Die Sage um die Schweinfurter Brunnen

Die Sage des Volkes umwaltet traulich mit ihrem
kindlichen Geflüster selbst die Brunnen der Fluren. Auf
derselben Straße, nicht weit wo die drei Kreuze stehen,

welche das Volk die drei Jungfern nennt, springt ein
wasserreicher Quell etwas rechts auf der sogenannten
Breiten Wiese, an einer wohlgelegenen Stelle, den einst
drei große reich belaubte Linden beschatteten. Von diesen
Bäumen nennt man noch den Ort das Lindenbrünnlein.
Neben der offenen zu Tage ausgebenden Quelle, zu
welcher man einige Stufen hinabsteigt, und die oft dem
durstigen Wanderer Erfrischung darbietet, ist eine rund
gemauerte Brunnenstube, die mit einem Mühlstein bedeckt
ist. Dieses Lindenbrünnlein wird besonders von der
unschuldigen Kinderwelt zu Schweinfurt wert gehalten;
denn aus ihm schöpfen die Ammenfräulein in silbernen
Eimern die kleinen Kinder, und seine Flut ist nicht
Wasser, sondern Milch. Wenn die Kleinen dahin kom­men zu

diesem "Kindesbrunnen", so sehen sie durch das
Loch des Mühlsteins hinab auf sein stilles Wasser, das
ihnen das eigene Bild zurückspiegelt, und glauben dann, ein
Brüderlein oder Schwesterlein erblickt zu haben, das
ihnen recht ähnlich sieht.


Eine andere Quelle in der Schweinfurter Flur und
nicht weit von der Stadt entfernt, heißt das Theuer-
brünnlein. Diesem Brünnlein wohnt etwas Prophtisches

bei. Läuft die Quelle stark, was öfters selbst
bei der trockensten Witterung der Fall ist, so steigen die
Preise des Getreides; läuft sie sparsam oder versiegt sie
ganz auf kürzere oder längere Zeit, so hat man wohlfeiles

Getreide und überhaupt ein fruchtbares Jahr zu
erhoffen. Viele glauben noch fest an die prophetische
Eigenschaft des Theuerbrünnleins.