es wurden früher vom Seelenvater einige Spukgeschichten erzählt, wovon eine dieser sagen auch die Erklärung des Namens "Seelenvater" liefert, mit dem die dortige Flur seit langem bezeichnet wird.
Es lebte in Schweinfurt einst ein ungetreuer Waisenvater, der damals auch "Seelenvater" genannt wurde. Lange Zeit betrog er in verwerflicher Weise die ihm anvertrauten Waisenkinder um ihr Eigentum. Doch eines Tages wurde er endlich überführt und er wurde zum Tode durch das Henkersschwert verurteilt. Vor seinem Tode gewährte man ihm einen letzten Wunsch. Er antwortete: "Wenn mein Kopf abgetrennt sein wird, so wird mein Körper noch eine gewisse Strecke des Weges weiterlaufen. Diese Strecke soll im Geviert abgemessen und dieses Areal als Acker meinen Hinterbliebenen übergeben werden."
Man gewährte ihm diese Bitte. Als er am heutigen "Seelenvater" auf der Maibacher Höhe schließlich enthauptet wurde, lief sein Körper tatsächlich noch ein gutes Stück weiter. So wurde der Acker abgemessen und seinen Nachkommen übereignet.
So heißt nun dieses Flurstück bis zum heutigen Tag "Seelenvater".
Das Gedicht:
Wie schaurig ist heute die Mitternachtstunde,
von Niederwerrn her bellen heiser die Hunde,
denn bei den "vier Linden", da geht einer um,
er trägt seinen Kopf in den Händen herum.
Zu Lebzeiten sollt' er als "Seelvater" walten
und hatte dafür auch die Gelder erhalten,
doch hat er den Waisen nur wenig gegeben,
kaum hatten sie's Nötigste zum Überleben.
Das schnöde Verbrechen kam schließlich ans Licht,
man brachte den "Seelvater" vor das Gericht.
Der Urteilsspruch lautete: Tod durch das Schwert.
Doch hat einen Wunsch man ihm gewährt.
Er wünschte sich, schien es, absonderlich' Sachen,
die Leut vom Amt unterdrückten das Lachen:
"Ich bitt', dass ich stehend gerichtet nun werde
und fällt nach dem Streiche mein Kopf auf die Erde,
dann laufe ich noch eine Wegstrecke fort.
Den Abstand von hier - bis ich umfalle dort,
den messet genau im Geviert mir heraus;
sodann überschreibet das Feld meinem Haus!
Das will ich, bevor ich am Richtplatz muss sterben,
den Nachkommen meiner Familie vererben!"
Dann wurde es still in der Zuschauerrunde,
es schlug des unseligen Mann's letzte Stunde.
Der Scharfrichter holte zum Todesstoß aus,
aus kopflosem Halsstumpf schoss Blut heraus,
der Körper erbebte, dann sprang er dahin.
die Leute im Umkreis erschraken und schrien!
Der Körper schlug jäh auf den Ackerrain auf,
zu Ende war dieser so grausige Lauf.
Dem Wunsche gemäß ward das Grundstück vermessen,
die Sage hat all das bis heut' nicht vergessen.