Die Gochsheimer Kirchweih
von E. Heywang
aus Bayernheft Nr. 21, Schweinfurt und Haßgau
Eine zweite Kirchweih wie die Gochsheimer gibt es in ganz Unterfranken nicht. Wochen- und monatelang im voraus spricht man im ganzen Dorf nur von dem bevorstehenden Fest, wochen- und monatelang danach nur von den schönen Tagen, die leider so schnell vorüberflogen.
Und sie haben recht, die Gochsheimer Bürger und Bauern, ihr Ortsfest so zu begehen; ist es doch nicht nur das Fest der Einweihung ihrer Kirche, sondern auch die Erinnerung an einen großen
Erfolg.
Bis zum Jahr 1802 war Gochsheim ein freies Reichsdorf. Während des Dreißigjährigen Krieges jedoch wurde es dem Fürtbischof von Würzburg unterstellt. Als der Westfälische Friede dem
schrecklichen Kriege ein Ende machte, wollte der Bischof das Dorf nicht mehr freigeben. Die Gochsheimer jedoch, die wussten, dass die Freiheit ihr gutes Recht sei, verklagten ihren unrechtmäßigen
Herrn vor Gericht. Und am 25. August 1649 wurde ihnen durch das Urteil des Richters ihre ehemalige Freiheit wieder zugesprochen. Voller Freude hierüber feierten sie gleich am 1. Sonntag des
Monats September die Kirchweih, die eigentlich erst einen Monat später hätte stattfinden sollen. Was Wunder, wenn dieses Fest noch heute ein Tag der Freude und Lust ist!
Ein Tag? O nein, es sind deren recht viele. Allein die Feier selbst nimmt volle drei Tage in Anspruch: den Kirchweihsonntag, den Montag und die Nachkirchweih am folgenden Sonntag. Die
Vorbereitungen aber beginnen schon drei Wochen zuvor. Da werden die Planburschen bestimmt. Es müssen ehrbare, wackere Jünglinge des Dorfes sein. In einer Wirtschaft kommen die Burschen zusammen.
Wer Planbursch werden will, der meldet sich. Die anderen stimmen zu oder lehnen ab. So werden 8 bis 12 Burschen ausgewählt. Diese wieder bestimmen, jeder für sich, aus der Zahl der Mädchen des
Dorfes, wer an Kirchweih ihre Ehrenjungfrauen sein sollen, und jeder gibt seiner Erwählten ein Geschenk.
Und nun kommt die Woche vor dem Fest. Maurer und Tünchner haben alle Hände voll zu tun, um den Häusern außen und innen ein festliches Aussehen zu geben.Die Bäcker aber müssen unaufhörlich
Plätzchen und Torten backen, die ihnen die Kunden zutragen. Die letzten Tage vor dem Fest kommen die Frauen gar nicht mehr zur Ruhe. Das ganze Haus von oben bis unten soll am Fest
blitzblank dastehen.
Nun ist der Samstag vor dem großen Tage da. Die Planburschen fahren mit geschmückten Pferden hinaus zum Wald, um Fichten zum Schmücken des Planes und der Gasthäuser zu holen. Musik erwartet sie am Eingang des Dorfes, wenn sie zurückkehren. Am Plan angekommen, werden die Fichten abgeladen und alsbald aufgerichtet, zwei an der Wirtschaft "Zum Adler", die anderen rund um den Plan. Diese ganze Arbeit kann nur unter Musikbegleitung ausgeführt werden. Überhaupt sind die Gochsheimer ein musikliebendes Völkchen. Sie haben in ihren Gurken- und Gemüsefeldern schwer zu arbeiten, schwerer als andere Bauern. Dafür verlangen sie an ihren Feiertagen Musik, Tanz, Lustbarkeit.
Sind alle Fichten aufgerichtet und der Plan für den kommenden Tag vorbereitet, so werden dem Bürgermeister, dem Pfarrer und Lehrer Ständchen gebracht. Hierauf folgt ein Konzert, das den Rest
des Abends ausfüllt.
Und nun kommt der so lange ersehnte Tag selbst, den man einmal wenigstens erlebt haben muss. Kein Gochsheimer und besonders keine Gochsheimerin erscheint an diesem Tage in einem Kleid, das
schon einmal getragen ward. Alt und jung sind von oben bis unten neu ausgestattet. Sie lassen sich die Kirchweih schon etwas kosten, die Gochsheimer. Jedes will heute das Schönste
sein.
Am schönsten und reichsten geschmückt sind natürlich die Planburschen mit ihrem blumen- und bänderbedeckten Hut auf dem Kopfe und dem großen seidenen Kreuz auf der Brust. So ziehen sie am
Morgen um 9 Uhr, mit festlicher Musik begleitet, zur Kirche und werden nach dem Gottesdienst wieder so zur Planwirtschaft geleitet, wo der Ehrentrunk stattfindet.
Um 1/2 2 Uhr wird "der Plan aufgezogen". Das ist der Höhepunkt des Festes. Da ist alles auf der Straße, um den Hergang zu sehen. Und nicht zu zählen sind die Fremden: von Schweinfurt, aus den
umliegenden Dörfern, die das Spiel mit ansehen und anhören wollen.
Die Planburschen versammeln sich wieder in der Wirtschaft und ziehen von dort zu einem Bäcker, um den großen Plankuchen abzuholen. Er ist kreuzförmig und mit drei Trauben geschmückt,
letzteres zur Erinnerung an die Zeit, wo Gochsheim noch Winzerdorf war. Der Kuchen wird zum Plan gebracht, über der Musikantenempore aufgehängt und später - im Laufe des Tages - verzehrt. Nach
verschiedenen "Hoch" beginnt nun der Tanz. Während des ganzen Tages herrscht solch ein Jubeln und Jauchzen, dass viele Planburschen am Abend bereits heiser sind vor lauter
Freudenschreien.
Unmittelbar neben dem großen Plan steht die "Kinderfichte", um die die Schulkinder tanzen dürfen; ein Herkommen aus der Zeit des freien Reichsdorfes.
So geht es an drei Festtagen zu. Verkäufer aller Art finden sich natürlich ein und bieten ihre Waren feil. Und sie sind sicher alle mit ihrem Umsatz recht zufrieden.
Ist das Fest vorbei, so wird am folgenden Tage der "Kehraus" gemacht. Jedem Planmädchen wird ein Ständchen gebracht. Die Planburschen sammeln Eier und schließlich vereint ein Festmahl noch
einmal die Planburschen und Planmädchen.
Dann aber kommt wieder die Arbeit zu ihrem Recht. Unverdrossen greift alles wieder zu und holt nach, was in den Tagen der Freude etwa versäumt wurde.
Dieser Artikel wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geschrieben.