Der Zweite Weltkrieg in Bergrheinfeld

 

1. Notizen und Erinnerungen von Josef Eusemann

Am 1. September 1939 brach der Zweite Weltkrieg aus. Noch im September 1939 musste ein Bergrheinfelder Bürger als Soldat in Polen sein Leben lassen. Viele gerieten ab Mai 1940 in Gefangenschaft und kamen mit Kriegsleiden zurück.

94 Soldaten aus Bergrheinfeld mussten ihr Leben lassen und 105 Frauen und Männer, davon 1 Kind, kamen bei Fliegerangriffen und beim Einmarsch der Amerikanischen Armee ums Leben.

Nach Ende des Krieges wurden ehemalige Soldaten gefangen genommen und bis Weihnachten 1949 wieder entlassen. Ein Bergrheinfelder Bürger wurde als Letzter am 5. Oktober 1953 aus russischer Gefangenschaft entlassen. Von allen Gefangenen hatten die in russischer Kriegsgefangenschaft das härteste Los. Ein Großteil durfte erst 1948/49 zurückkehren. 46 Soldaten blieben vermisst.

 

Am 17. August 1943 überflogen 300 amerikanische Bomber unser Dorf zum ersten großen Angriff auf Schweinfurt. Auf unserer Flurgemarkung wurden ebenfalls Bomben abgeworfen. 6 Bomben fielen auf die Flurabteilung Seidig über dem Main. Einige  Bomben schlugen 300 bis 400 m westlich vom Friedhof ein, ca. 75 fielen auf die Flurabteilung Was und auf die Sandgrube. Die Sandgrube war in der Nähe des Hauses von Herrn Leonhard (Wadpfad). In der Sandgrube befand sich ein mit Beton ausgebauter Wasserdurchlassgraben. Darüber lief ein Wirtschaftsweg für Sand- und Kiestransporte sowie für die landwirtschaftlichen Anlieger. Viele Menschen suchten bei Fliegeralarm in diesem Durchlassgraben Schutz vor den Bomben, insbesondere Menschen aus Bergrheinfeld und Oberndorf, die in der näheren Umgebung wohnten, ebenso Arbeiter, die meist mit ihrem Fahrrad auf dem Weg zur bzw. von der Arbeit waren. Genau auf diesen Durchlass fielen jedoch 3 schwere Bomben, wobei mindestens 64 Menschen zu Tode kamen. Die meisten von ihnen waren bis zur Unerkenntlichkeit verstümmelt.  Aus Bergrheinfeld kam eine 3-köpfige Familie und ein kurz in Bergrheinfeld lebender Herr Faulhaber ums Leben. Etliche Flugzeuge wurden durch um Schweinfurt stationierte Flakeinheiten abgeschossen.

 

24./25.2.44

Innerhalb von 12 Stunden fanden 3 Bombenangriffe statt. Unser Dorf wurde bei diesen Angriffen auch schwer mitgenommen. Nachmittags um 14:30 Uhr erfolgte der erste Angriff. In der Flurabteilung Klenklein wurden 12 Bombeneinschläge festgestellt. Das Eisenbahngleis bei der Klenkleinunterführung wurde dabei zerstört. Abends um 22 Uhr erfolgte der zweite Angriff. Eine Luftmine fiel auf den Sportplatz und vernichtete 4 Wohnhäuser. Die Hauseigentümer waren Johann Sperber, Herr Andreas, Michael Horn und Nikolaus Weigand (Jahnstraße). Es wurden noch mehrere Luftminen abgeworfen, welche zum großen Teil außerhalb der Ortschaft einschlugen. Dennoch wurden viele Häuser und Nebengebäude beschädigt. Die Scheune des Hermann Hartmann in der Mainstraße, des Karl Seifert Mainstraße 24 und Ludwig Fischer Hauptstraße 38 brannten ab.

In der selben Nacht gegen 1 Uhr erfolgte der dritte Angriff. Die beiden letzten Angriffe dauerten jeweils ca. 55 bis 60 Minuten. Bei diesen Angriffen waren die Erschütterungen so stark, dass Uhren von Wänden fielen, Türen aus den Rahmen gehoben wurden und viele Fensterscheiben zu Bruch gingen.

Fenstersimse fielen heraus, Dachziegel wurden verschoben und Dächer abgedeckt.

Die Wohnhäuser Schiller (Neue Straße), Georg Schmitt (Neue Straße) und Hermelin Seidel (Schweinfurter Straße 150) wurden völlig zerstört. Sehr viele Wohnhäuser wurden beschädigt, ein Teil schwer.

Durch Brand wurden die folgenden Scheunen vernichtet: Valentin Endres Hauptstraße 75, Andreas Walter Hauptstraße 77, Ludwig Eusemann Hauptstraße 79, Georg Popp Hauptstraße 81, Richard Rösch Hauptstraße 83, Ignatz Endres Hauptstraße 85, Alfred Endres Hauptstraße 99, Georg Liebenstein Schweinfurter Straße 15, Johann Wähler Mainstraße 11 und Johann Rösch Hauptstraße 60.

In der Flurabteilung über dem Main wurde man an Allerheiligen erinnert, wenn auf dem Friedhof alle Lichter brennen, so übersät waren die Grundstücke mit Brandbomben, die in Flammen standen. Die Branddauer derartiger Bomben währte einige Minuten. Am nächsten und übernächsten Tag wurde die männliche Bevölkerung aufgefordert, die Brand bomben auf den Grundstücken zu beseitigen. Auf einzelnen Grundstückenwurden 80 bis 100 Stück abgelesen. Bei den Angriffen kam auch eine hiesige Frau ums Leben.

Bis zum Ende des Jahres 1944 überflogen noch oft Bomber auf dem Weg nach Schweinfurt unseren Ort, wobei allerdings keine wesentlichen Schäden mehr entstanden.

In Schweinfurt und Bergrheinfeld waren zwischenzeitlich Vernebelungstrupps eingesetzt. Im Abstand von 600 m lagen in den Flurabteilungen Fässer mit Nebelsäure. Sobald Bpmbenflugzeuge im Anflug auf Schweinfurt gemeldet wurden, wurde Fliegeralarm gegeben und die Mannschaften der Vernebelungstrupps drehten die Gashähne der Fässer auf. Innerhalb von 10 Minuten waren der ganze Ort und die Stadt Schweinfurt so vernebelt, dass man Bergrheinfeld und die Stadt nicht mehr sehen konnte. Dadurch konnten keine größeren Angriffe ihre Ziele erreichen und die Bomben verfehlten oft ihr Ziel.

Februar und März 1945

Fast täglich griffen Jagdflugzeuge einzelne Eisenbahnzüge an. Insbesondere die Lokomotiven waren das Ziel. Die Lokführer und Heizer hatten es sehr schwer. Die Tiefflieger nahmen mit Maschinengewehrfeuer die Lokomotiven unter Beschuss. Es verging kaum ein Tag, an dem nicht eine Lokomotive auf der Strecke liegenblieb. Auch wurden oft einzelne Personen beschossen. Das Schwellenwerk der Fa. Richtberg wurde ebenfalls mehrfach von Tieffliegern angegriffen und es entstanden schwere Schäden. Bei einem dieser Angriffe kamen auch 3 Kriegsgefangene, die im Betrieb arbeiten mussten, ums Leben.

 

Die Brücke über den main, eingeweiht am 14. Juli 1901, wurde am Abend des 8. April 1945 von Soldaten der Deutschen Wehrmacht gesprengt, um den Amerikanischen Soldaten die Mainüberquerung zu erschweren.
Die Brücke über den main, eingeweiht am 14. Juli 1901, wurde am Abend des 8. April 1945 von Soldaten der Deutschen Wehrmacht gesprengt, um den Amerikanischen Soldaten die Mainüberquerung zu erschweren.

7, April 1945

Artilleriebeschuss auf Bergrheinfeld. Nachmittags 17 Uhr flogen die ersten Granaten ins Dorf. Die Gastwirtschaft "Mainlust" und das Wohnhaus des Johann Sperber Jahnstraße, welches wieder notdürftig hergerichtet war, wird durch Granateneinschläge beschädigt.

8. April 1945

Der heutige Tag war der Weiße Sonntag. An diesem Tag fand kein Gottesdienst statt. Die Erstkommunion der Kinder erfolgte schon 10 Tage zuvor. Am Gründonnerstag mittags um 12 Uhr erfolgte ein Tieffliegerangriff auf die Ortschaft, Die Flieger warfen Brandbomben auf den Kirchturm und auf verschiedene Anwesen.

Folgende Gebäude fielen dem Feuer zu Opfer:

Wohnhaus, Stall und Scheune von Ludwig Popp Hauptstraße 61, Stallung von Rosa Schmittfull Mainstraße 4, Scheunen von Therese Faulhaber Mainstraße 2, Emil Holz Hauptstraße 64, Ludwig Eusemann Hauptstraße 62 und die Notscheune von Johann Rösch Hauptstraße 60.

Am Nachmittag wurde der Volkssturm aufgefordert Panzersperren zu bauen. An allen Dorfausgängen wurden Löcher ausgegraben und Rundhölzer, ca. 1,5 m hoch, eingefügt, um den amerikanischen Panzern die Einnahme des Dorfes zu erschweren. Abends gegen 20 Uhr fanden 2 größere Sprengungen statt. Es wurde die eiserne Brücke über den Main zwischen Bergrheinfeld und Grafenrheinfeld sowie die Brücke am Pointer, über welche die Eisenbahn fuhr, in die Luft gesprengt. Durch Artilleriebeschuss brannten in der Nacht noch einige Gebäude ab. Bei Josef Wahler Mainstraße 3, Heinrich Göb Kirchgasse 2, Valentin Seyffert Kirchgasse 4, Valentin Eusemann Kirchgasse 6, Michael Endre Kirchgasse 8 und Johann Lutz Kirchgasse 14 brannten Scheunen und zum Teil Nebengebäude nieder.

9. April 1945

Das Dorf lag ständig unter Artilleriebeschuss, die Bevölkerung hielt sich fast ständig in den Kellern auf. Das Wohnhaus des Ferdinand Endres Haupstraße 48 und die neue Schule (1936 erbaut) sowie das Zehnthaus wurden durch Granateneinschläge beschädigt. Die meisten Einschläge waren in der Nähe des Dorfes im Keilgarten.

16. April 1945

Morgens um 5 Uhr war Maschinengewehrfeuer zu hören. Nun konnte man bereits ahnen, dass an diesem Tag die Entscheidung für unser Dorf fallen wird. Es kam dann zum Häuserkampf und es wurde zunächst um jedes einzelne Haus bzw. Gehöft gekämpft. Gegen 20 Uhr war die untere Hälfte des Dorfes bis zur Kirche besetzt. Sobald ein Haus eingenommen war, mussten die Hausbewohner das Haus verlassen und nach Garstadt gehen. Das untere Dorf brannte an mehreren Stellen und es durfte nicht gelöscht werden, da die Bevölkerung schnellstens evakuiert werden sollte. Es wäre vieles noch zu retten gewesen, denn bei Löschmaßnahmen hätten sich die Brände nicht so ausweiten können.

Es brannten nieder die Wohnhäuser von Georg Endres Hauptstraße 6, Felix Heinisch Hauptstraße 4, Alois Endres Haupstraße 8, Franz Rummel Hauptstraße 14, Franz Edles Fährhaus und Christian Göb Hauptstraße 18 mit sämtlichen Möbeln und Kleidungsstücken. Folgende Scheunen fielen dem Brand zum Opfer: Georg Endres Hauptstraße 6, Alois Endres Hauptstraße 8, Anton Schmittfull Hauptstraße 10, Ignatz Ahlstich Hauptstraße 12, Franz Rummel Hauptstraße 14, Richard Hemmerlein Hauptstraße 16, Klara Rösch Hauptstraße 13, Hermann Lutz Hauptstraße15, Adolf Reichert Hauptstraße 17, Johann Göb Hauptstraße 23, Johann Fromm Haupstraße 27, Ludwig Storch Hauptstraße 27, Johann Potter Hauptstraße 26, Kilian Neuwert Hauptstraße 28, Ludwig Fischer Hauptstraße 30, Georg Rösch Hauptstraße 57, Valentin Wahler Hauptstraße 59, Philip Kraus Hauptstraße 96, Andreas Göb Haupstraße 74 und Georg Stöcker Hauptstraße 106.  Außerdem brannten noch eine Anzahl Nebengebäude ab. Das Wohnhaus Schmittutz Hauptstraße 10 wurde schwer beschädigt. 20 Stück Großvieh und viele Schweine kamen in den Flammen um. Bei den Kämpfen im Unterdorf kamen 22 deutsche Soldaten um. Die Gefallenen wurden in einem Massengrab vor dem alten Friedhof beigesetzt.

 

 

 

Nachtrag

Nach Kriegsende wurden die Straßen wieder umbenannt, wodurch die Anwesen auch neue Hausnummern erhielten.